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Klimaforscher: „Klimaschutz ist keine Ideologie – Klimaschutz ist Vernunft“

Interview

Augsburger Forscher: „Klimaschutz ist keine Ideologie – Klimaschutz ist Vernunft“

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    Die Region rund um Augsburg war vom Hochwasser im Juni stark betroffen.
    Die Region rund um Augsburg war vom Hochwasser im Juni stark betroffen. Foto: Marcus Merk

    Im Juni erlebte Bayern ein verheerendes Hochwasser, im September traf es unter anderem Österreich, Polen und Tschechien, vor Kurzem Spanien und Großbritannien, jetzt Malaysia und Thailand. Wie ungewöhnlich ist es, dass es innerhalb eines Jahres so viele Flut-Ereignisse gibt?

    Prof. Dr. Harald Kunstmann: Wenn man den physikalischen Mechanismus dahinter kennt, dann wundert es einen eigentlich nicht so sehr. Der Hintergrund ist ja, dass wir in diesem Jahr wieder ein extrem warmes Mittelmeer hatten, teilweise vier Grad wärmer als normal. Das Wasser, das bei den Extrem-Wetterereignissen in Bayern, Österreich und Valencia vom Himmel kam, kommt zum großen Teil aus verdunstetem Mittelmeerwasser. Je wärmer das Meer, desto mehr Wasser verdunstet. Und das führt dann zu extremen Niederschlägen. Die verantwortlichen Wetterlagen, die die feuchte Luft zu uns bringen, sind bekannt. Und wir wissen, dass diese Wetterlagen auch häufiger werden.

    Verantwortlich war in Bayern im Juni die sogenannte Vb-Wetterlage. Was ist das genau und warum gibt es das jetzt häufiger?

    Kunstmann: Es handelt sich um ein Tiefdruckgebiet im Bereich der Adria, wo sich die Luft mit Wasser vollsaugen kann. Dieses Tiefdruckgebiet dreht sich dann gegen den Uhrzeigersinn über die Alpen zu uns. Und bei gleichzeitiger kalter Luft aus dem Norden kommt es dann zu massiven Niederschlägen. Warum das häufiger wird, darüber kann man nur spekulieren. Wir sehen aber in unseren Beobachtungen, dass dieser Zirkulationstyp zunimmt. Was die Lage aber eben verschärft, ist, wie gesagt, dass das Mittelmeer so extrem warm ist.

    Das heißt, die Hochwasser-Ereignisse sind zum großen Teil auf den Klimawandel und die steigenden Temperaturen zurückzuführen?

    Kunstmann: Genau. 2023 und nun auch 2024 hatten wir weltweit Rekordtemperaturen. Die globale Durchschnittstemperatur hat zwölf Monate lang über 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gelegen – das hatten wir eigentlich verhindern wollen. Trotzdem haben wir die Marke Monat für Monat gerissen. Klar, das ist jetzt nur ein Jahr, es kann gut sein, dass es nächstes Jahr etwas weniger warm wird. Aber die Hinweise deuten darauf hin, dass es nicht so kommen wird. Die Erderwärmung schreitet schnell voran. Mit all den Auswirkungen, die wir seit Jahren kommunizieren. Und trotzdem erschrecken wir immer wieder, wenn es zu Katastrophen kommt.

    Klimaforscher warnen ja in der Tat seit Jahren davor, dass die Hochwasser-Ereignisse zunehmen werden. Aber zu einer langfristigen Änderung unseres Verhaltens oder zu deutlichen politischen Entscheidungen hat das bisher nicht geführt.

    Kunstmann: Ja, leider. Ich habe für mich persönlich mittlerweile die Schlussfolgerung gezogen, dass uns als Gesellschaft diese Extremereignisse insgesamt anscheinend doch nicht so sehr berühren, wie sie es eigentlich müssten. Wir haben sehr viel Solidarität mit unseren direkten Nachbarn, das hat man ja beim Hochwasser im Juni in Bayern gesehen. Kommunen, Feuerwehren, Bürgerinnen und Bürger, alle haben im eigenen Ort sehr selbstlos geholfen. Aber wenn es darum geht, ganz übergeordnet Schaden von Menschen in anderen Teilen der Welt abzuwenden, dann verlieren wir scheinbar ganz schnell die nötige, dauerhafte Empathie und auch den Willen, das Problem richtig anzugehen. Obwohl wir diese Katastrophen kommen sehen, obwohl wir auch verstanden haben, dass das mit dem Ausstoß von Treibhausgasen zu tun hat, sind wir doch nicht bereit, ganz konsequent unsere Emissionen zu reduzieren.

    Warum nicht?

    Kunstmann: Die Menschen haben Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen. Und doch braucht es dringend eine weltweite Anstrengung, die Treibhausgase zu reduzieren. Das sehe ich gerade eher wieder auf dem Rückmarsch. Das sehe ich auch in den aktuellen politischen Entwicklungen. Da werden ambitionierte Ziele sehr unambitioniert angegangen und teils beginnt man auch, sie wieder zurückzunehmen.

    Viele Klimaexperten waren ja auch von den Ergebnissen der Weltklimakonferenz ernüchtert. Der globale Süden hatte sich mehr finanzielle Hilfen erhofft, um den Klimaschutz auszubauen und auf den Klimawandel mit Anpassungen zu reagieren.

    Kunstmann: Es ist dort genau das passiert, was ich eben beschrieben habe: Es fehlt die nötige Solidarität mit Menschen aus Nationen, die weit von uns entfernt sind. Deswegen sind die Beschlüsse der Konferenz in der Tat sehr ernüchternd. Und es wird in der Öffentlichkeit leider auch einiges falsch verstanden. Wenn wir von Hilfen für den globalen Süden sprechen, dann wird schnell angenommen, es seien Spendengelder. Man muss aber wissen: Das sind zu einem großen Teil Kredite und die Länder werden das größtenteils zurückzahlen müssen. Mit diesem Geld soll erreicht werden, dass sich ärmere Länder besser an den Klimawandel anpassen und auch Maßnahmen zur Minderung der Emissionen einleiten.

    Anders wird es ja auch nicht gehen. Wir können den Klimawandel ja nicht nur vor der eigenen Haustür bekämpfen.

    Kunstmann: Das stimmt, was die Emissionen angeht, hier müssen alle zusammen sich anstrengen. Die Anpassungsmaßnahmen indes sind etwas, das lokal durchgeführt werden kann und muss. Und da passiert ja auch viel Gutes. In dem Moment, wo eine Kommune von einer Flut betroffen war, wird viel für den Hochwasserschutz getan. Das haben die meisten Kommunalpolitiker wirklich verinnerlicht. Und das liegt auch daran, dass man von dem Geld, das man einsetzt, einen direkten Nutzen in der eigenen Kommune hat. Bei den Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgase ist das anders. Da müssen alle die Emissionen mindern, ohne, dass man gleich direkte Auswirkungen für sich selbst sieht. Und dafür wollen viele Menschen eben nicht ihren Lebensstil ändern.

    Es geht beim Thema Hochwasser und der Frage, wie wir uns schützen können, auch um die Versiegelung von Flächen. Das Wasser kann oft nicht mehr abfließen. Sehen Sie da genug politischen Schub, den immensen Flächenverbrauch einzudämmen?

    Kunstmann: Die Erfahrung zeigt leider, dass es in der Praxis schwierig ist – trotz der Erkenntnis, dass es eigentlich nötig wäre. Besonders im sogenannten Altbestand bei schon existierender Infrastruktur, bei bereits vollzogener Versiegelung. Da ist es nur unter großem Aufwand möglich, etwas zu ändern. Wichtig ist deshalb, dass man bei einer Neuausweisung von Gebieten deutlich mehr darauf achtet, welche Risiken es in diesen Regionen gibt und von vorneherein sagt, dass man etwa in Flussnähe nichts ausweist. Aber klar, es geht um die wirtschaftliche Entwicklung, da schwindet die Bereitschaft, Unbequemes zu tun. Das ist ein Dilemma.

    Lässt sich das lösen?

    Kunstmann: Ich treffe bei meinen Vorträgen und Fachgesprächen in Kommunen parteiübergreifend dem Klimaschutz sehr aufgeschlossene Entscheidungsträger. Spätestens dann, wenn ein Hochwasser oder eine lange Trockenheit zugeschlagen hat, nehmen Klimaanpassungsmaßnahmen in Kommunen Fahrt auf. Aber auf Bundesebene wird gerne suggeriert, Klimaschutz sei eine Ideologie. Klimaschutz ist keine Ideologie – Klimaschutz ist Vernunft. Wir Klimaforscher sind Wissenschaftler, keine Aktivisten. Wir analysieren nüchtern die Fakten und haben schon lange erkannt: Mit der globalen Erwärmung - da kommt was auf uns zu. Und wir finden, die Öffentlichkeit muss das wissen. Und dann demokratisch selbst entscheiden, ob und welches Handeln gewollt wird – und schließlich auch alle Konsequenzen tragen.

    Klimaforscher Harald Kunstmann
    Klimaforscher Harald Kunstmann Foto: Fotostelle Uni Augsburg

    Zur Person: Professor Dr. Harald Kunstmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Regionales Klima und Hydrologie sowie Gründungsdirektor des Zentrums für Klimaresilienz der Universität Augsburg und stellvertretender Direktor des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des KIT-Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen.

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    3 Kommentare
    Lothar Seel

    Die einen Wissenschaftler berichten von mehr Wolken, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, und die anderen berichten - auch heute (s. Welt) von weniger Wolken, die ebenfalls auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Der Supercomputer (s. AZ) will das Klima sogar bis zum Jahr 2040 vorausberechnen, obwohl die Apps das Wetter in der nächsten Stunde falsch darstellen. Wer füttert die Computer mit welchen Daten (Shit in, Shit out, heißt es nicht umsonst)? Glaubwürdig sind die Ursachendarstellungen jedenfalls so nicht!

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    Martin Goller

    Wollen Sie ehrliche Antworten, oder einfach nur stumpfsinnig pöbeln?

    Lothar Bock

    Klimaschutz ist Vernunft, wenn es global passiert (China, USA und Indien sind für mehr als 50 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich). Wenn man Klimaschutz nur für Deutschland fordert, ist es eine Ideologie. Im Gegensatz dazu funktioniert Klimaanpassung auch regional ganz gut.

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