Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Klimaaktivistin Lisa Poettinger will mögliches „Berufsverbot“ nicht akzeptieren

Bildung

Klimaaktivistin Poettinger will mögliches „Berufsverbot“ nicht akzeptieren

    • |
    • |
    • |
    Lisa Poettinger (in Gelb), hier bei einer Demo 2022 in München.
    Lisa Poettinger (in Gelb), hier bei einer Demo 2022 in München. Foto: Muffkinphotos, Imago

    Lisa Poettinger wird nicht leise sein - selbst wenn sie das ihre Karriere als Lehrerin kosten sollte. Daran hat die 28-Jährige, der nach ihrem Lehramtsstudium faktisch ein Berufsverbot droht, am Freitag keinen Zweifel gelassen. „Der Schutz unserer Lebensgrundlagen, Demokratie und Menschenrechte - auch an den Außengrenzen der EU -, das ist mir alles wichtiger als meine Verbeamtung“, erklärt Poettinger bei einer Pressekonferenz in München. Das Interesse an ihrem Fall ist riesig - und die Solidarität mittlerweile auch. In ihrem Umfeld hat sich der Solidaritäskreis „Lasst Lisa lehren“ gegründet, Eltern aus dem Waldkindergarten, in dem die Studentin derzeit arbeitet, haben einen offenen Brief zu ihren Gunsten verfasst. Darin nennen sie Lisa Poettinger ein „leuchtendes Vorbild für die Werte, die wir unseren Kindern vermitteln wollen: Verantwortung, Umweltbewusstsein und gelebte Demokratie.“ In ihrer Arbeit bringe Poettinger keine politischen Parolen ein, sondern zeige, „wie wichtig es ist, unterschiedliche Meinungen zu respektieren, Konflikte friedlich zu lösen und sich aktiv für eine gerechte und nachhaltige Zukunft einzusetzen“.

    Dass die Aktivistin Konflikte immer friedlich und demokratisch löst, daran hat der Staat offenbar seine Zweifel. Eigentlich sollte in nicht einmal drei Wochen ihr Referendariat an einem Gymnasium starten. Sie würde Kinder und Jugendliche dann in Englisch unterrichten und wäre schulpsychologisch tätig, „von Herzen gern“, sagt sie. Doch das Kultusministerium erwägt, Poettinger nicht zuzulassen – unter anderem wegen ihrer Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingeschätzten Gruppierung Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München.

    Zudem kritisiert das Ministerium, dass sie im Jahr 2021 die Automobilmesse IAA ein „Symbol für Profitmaximierung“ genannt hatte. In einem Schreiben, das Poettinger und ihre Anwältin Adelheid Rupp am Freitag in Auszügen vorlegten, bezeichnet das Ministerium „Profitmaximierung“ als Begriff aus der kommunistischen Ideologie. Die wiederum ist nach Überzeugung des Ministeriums „mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“ - ebenso wenig wie zwei Posts, die Poettinger im Internet geteilt hatte: „Let‘s burn down Capitalism“ (Lasst uns den Kapitalismus niederbrennen“) war einer, „System Change! Not Climate Change!“ (Systemwandel! Nicht Klimawandel!) der zweite.

    Gegen Lisa Poettinger wird in zwei Fällen ermittelt

    Des Weiteren laufen zwei Strafverfahren gegen Poettinger, sie soll ein AfD-Wahlplakat zerstört und bei Protesten gegen den Braunkohleabbau Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet haben. Verurteilt ist sie bislang nicht.

    Lisa Poettinger und ihre Anwältin Adelheid Rupp wollen gegen die Entscheidung des Kultusministeriums vorgehen, sollte der endgültige Ablehnungsbescheid tatsächlich eingehen. Die Gewerkschaft GEW hat Poettinger dafür Rechtsschutz zugesichert. Aus Sicht der Klimakämpferin, die unter anderem im Januar 2024 die große Demonstration gegen Rechtsextremismus mit über 100.000 Teilnehmenden in München organisiert hatte, und ihrer Anwältin reicht keins dieser Argumente aus, um ihr die praktische Ausbildung an einer Schule zu verwehren.

    Drohendes „Berufsverbot“: Klimaaktivistin Poettinger fühlt sich missverstanden

    Sie stehe vor einem beruflichen Scherbenhaufen. „Aber was ich getan habe, war wichtig. Bei der Klimagerechtigkeit geht es um Menschenrechte. Und dazu stehe ich.“ Poettinger sieht das drohende Berufsverbot als „allgemeinen Angriff auf kritische Stimmen“. Sie ist überzeugt davon, ihr privates Engagement und ihre antikapitalistische Überzeugung von der Arbeit an einer Schule trennen zu können.

    Bei der Demo gegen rechts in München kamen Anfang 2024 so viele Menschen zusammen, dass sie aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden musste.
    Bei der Demo gegen rechts in München kamen Anfang 2024 so viele Menschen zusammen, dass sie aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden musste. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Kapitalismuskritik sei nicht gleichbedeutend mit Verfassungsfeindlichkeit, betonte Rupp. Ihrer Ansicht nach ist die Mitgliedschaft in einer als linksextremistisch eingestuften, übrigens legalen Gruppierung rechtlich nur dann relevant, wenn belegt ist, dass Poettinger selbst sich aktiv gegen die Verfassung gestellt hat. Rupp rechnet auch fest damit, dass ein mögliches Strafmaß in den beiden Verfahren gegen Poettinger nicht hoch genug wäre, um ein Berufsverbot zu rechtfertigen. „Krass“ findet sie, dass das Ministerium keinerlei positive Aspekte in seine Bewertung einfließen lasse. „Meine Mandantin ist eine führende Stimme der Klimabewegung, sie tritt für Demokratie und Menschenrechte ein und tritt rechtsradikalen Tendenzen entgegen.“ Für Rupp passen diese Haltungen sehr gut zum Beruf der Lehrkraft.

    Wann das Kultusministerium seine endgültige Entscheidung trifft, steht nicht fest. Gegenüber unserer Redaktion hatte Ministerin Anna Stolz (Freie Wähler) Anfang der Woche gesagt, der Fall befinde sich in der Prüfung.

    Diskutieren Sie mit
    4 Kommentare
    Martin Dünzl

    "wichtiger als meine Verbeamtung" - kann ich gut nachvollziehen - wer will denn schon dienen als Handlanger im jahrzehntealten Filz einer CSU geführter Regierungen samt ihrer populistischen rechtskonservativen Figuren, die ihre Fähnchen ständig opportun in die jeweilige Windrichtung drehen und dabei flankierend jede Menge heißer Luft produzieren mit ihren tatenlosen Ankündigungen.

    Wolfgang Leonhard

    Warum wechselt Frau Poettinger nicht in ein anderes Bundesland? Lehrer werden überall händeringend gesucht.

    Franz Xanter

    Es ist und bleibt doch Fakt, solch eine Person hat im Beamtentum einer Lehrerschaft nichts verloren. Untragbar!

    Martin Dünzl

    TSTSTS...wenn ich mir anschaue, wie viele Staatsbedienstete (Lehrer, Soldaten, Polizisten etc.) sich in der AfD tummeln...das dürfte ein deutlich größeren Problem darstellen, wenns um Demokratie- und Verfassungstreue geht! Sehr fragwürdige Positionierung und Gewichtung, die man hier in der Bayerischen Regierung einnimmt!

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden