Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Attacke am Kö: Eine heftige Klatsche für die bayerische Justiz

Kommentar

Attacke am Kö: Eine heftige Klatsche für die bayerische Justiz

Holger Sabinsky-Wolf
    • |
    Nach dem tödlichen Schlag am Augsburger Königsplatz hebt das Verfassungsgericht die U-Haft auf.
    Nach dem tödlichen Schlag am Augsburger Königsplatz hebt das Verfassungsgericht die U-Haft auf. Foto: AZ-Archiv

    Man muss sich schämen: Es braucht das Bundesverfassungsgericht, um in Bayern Recht und Ordnung wiederherzustellen. Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat das höchste deutsche Gericht die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München zur tödlichen Gewalttat am Augsburger Königsplatz aufgehoben. Das OLG hatte sich wiederum über eine Entscheidung des Augsburger Landgerichts hinweggesetzt und sechs Kumpel des eigentlichen Schlägers nach Weihnachten wieder in U-Haft geschickt. Das war von Anfang seltsam, denn im Prinzip verhängte das Oberlandesgericht damit auf Betreiben der Augsburger Staatsanwaltschaft eine Art Sippenhaft nach dem Motto: Wer im Moment des tödlichen Schlages auch nur in der Nähe stand, gehört vorläufig hinter Gitter.

    Es roch von Anfang an nach Sippenhaft

    Nun haben die Staatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht die höchstrichterliche Quittung für diese Art von Rechtsverständnis bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Haftbefehl gegen den 17-Jährigen, der mit seiner Frage nach einer Zigarette die tödliche Auseinandersetzung ausgelöst hat, aufgehoben. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle und seine Kollegen sparen nicht mit deftiger Kritik am Oberlandesgericht: Es habe den Haftgrund nicht hinreichend begründet, sich mit den Umständen des Einzelfalls nicht ausreichend befasst, sich mit den Besonderheiten des Jugendrechts – der Verdächtige ist minderjährig – gar nicht auseinandergesetzt.

    Kritik des Bundesverfassungsgerichts: „Formelhaft, pauschal und undifferenziert“

    Die juristische Ohrfeige gipfelt in der Formulierung, das OLG stelle „lediglich formelhaft, pauschal und undifferenziert“ bezüglich aller sechs möglichen Mithelfer fest, dass die Fluchtgefahr groß sei. Die Entscheidung der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg unter Vorsitz von Lenart Hoesch lobt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich. Hoesch hatte die Heranwachsenden kurz vor Weihnachten freigelassen. Dieser Beschluss ist nach der Aufhebung der OLG-Entscheidung nun wieder in Kraft.

    Die Augsburger Staatsanwaltschaft muss sich fragen lassen, ob sie in diesem Fall nicht von Anfang an zu hart eingestiegen ist. Die Erfolgsmeldung, dass nach der Gewalttat vom Königsplatz sieben Verdächtige in Untersuchungshaft sitzen, hat in der Öffentlichkeit hohe Erwartungen an die Bestrafung der mutmaßlichen Täter geweckt. Diese Erwartungen werden aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Das stört das Vertrauen in die Justiz empfindlich.

    Erheblicher Schaden für den Rechtsstaat

    Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München widersprach von Beginn an jeglichem gesunden Rechtsempfinden. Es kann nicht sein, dass man in Deutschland allein deshalb eingesperrt wird, weil man dabei steht, wenn eine Straftat verübt wird. Es ist nur konsequent, dass die restlichen fünf Haftbefehle gegen die Kumpel des Schlägers nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts ebenfalls rasch aufgehoben wurden.

    Doch ein Grund zu heimlicher Schadenfreude oder Triumphgeschrei ist all das nicht. Am Augsburger Königsplatz ist ein 49 Jahre alter Familienvater durch eine schwere Gewalttat zu Tode gekommen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Doch wenn die Aufarbeitung einer solchen Gewalttat zum juristischen Treppenwitz wird, ist das ein erheblicher Schaden für den Rechtsstaat.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden