Der Dienstag dieser Woche war der Tag, an dem Bayern von Berlin aus regiert wurde. Während der Chef in der Bundeshauptstadt vor dem Bildschirm saß, tummelten sich seine Minister am frühen Morgen in ihren Büros oder auch daheim. Für die Kabinettssitzung per Videokonferenz gab es einen sehr guten Grund: Der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident Markus Söder ist wegen der Koalitionsverhandlungen in Berlin. Die Anekdote zeigt aber auch: Bayern spielt bei ihm derzeit nur die zweite Geige - und das muss sich ändern, sobald die Regierung in Berlin steht. Darauf haben die Wählerinnen und Wähler im Freistaat einen Anspruch, welche die CSU/FW-Regierung mit einem großen Vertrauensvorschuss bestätigt hatten.
Zuletzt inszenierte Söder Bayern als Gegenmodell zum Berliner „Ampel-Chaos“
In den vergangenen Jahren hatte Bayern in Söders Polit-Kosmos vor allem die Rolle des Musterlandes inne, das als Gegenmodell zum Ampel-Chaos im hellsten Licht strahlen sollte. Stützen konnte sich diese Inszenierung auf solide Wirtschafts- und Finanzdaten, garniert wurde sie mit fragwürdigen Schmankerln wie dem Genderverbot - als ob den Menschen geholfen wäre, wenn die Beamten in Briefen keine Gender-Sternchen mehr machen dürften. Weitgehend unbehelligt von einer schwachen Opposition konnten sich die Koalitionspartner sogar profilbildende Scharmützel leisten - beim bislang letzten hätten die Freien Wähler beinahe versehentlich die Koalition gesprengt.
Auf einmal lahmen die Wirtschafts- und Finanzdaten in Bayern
Vorbei. Jetzt braucht die Regierung einen Neustart - und das nicht nur, weil der Lieblingsgegner in Berlin weg ist. Denn daheim in Bayern zeigen sich immer größere Probleme, während die Regierung vor sich hin dümpelt. In der Autoindustrie und ihren Zulieferern stehen Tausende gut bezahlte Jobs auf der Kippe, Städte und Gemeinden melden ein neues Rekord-Defizit. Beim Wirtschaftswachstum lag Bayern 2024 hinter Bundesländern wie Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin und war mit einem Minus von einem Prozent schlechter als der Bundesdurchschnitt. Das mag eine Momentaufnahme sein. Bayern und hier vor allem München bleiben ein Magnet für internationale Firmen, der im Freistaat starken Rüstungsindustrie stehen mutmaßlich goldene Zeiten bevor und die Raumfahrt ist ein Hoffnungsträger. Dass die vom Freistaat angestoßene Hochtechnologie-Förderung daran ihren Anteil hat, das darf sich die Regierung von Markus Söder gerne zugute halten.
Doch das reicht nicht: Bislang ist es nicht gelungen, den durch eine verfehlte Politik verursachten Rückstand beim Ausbau der Windkraft aufzuholen, die für günstigen Strom sorgen kann. Ob die von Söder protegierte Rückkehr zur Atomkraft da wirklich eine Alternative wäre, darf aus vielen Gründen in Zweifel gezogen werden. Als hohl haben sich Söders Versprechen beim Wohnungsbau entpuppt: Die 10.000 neuen Wohnungen gibt es nicht und die als Hoffnungsträger angekündigte Wohnungsbaugesellschaft „Baunova“ hat allein von der Ankündigung bis Gründung eineinhalb Jahre gebraucht. Zum Schwur wird es schließlich in diesem Jahr beim versprochenen Neu- beziehungsweise Ausbau von drei Unikliniken kommen, die mehr als zehn Milliarden Euro kosten werden. Wird Söder hier Wort halten? Und welche Ideen gibt es, um Kitaplätze im Land zu schaffen, die dringend gebraucht werden?
Kurz: Es gäbe viel zu tun. Die Frage ist nur: Packt Söder es jetzt wirklich an?
Bayern hat bei Söder immer schon nur die zweite Geige gespielt, seine Ambitionen sind doch seit Jahren bekannt. Wäre das Land ein Fußballverein, dann wäre er längst gefeuert worden. Aber in der Politik zählt beim Wähler mehr die Show und Selbstdarstellung, zumindest in Bayern, Leistung wird da weniger hinterfragt.
Stimmt, Herr Koenig, Söders Problem ist nur, dass man ihn in Berlin auch nicht will und es wohl Kräfte gibt, die ihn von dort fernhalten. Also bleibt er uns dieser Selbstdarsteller noch eine Weile erhalten.
Solange Markus Söder nicht bereit ist, die CSU zu einer wirklichen "eigenständigen Bundes-Partei" zu machen, solange wird er in der Bundespolitik als Anhängsel der CDU, eben auch immer nur die 2. Geige spielen. Zulange hat er bestimmt nicht mehr Zeit, wenn er denn endlich die 1. Geige spielen will. Dazu braucht es aber eben Mut und Führungstärke, um seine Mitglieder auf diesem Weg mitzunehmen. Mich als "Nicht-Mitglied" hätte er da zwar an seiner Seite, aber ich nütze ihm da zu wenig. Denn ich kann Ihm höchstens nur den Spiegel vorhalten, rein schauen, aber muss er schon selber! Frage: Was haben die "Preussen" uns voraus, was die Bayern "nicht" haben sollten? FJS. hat es ja beinahe in Kreuth schon mal vorgemacht, wie es gehen könnte! Nur hatte er nicht alle seine Getreuen auf seine Seite bringen können, leider. https://www.br.de/nachricht/inhalt/wildbad-kreuth-trennungsbeschluss-102.html
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