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Klinik-Insolvenzwelle in Bayern? Dillingen-Wertingen kooperiert mit Donau-Ries

Gesundheit

Rollt nun eine Klinik-Insolvenzwelle über Bayern?

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    Viele Krankenhäuser schreiben rote Zahlen. Im Zuge der Krankenhausreform stehen nun gewaltige Veränderungen in der Versorgungslandschaft an - die Kreiskliniken Dillingen-Wertingen werden einen Insolvenzantrag stellen und gleichzeitig mit den Donau-Ries-Kliniken stärker kooperieren. 
    Viele Krankenhäuser schreiben rote Zahlen. Im Zuge der Krankenhausreform stehen nun gewaltige Veränderungen in der Versorgungslandschaft an - die Kreiskliniken Dillingen-Wertingen werden einen Insolvenzantrag stellen und gleichzeitig mit den Donau-Ries-Kliniken stärker kooperieren.  Foto: Marijan Murat, dpa

    Die Krankenhauslandschaft in Bayern steht vor gewaltigen Umbrüchen. Ein Paukenschlag wurde am Freitag im Dillinger Kreistag verkündet: Die Kreiskliniken Dillingen-Wertingen gGmbH werden einen Insolvenzantrag stellen - die beiden Häuser haben zuletzt jährlich Defizite in zweistelliger Millionenhöhe eingefahren. Gleichzeitig wurde eine strategische Kooperation mit den Donau-Ries-Kliniken in einem Versorgungsverbund Nordschwaben beschlossen.

    Insolvenz soll ein „Befreiungsschlag“ werden

    Landrat Markus Müller als Aufsichtsratsvorsitzender und Kreiskliniken-Geschäftsführerin Sonja Greschner erhoffen sich durch die Insolvenz in Eigenverwaltung einen „Befreiungsschlag“ und die Rückgewinnung der Handlungsfähigkeit. Nach dem nordschwäbischen Medizinkonzept soll die Dillinger Kreisklinik ein Haus der Grundversorgung mit Innerer Medizin, Chirurgie und Intensivmedizin bleiben und Schwerpunkte im Versorgungsverbund in der Gefäßchirurgie, Gynäkologie und Urologie bilden. Die Donauwörther Klinik setzt ihre Schwerpunkte bei Orthopädie und Onkologie. Das Stiftungskrankenhaus in Nördlingen ist ein erweiterter Notfallversorger, es hat seinen Schwerpunkt in der Kardiologie. Die Klinik in Wertingen soll wie das Krankenhaus in Oettingen zu einem Zentrum für Altersmedizin ausgebaut werden. Nach dem Medizinkonzept, das nächste Woche dem Donau-Rieser Kreistag vorgelegt wird, verliert die Wertinger Kreisklinik die Notaufnahme und die Orthopädie. 155 Betten soll das Dillinger Haus nach der Umstrukturierung dann noch haben - derzeit sind es 182. Die Wertinger Klinik hätte dann noch 61 Betten, derzeit sind es 117. Die Kreiskliniken Dillingen und Wertingen zählen aktuell über 900 Mitarbeitende.

    Rollt jetzt also die große Insolvenzwelle kleinerer Krankenhäuser über die Region, ja über ganz Bayern hinweg? „Ich würde gar nicht von einer Insolvenz sprechen, sondern vom kalten, weil ungeplanten Strukturwandel“, sagt Klaus Schulenburg. Er ist Referent für Soziales, Gesundheit und Krankenhauswesen beim Landkreistag und seit 18 Jahren Mitglied im Krankenhausplanungsausschuss. Wenn nun die Kliniken Dillingen-Wertingen landkreisübergreifend mit den Donau-Ries-Kliniken enger zusammenarbeiten wollen, findet er das erst einmal gut. Denn, dass nicht mehr jeder Landkreis künftig automatisch sein eigenes Krankenhaus haben kann, sei aus finanziellen Gründen klar.

    Experte sagt: Versorgungszentren sind oft besser als kleine Kliniken

    Schulenburg weiß allerdings, welche Ängste viele Menschen mit dem Wort Krankenhausinsolvenz verbinden, und welche Befürchtungen generell oft mit der Krankenhausreform geschürt werden. Gerade auch die sektorenübergreifenden Versorgungszentren, die vielerorts entstehen sollen, würden oft mit einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung gleichgesetzt werden. Daher betont er: „Nein, liebe Bürgerinnen und Bürger, sektorenübergreifende medizinische Versorgungszentren sind per se nicht schlecht, im Gegenteil: sie bieten oft ein breiteres und besseres medizinisches Behandlungsangebot als ein reguläres, kleines Krankenhaus.“ Zumal diese sektorenübergreifenden Versorgungszentren oft auch eine ambulante Notfallversorgung bieten würden.

    Wir haben in Bayern noch immer keine Lösung, wie die medizinische Überversorgung in den Ballungsräumen und die Unterversorgung in manchen ländlichen Regionen ausgeglichen werden kann.

    Klaus Schulenburg, Referent für Soziales, Gesundheit und Krankenhauswesen beim Landkreistag

    Gleichwohl sieht Schulenburg nach wie vor ein Riesenproblem, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt: „Wir haben in Bayern noch immer keine Lösung, wie die medizinische Überversorgung in den Ballungsräumen und die Unterversorgung in manchen ländlichen Regionen ausgeglichen werden kann.“ Auch müsse nun, „nachdem es sich bisher leider um eine reine Vergütungsreform“ handle, sehr darauf geachtet werden, dass nicht bestimmte, wirklich wichtige medizinische Angebote, die sehr teuer in der Vorhaltung sind, wie beispielsweise die Geburtshilfe, völlig unter den Tisch fallen. Und was sowohl von der Bundes- wie der Landespolitik fehle, „ist eine Vision, ein Plan, wie die Krankenhauslandschaft künftig aussehen soll“. Dies sei umso wichtiger, da ein ganz entscheidender Faktor bei der Krankenhausversorgung oft nicht ausreichend gesehen werde: „Nicht nur das Geld macht eine Strukturreform nötig, wir haben vor allem auch nicht mehr die Fachkräfte, um all die Krankenhäuser aufrechtzuerhalten.“

    Viele Menschen wissen nicht die richtigen Nummern im Notfall

    Schulenburg sieht aber noch ein anderes, großes Problem: „Die Gesundheitskompetenz nimmt ab. Sie müsste viel stärker gefördert werden.“ Denn gerade auch vor dem Hintergrund der Krankenhausreform, die zu Veränderungen des medizinischen Angebots vor Ort führe, sei es wichtig, dass Patientinnen und Patienten wissen, wohin sie mit welchen Beschwerden sich wenden: „Habe ich Schmerzen, aber keine lebensbedrohlichen Probleme, dann hilft mir der Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117 weiter. Bin ich in einer lebensbedrohlichen Situation oder habe ich einen Unfall, ist die 112 die richtige Telefonnummer - leider wissen das immer weniger Menschen.“

    Und wie beurteilt Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach die Lage? „Die Pflicht zur Sicherstellung der stationären Versorgung liegt nach den gesetzlichen Vorschriften in Bayern bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten - und nicht beim Freistaat Bayern“, erklärt die CSU-Politikerin auf Anfrage unserer Redaktion. „Das betrifft auch eine mögliche Zusammenarbeit von Dillingen und Wertingen mit den Krankenhäusern im Landkreis Donau-Ries. Klar ist: Der Krankenhaussektor befindet sich seit längerer Zeit in einer Phase des Umbruchs. Das betrifft auch die Region um Nordschwaben.“ Krankenhausträger seien daher „gut beraten, die Angebotsstrukturen proaktiv an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen“. Ich habe in den vergangenen Monaten deshalb viele Gespräche über die örtliche Versorgung angestoßen und begleitet. Ende Januar hatten wir zudem ein sehr konstruktives Gespräch mit den Klinikträgern aus dem Großraum Augsburg. Bei dem Treffen zeigten sich insbesondere die Träger und die Kommunen sehr aufgeschlossen für ein gemeinsames überregionales Gutachten, das ich den Verantwortlichen vor Ort vorgeschlagen habe.

    Gesundheitsministerin unterstützt die Pläne in den Landkreisen

    Es sei richtig, sagt die Gesundheitsministerin, wenn Krankenhäuser kooperieren, ihre Angebote aufeinander abstimmen und gemeinsam die Strukturen überprüfen sowie an die geänderten Rahmenbedingungen anpassen. „Ich unterstütze deshalb auch grundsätzlich Überlegungen der beiden Landkreise Dillingen und Donau-Ries. Diesbezüglich müssen die Krankenhausträger gemäß der vom bayerischen Gesundheitsministerium verabschiedeten Leitplanken bei ihren Umstrukturierungen die Notfallversorgung natürlich besonders im Blick haben.“

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