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Klimaschutz: Wie Bayern sich Klimaneutralität erkauft

Klimaschutz

Wie Bayern sich Klimaneutralität erkauft

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    Bayern versucht, mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten seine Klimabilanz formal zu verbessern.
    Bayern versucht, mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten seine Klimabilanz formal zu verbessern. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Das selbst gesetzte Ziel ist so schlicht wie eindeutig: "Die Staatskanzlei und die Staatsministerien sollen bis zum Jahr 2023 klimaneutral sein", heißt es in Artikel drei, Absatz zwei, des erst 2022 verschärften bayerischen Klimaschutzgesetzes. Die Umsetzung dieses hehren Zieles fällt der Staatsregierung unter Markus Söder (CSU) aber offensichtlich schwer.

    Schon vor gut einem Jahr war bekannt geworden, dass das Bayerische Umweltministerium seinen eigenen CO2-Ausstoß mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten für Biogasanlagen im ländlichen China kompensiert – zumindest auf dem Papier. Nun räumt Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) ein, dass auch die anderen Ministerien mit bayerischen Steuergeldern weltweit Klima-Ablasspapiere kaufen, um die eigene gesetzliche Vorgabe wenigstens formal zu erfüllen.

    Weniger Holz zum Heizen in Nepal und weniger Augenreizungen beim Kochen in Ruanda

    Konkret geht es um mit Dung von Nutztieren betriebene "Biogasanlagen für ländliche Haushalte in ganz Nepal" und effiziente Holzöfen "für einkommensschwache Haushalte" in Ruanda. In beiden Fällen handle es sich zwar leider nicht um bayerische Partnerländer, räumt Glauber in einer Antwort auf eine Landtagsanfrage der Grünen ein – jedoch jeweils um ein "besonders armes Land ohne Seezugang".

    Die mit den CO2-Zertifikaten bezahlten Projekte der gemeinnützigen Organisation "atmosfair" könnten in beiden Ländern den Holzbedarf beim Heizen oder Kochen und damit das Abholzen von Wäldern reduzieren, hofft der Umweltminister. Die "Save80-Öfen aus hochwertigem Edelstahl" für Ruanda minimierten zudem "die Rauchentwicklung im Inneren der Häuser" und damit "das Risiko von Lungen-, Atemwegs und Augenerkrankungen" der Bewohner, erklärt Glauber in seiner fünfseitigen Antwort.

    Wie viel Geld die CO2-Zertifikate kosten, bleibt offen – wie der CO2-Ausstoß der Ministerien

    Wie viel Geld die Staatsregierung für diese erkaufte saubere Klimabilanz aufwendet, lässt der Umweltminister jedoch genauso offen, wie die Frage, wie viel CO2 die Ministerien überhaupt produzieren – und ob sich dieser Schadstoffausstoß in den letzten Jahren im Sinne der erklärten Vorbildfunktion der obersten bayerischen Staatsverwaltung reduziert hat.

    Die "Startbilanz" für das Jahr 2021 sei zwar inzwischen erfolgreich erstellt, beteuert Glauber. Wie diese aussieht, will der Umweltminister allerdings nicht verraten: Einige der Daten beruhten nämlich noch "auf Hochrechnungen und Schätzungen". Eine "Wesentlichkeitsanalyse" sei abzuwarten, aufgrund von Unterschieden in der "Erfassungssystematik" müssten erst "die Bilanzgrenzen für alle Ressorts evaluiert" werden.

    Im Klartext heißt das wohl: Während etwa die Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Thüringen bereits 2022 umfassende interne CO2-Analysen veröffentlicht haben, wissen die bayerischen Ministerien trotz der selbst beschlossenen harten gesetzlichen Vorgabe noch immer nicht, wie groß ihr CO2-Fußabdruck tatsächlich ist.

    CO2-Reduzierung in den Ministerien mit Dienstfahrrädern und Etagen-Drucker

    Bei der Reduzierung des eigenen klimaschädlichen Ausstoßes komme die Staatsregierung dennoch gut voran, verspricht Glauber: Von der "Umstellung auf LED-Beleuchtung" über die "Ermöglichung von Homeoffice zur Reduzierung der Pendleremissionen" bis hin zur "Bereitstellung von Dienstfahrrädern" und "Etagen-Druckern" für die Ministerialbeamten verfolge die Staatsregierung ein "dynamisches Programm" zur Umsetzung ihrer Klimaschutzziele. Konkrete Zahlen gibt es allerdings auch hier nicht.

    Anstatt selbst weniger CO2 zu produzieren, kompensiere die Staatsregierung ihren Schadstoffausstoß bislang nahezu ausschließlich mit Ablass-Zertifikaten, kritisiert deshalb der Würzburger Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl. Mehr als ein halbes Jahr habe Glauber für seinen dürren Vollzugsbericht an den Landtag gebraucht – und letztlich nur einen "Beleg für den Unwillen oder die Unfähigkeit der Staatsregierung geliefert, Klimaneutralität ins Werk zu setzen".

    Grüner Friedl: Beleg für Unwillen oder Unfähigkeit der Söder-Regierung zum Klimaschutz

    "Mit der Verwertung von Dung in China und Nepal und effizienteren Küchenöfen in Ruanda kaufen sich Söder und Glauber nur von der selbst auferlegten Verpflichtung zum Klimaschutz frei", bemängelt Friedl. Für die von Söder vollmundig angekündigten bayerischen Klimaziele sei dies "ein Offenbarungseid", findet der Grünen-Politiker: "Söder und Glauber handeln nach dem Motto: Die Heißzeit kann kommen, nach uns die Sturzflut."

    Stattdessen wäre das bayerische Klima-Ablassgeld etwa für die in Bayern nach wie vor unterfinanzierte Wiedervernässung einheimischer Moore besser eingesetzt, findet Friedl. Damit könnten jährlich mehr als fünf Millionen Tonnen CO2-Ausstoß verhindert werden. Auch Umweltminister Glauber verspricht bei der CO2-Kompensation regionaler zu werden: Die weltweiten CO2-Zertifikate der Staatsministerien will er zumindest "perspektivisch in den Folgejahren Zug um Zug" durch regionale Ausgleichsmaßnahmen ersetzen.

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