Markus Söder hat sich für den 1. September keine öffentlichen Termine in den Kalender geschrieben. Das liegt nicht hauptsächlich daran, dass der bayerische Ministerpräsident einmal einen freien Sonntag braucht - schließlich hatte er gerade erst Zeit im Urlaub verbracht, aus dem er mit einem modischen Bärtchen zurück in die Staatskanzlei kam. Der Tag der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat für Söder und seine politische Zukunft eine entscheidende Bedeutung.
Vom Wahlergebnis und dem Abschneiden der Union in den beiden ostdeutschen Freistaaten hängt maßgeblich ab, ob Söder noch eine Chance hat, Bundeskanzler zu werden - oder ob der 57-jährige Franke für den Rest seines Politikerlebens in Bayern bleibt. Eine Entscheidung wird in diesem Herbst fallen, also in wenigen Wochen. Eine Zukunft wie sein Vorgänger Horst Seehofer als Bundesminister in Berlin hat Söder bereits ausgeschlossen.
Viel Jubel für Söder
Söder mischt sich in den Wahlkampf der beiden bayerischen Nachbar-Bundesländer aktiv ein, am Montag trat er mit CDU-Chef Friedrich Merz und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (ebenfalls CDU) in Dresden auf, am Freitag wird er zum Abschluss des thüringischen Wahlkampfes an der Seite des CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt in Suhl erwartet. In Sachsen ließ sich Söder von den Anhängern der Union frenetisch feiern.
Inhaltlich hat Söder sein Endspiel in der K-Frage, der Frage, wer Kanzlerkandidat wird, bereits einige Tage früher vorbereitet - im Sommerinterview der ARD. Dort machte er zwei Dinge klar, die nicht nur Außenwirkung erzielen sollten, sondern auch für die Ohren von CDU-Chef und Kandidaten-Konkurrent Friedrich Merz bestimmt gewesen sein dürften.
Erstens: Falls Merz als Favorit in der K-Frage an eine Koalition mit den Grünen denken sollte, sei das nicht mit der CSU, nicht mit Söder zu machen. Zweitens: In Thüringen ginge es - wenn man die AfD des Rechtsextremisten Björn Höcke verhindern will - notfalls auch mit der Linken. Das ist ein Tabu bei der Schwesterpartei CDU; ein Parteitagsbeschluss, an dem Merz festhalten will, verbietet die Zusammenarbeit mit den SED-Nachfolgern.
Warum legt sich Söder bei den Grünen fest?
Besonders die Festlegung zu den Grünen, mit der Söder quasi der großen Schwester CDU die Entscheidungsgewalt aus der Hand nimmt, ließ aufhorchen. Warum macht Söder das? Warum schränkt er die Handlungsspielräume für die gesamte Union im Falle eines Wahlsieges 2025 schon jetzt und ohne Not so stark ein - zumal er die Grünen vor ein paar Jahren noch als höchst interessante gesellschaftliche Kraft titulierte? Nach aktuellen Umfragen wäre die SPD dann der einzig rechnerisch mögliche Koalitionspartner. Will Söder seinem internen Rivalen Merz die Lust am Regieren nehmen?
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch von der Akademie für politische Bildung in Tutzing glaubt daran nicht. Sie hält den Vorstoß Söders eher für eine Abwehrstrategie gegen die AfD und andere Populisten - vor allem auch im eigenen Bundesland. Würde die CSU sich nicht deutlich von den Grünen abgrenzen, wäre die AfD - abgesehen von Hubert Aiwanger mit seinen Freien Wählern - die einzige Kraft, die sich an den in großen Teilen der Gesellschaft wegen unpopulärer Regierungsarbeit inzwischen verhassten Grünen abarbeiten würde.
«Gerade in den ländlichen Räumen profitiert die CSU von ihrer Kritik an den Grünen», sagt Münch. Söder wisse genau, wie polarisierend diese in der Bevölkerung wirkten. «Man ist entweder für oder gegen sie», beschreibt Münch. Uneindeutigkeiten in dieser Frage könne sich Söder auch im Umgang mit der eigenen Basis gar nicht leisten. In der CDU gebe es diese Eindeutigkeit dagegen schon wegen der Koalitionen auf Länderebene, etwa in Nordrhein-Westfalen, so nicht.
Stimmen oder Optionen?
Wer sich in diesen Tagen in der CSU umhört, bekommt eine etwas anders gelagerte, nicht aber widersprüchliche Erklärung geliefert. Ja, Söder mindere natürlich die Zahl der möglichen Regierungsoptionen, wenn er die Grünen wie auch Linke, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und sowieso die AfD als mögliche Partner für die Union auf Bundesebene kategorisch ausschließe. Aber das beinhalte auch die Chance, vor allem der AfD Stimmen zu nehmen. «Will man mehr Stimmen oder mehr Optionen?», lautet der einfache Nenner.
Söder will mehr Stimmen. In Sachsen bekommt er sie schon mal. Der Applaus für den Mann aus Bayern ist im Nachbar-Freistaat viel größer als der für Friedrich Merz, selbst Kretschmer kann beim Heimspiel nicht mit dem Gast aus dem Süden mithalten. Söder ist sich seines Popularitäts-Vorsprungs gegenüber dem elf Jahre älteren Widersacher, den auch nationale Umfragen belegen, vollends bewusst. Er ist sich aber auch über die eindeutige Favoritenrolle des Sauerländers, der die bei weitem größere der beiden Schwesterparteien führt, im Klaren.
Und vor allem auch darüber, dass nicht das eintreten soll, was 2021 passiert ist: nämlich eine erbitterte unionsinterne Personaldebatte, die schließlich zur Wahlniederlage maßgeblich beigetragen haben dürfte. «Das werden wir auf keinen Fall verdaddeln», sagt Söder zum gemeinsamen Ziel, die Ampel abzulösen.
Klar ist aber auch: Merz darf sich in einem durchaus denkbaren Tohuwabohu im nicht ganz unwahrscheinlichen Falle eines für die Union delikaten Wahlausganges in Thüringen und/oder Sachsen keinen Fehler leisten - seine Parteivorsitzenden-Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer könnte diese Sicht möglicherweise bestätigen. Alle Signale, die Söder in der K-Frage aussendet, sagen dasselbe: Er ist persönlich bereit - und inhaltlich aufmunitioniert.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden