Der durchschnittliche katholische Neupriester ist 37 Jahre alt, in Deutschland geboren und ohne Migrationshintergrund. Er kommt aus einem konservativen und kinderreichen Elternhaus. Reformanliegen, wie sie beim innerkirchlichen Reformprozess Synodaler Weg beschlossen wurden, trägt er nicht mit und scheint "mit den Werten der modernen Gesellschaft zu fremdeln". Priester wurde er vor allem aufgrund seiner Spiritualität.
"Viele wollen Seelsorger sein, aber nicht Chef und schon gar nicht Manager", sagte Professor Matthias Sellmann. Und: Wenn heute Bundestagswahl wäre, würde der durchschnittliche Neupriester mit weitaus höherer Präferenz als in der Gesamtbevölkerung sein Kreuz bei CDU/CSU machen. Neupriester seien, vergleiche man sie mit ihren Altersgenossen, "Exoten". Auch dieses Wort fiel bei der Vorstellung der Studie "Wer wird Priester?" am Freitagvormittag.
Die katholische Kirche hat nun schriftlich, dass sie eine Reihe weiterer Probleme hat
Im Auftrag der deutschen Bischöfe hat das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap:bochum) bundesweit alle 847 Priester, die von 2010 bis 2021 geweiht wurden, angefragt. 17,8 Prozent von ihnen, und damit eine repräsentative Stichprobe, antworteten. Die katholische Kirche hat nun schriftlich, dass sie eine Reihe weiterer Probleme hat – neben dem des Priestermangels, der sich immer weiter verschärft. Selbst in Bayern, das als besonders katholisch gilt, wird es weder in Bamberg noch in Würzburg dieses Jahr einen neuen "Weltpriester" – im Unterschied zum Ordenspriester – geben, wie die Bistümer unserer Redaktion bestätigten. Für Würzburg ist das ein Novum, blickt man auf die letzten mehr als 60 Jahre zurück.
Als weitere Probleme benannte Sellmann, Direktor des zap:bochum, die Priesterausbildung und die Neupriester selbst. Diese werden "wenig dazu beitragen, Kirche und Gegenwartsgesellschaft einander kreativ zu erschließen", sagte er. Sowie: "Ihre Überforderung im Ausfüllen von Führungspositionen ist vorprogrammiert". Doch genau das sei in der Praxis ihre Aufgabe: zu managen. Für die Priesterausbildung sieht er daher eine "starke Notwendigkeit zum Umsteuern".
Weniger Kandidaten im Priesterseminar kommen auf dem klassischen Weg
Auffällig ist auch, dass zunehmend "Quereinsteiger" oder "Spätberufene" zu Priestern geweiht werden. "Der früher übliche Weg, dass ein junger Mann unmittelbar nach dem Abitur mit 19 oder 20 Jahren ins Seminar eintrat, um dort Theologie und Philosophie zu studieren und sich auf die Priesterweihe vorzubereiten, ist keineswegs mehr der Normalfall", sagte der Fuldaer Bischof Michael Gerber am Freitag. Das Bistum Würzburg kann den Befund bestätigen. Derzeit seien sechs Kandidaten im Priesterseminar, nur einer komme vom "klassischen Weg" her, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Tendenziell seien die Weihekandidaten eher etwas älter, der Entscheidungsweg oft länger.
Unter den in den vergangenen Jahren in Würzburg neu geweihten Priestern befinden sich ein Diplom-Betriebswirt, der bei der Börsen-Zeitung in Frankfurt am Main arbeitete, ein Landschaftsgärtner, ein Jurist und ein Schreiner. Im Bistum Augsburg waren allein unter den drei Diakonen, die Bischof Bertram Meier im Sommer 2022 zu Priestern weihte, ein damals 36-jähriger Softwareentwickler und ein damals 34-jähriger Lagerlogistiker. Im Jahr darauf wurde ein früherer gelernter Maschinenschlosser, damals 53 Jahre alt, zum Priester geweiht. In diesem Jahr gibt es drei Priesterweihen in Augsburg.
Als aus ihrer Sicht größte Hürden für potenzielle Priesterkandidaten nannten die für die Studie befragten Priester den Zölibat und das negative Image der Kirche sowie deren Krise im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch.
1962 lag die Zahl der Priesterweihen noch bei 557
Die Zahl der Priesterweihen schwankte bei kontinuierlichem Rückgang mitunter stark, in den vergangenen 25 Jahren aber weist die Tendenz dramatisch nach unten: Wurden beispielsweise im Jahr 2000 154 Weltpriester geweiht, waren es 2022 gerade einmal 33. Die entsprechende Statistik der Deutschen Bischofskonferenz, die 1962 beginnt, verzeichnet für jenes Jahr noch 557 Priesterweihen. Wird der Priesterberuf also aussterben? Die Forschenden rechnen mit einer Stabilisierung der Zahlen auf niedrigem Niveau. Und weisen darauf hin, dass der Bedarf an geistlicher Begleitung und Seelsorge hoch sei. Nur: Die Zugangsschranken zum Beruf seien zu eng, sagte Matthias Sellmann und erinnerte an die Forderung, "viri probati" – bewährte, verheiratete Männer – zu Priestern zu weihen. Es gebe Ressourcen, sie seien nicht ausgeschöpft.
Max Bauer aus dem oberbayerischen Pfaffenhofen an der Ilm gehört zu denjenigen, die nach dem Abitur ins Priesterseminar gingen. Damals, 2002, war er 19. 2009 folgte seine Priesterweihe. Dass er mit den Werten der modernen Gesellschaft fremdele, kann man gewiss nicht über ihn sagen. Bauer ist Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Ehekirchen, eine Gemeinde in der Mitte zwischen Augsburg und Ingolstadt. Auf die Frage, ob er bei seinem Eintritt ins Priesterseminar möglicherweise zu jung gewesen sei, antwortete er: "Manchmal denke ich mir, ich habe relativ wenig von der Welt mitbekommen. Aber ich mag den Herrgott gern und ich mag die Leute gern – als Priester kann ich beides verbinden."