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Kirche: Ist die Kinderbeichte gefährlich?

Kirche

Ist die Kinderbeichte gefährlich?

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    Die Beichte hatte früher schon einen zweifelhaften Ruf. Dann stellten Wissenschaftler fest, dass sie klerikale Missbrauchstäter zur Anbahnung ihrer Taten nutzten.
    Die Beichte hatte früher schon einen zweifelhaften Ruf. Dann stellten Wissenschaftler fest, dass sie klerikale Missbrauchstäter zur Anbahnung ihrer Taten nutzten. Foto: Martin Schutt, dpa

    Zehntausende Kinder haben in diesen Wochen ihre Erstkommunion. Sie haben sich intensiv darauf vorbereitet. Haben in Vorbereitungsgruppen etwas über den Glauben erfahren. Ihre Kerze gestaltet. Gebetet. Vielleicht einen Ohrwurm bekommen von dem Lied "Kommunion heißt: Wir feiern Gemeinschaft". Was für zahlreiche katholische Drittklässler und ihre Eltern nach wie vor ein bedeutendes Fest darstellt, ist für die Kirche in Zeiten ihrer tiefgehenden Krise auch eine vielschichtige Herausforderung.

    In einer Anfang März veröffentlichten Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz, die vom Würzburger Weihbischof Ulrich Boom mit erarbeitet wurde, ist von Spannungen und der nicht mehr selbstverständlichen Weitergabe des Glaubens die Rede. Sowie von Klagen Hauptamtlicher, immer weniger "Basics des Glaubens" voraussetzen zu können. Das Fundament werde dünner, und nach der Erstkommunionfeier breche der Kontakt zu vielen Kindern und ihren Familien erst einmal wieder ab.

    Strafrechtler: Staat muss Kinderbeichte notfalls verbieten

    In diesem Jahr wird die Erstkommunion – das erstmalige Empfangen des Eucharistie-Sakraments, also des Leibes Christi in Gestalt des Brotes – von einer Diskussion begleitet: um die erste Beichte, die zur Kommunionvorbereitung gehört. Aus Kirchensicht ist die Kinderbeichte eine Möglichkeit zur Versöhnung und dazu, existenziellen Fragen nachzugehen. Bei einer Anhörung von Sachverständigen zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext kürzlich im Landtag wurde sie dagegen als Risiko problematisiert. Der Passauer Strafrechtsprofessor Holm Putzke forderte, dass der Staat die Kinderbeichte notfalls verbieten müsse, lasse sich die Kirche nicht darauf ein, sie zu modifizieren. Wie zuvor der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing, Leiter der bundesweiten "MHG-Studie" zu den Missbrauchsfällen in Reihen der katholischen Kirche, wies er darauf hin, dass klerikale Missbrauchstäter die Beichte, zumal im Beichtstuhl, zur Anbahnung ihrer Taten nutzten.

    In der Debatte meldete sich jüngst zudem der frühere Bundesfinanzminister und CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel zu Wort. In einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb er, die katholische Kirche habe lange gebraucht, bis sie das "zweifelhafte Instrument der Kinderbeichte" auf den Prüfstand gestellt habe. Der 1939 Geborene ließ dem eine Episode aus seiner Kindheit folgen und erklärte: "Alles, was ich in meiner ersten Beichte 1948 bekannt habe, war keine Sünde. Heilige Namen leichtsinnig ausgesprochen, in der Kirche unandächtig gewesen, das Morgen- und Abendgebet vergessen, über Unkeusches geredet; das als Sünde zu deklarieren war theologischer Unfug."

    Über 379 Euthanasietote in seiner Heimat Ursberg habe kein Pfarrer auch nur ein Wort verloren, so Waigel. "Als uns der Herr Kaplan im Religionsunterricht erzählte, wir seien alle von Gott erschaffen worden, bemerkte mein Banknachbar, bei ihm sei sein Vater beteiligt gewesen. Als Hochwürden das hörte, kam es zu hochnotpeinlichen Verhören und strafenden Vermerken." Die Kirche habe "allen Anlass, sich auch von diesen Altlasten der Vergangenheit zu befreien".

    Präventionsbeauftragte: Chance der Beichte liegt darin, Belastendes aus dem eigenen Leben wahrnehmen zu lernen

    Das Bewusstsein dafür ist verbreitet. Und es spricht nicht nur aus der bischöflichen Arbeitshilfe oder ist in der Praxis vieler Pfarrgemeinden ersichtlich. Gabriele Siegert, Präventionsbeauftragte im Bistum Eichstätt, sagt zum Beispiel unserer Redaktion: Die Chance der Beichte liege darin, Belastendes aus dem eigenen Leben wahrnehmen zu lernen und dieses vor Gott zu tragen. Dass Gott einen Menschen bedingungslos annehme, sei aus Sicht der Präventionsarbeit ein befreiendes Element des Glaubens. "Dies muss aber – gerade bei der Erstbeichte mit jungen Menschen – sensibel eingeübt werden, da das Beichtsakrament in der Vergangenheit durchaus als ein Einfallstor für Grenzverletzungen, Übergriffe, geistlichen und sexuellen Missbrauch benutzt wurde."

    Im Bistum Eichstätt orientiere man sich an einer Leitlinie der deutschen Bischöfe, ergänzt Siegert. "Die besagt, dass die Kinder nicht nur in ihrer Freiheit geachtet werden sollen, sondern dass der Akzent bei der Vorbereitung und Feier weniger auf die formale Richtigkeit der Beichte gelegt werden soll, sondern mehr auf den Akzent der Versöhnung und des Erlebens."

    Genaue Zahlen zu den Erstkommunionkindern für dieses und das vergangene Jahr liegen den sieben bayerischen Bistümern noch nicht vor. Sie sind aber relativ stabil. So gab es laut Kirchenstatistik im Bistum Augsburg vor zehn Jahren rund 11.900 Erstkommunionen, 2021 waren es knapp 10.500. Im Bistum Würzburg waren es 2013 rund 6000 und 2021 knapp 5200; im Bistum Eichstätt lag die Zahl bei knapp 3400 (2013) und bei rund 3000 (2021).

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