Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Kirche: Razzia im Erzbistum: Kurswechsel der Justiz?

Kirche

Razzia im Erzbistum: Kurswechsel der Justiz?

    • |
    Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche hat die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Münchner Erzbistum erwirkt.
    Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche hat die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Münchner Erzbistum erwirkt. Foto: Friso Gentsch, dpa

    Es ist in der Tat ein bisher beispielloser Vorgang: Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche hat die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Münchner Erzbistum erwirkt. Eine Aktion mit Symbolkraft ist das allemal – aber auch ein Zeichen eines Kurswechsels? Betroffene und Kirchen-Reformer hoffen jedenfalls auf einen veränderten Umgang der Justiz mit Missbrauchsverdachtsfällen. "Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion", sagt etwa Matthias Katsch, der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch". Er ergänzt aber: "Leider kommt er für viele Betroffene zu spät."

    Die Staatsanwaltschaft München I ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Mitte Februar mit einem Durchsuchungsbeschluss beim Erzbistum München und Freising vorstellig geworden. Die Aktion soll im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und möglichen Vertuschungsvorwürfen gegen Bistumsverantwortliche stehen. Das Erzbistum wollte sich am Sonntag auf Anfrage nicht äußern. Gegen Kardinal Reinhard Marx richteten sich die Ermittlungen nicht. Es soll um den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters gehen, dessen Taten in die 1960er Jahre zurückreichen sollen. 

    Der Justiz wurde vorgeworfen, Vertuschung zu ermöglichen

    Die Justiz – vor allem in Bayern – war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. "Es ist eine gewaltige Zäsur, dass ausgerechnet in bei mehreren Staatsanwaltschaften in Deutschland Anzeigen erstattet haben. "Anscheinend misstrauen die Ermittlungsbehörden den Mitarbeitern der katholischen Kirche inzwischen und bezweifeln deren uneingeschränkte Mitwirkungsbereitschaft", fährt Putzke fort. "Das bis dato beispiellose bayerische Vorgehen hat bundesweit Signalwirkung, denn es zeigt, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen sowohl nötig und überfällig als auch rechtlich möglich sind."

    Es sei wahrlich Zeit für diesen Schritt gewesen, findet auch Edgar Büttner von der Reformbewegung "Wir sind Kirche" München. "Die Kirchen haben viel zu lange versucht, alles kirchenintern selber zu regeln. Damit haben sie immer wieder Täter geschützt und vor allem weitere Verbrechen ermöglicht." Büttner sprach von einer "eher symbolischen Aktion". – "Es wäre gut gewesen, wenn dies schon 2010 erfolgt wäre, nach dem ersten Münchner Missbrauchsgutachten, das Kardinal Marx zwar hat erstellen lassen, dann aber unter Verschluss gehalten hat."

    Studie geht von mindestens 497 Opfern aus

    Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass sie seit Vorstellung des aufsehenerregenden Münchner Missbrauchsgutachtens im Januar 2022 untersucht, ob "ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte". Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte das Gutachten im Auftrag des Erzbistums veröffentlicht. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus – und von einem weit größeren Dunkelfeld. 

    Das Thema beschäftigt auch die Politik: Gabriele Triebel, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sieht nach der Justiz nun die

    Söder wirft Kirche eine zu zögerliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor

    Zu der Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zwar lediglich: "Das ist eine Sache der Justiz, das muss die Justiz entscheiden." Generell aber wirft Söder der katholischen Kirche eine jahrelang viel zu zögerliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor. "Es ist definitiv alles zu spät gewesen und zu lang", sagte er am Montag. Er machte aber auch deutlich, dass er respektiere, "wie viel sich dann auch getan hat". Es gebe "zwischen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Tatsache, was passiert ist, auch Differenzen." Es habe auch viel schwere Kritik an Personen gegeben, "die gar nichts dafür könnten, die das auch sehr getroffen hat". (sast, dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden