Das katholische Bistum Augsburg zahlt einem Missbrauchsopfer nun doch die Summe von 150.000 Euro. Wie es am Dienstag mitteilte, habe es mit Vertretern der "Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen" (UKA) alle "noch offenen Verfahrens- und Kommunikationsfragen" klären können.
Das von den deutschen Bischöfen eingesetzte unabhängige Gremium hatte die Höhe der Zahlung festgelegt; der Augsburger Bischof Bertram Meier hatte diese zunächst verweigert und war dafür bundesweit kritisiert worden. Der Betroffene hatte angegeben, von einem Priester schwer missbraucht worden zu sein – das Bistum stufte dies als plausibel ein.
So hatte das Bistum seine Entscheidung begründet
Dann legte der Mann bei der UKA Widerspruch gegen deren erste Festsetzung – 50.000 Euro – ein. Die UKA sah nach erneuter Prüfung einen "besonders schweren Härtefall" und erhöhte den Betrag. Auch, weil sie sich nach eigenen Angaben stets am "oberen Bereich" dessen orientiere, "was staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen an Schmerzensgeldern zuerkannt haben". Die waren inzwischen gestiegen: Im Sommer 2023 hatte ein Gericht dem Erzbistum Köln auferlegt, einem Missbrauchsopfer 300.000 Euro zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Bistum Augsburg argumentierte, dem Betroffenen sei anscheinend keinerlei Blick auf das Positive an seinem früheren Leben (Ehe, Kinder, Erfolg im Beruf) mehr möglich. Vielmehr führe er seine gesamte heutige Situation ausschließlich auf den Missbrauch zurück. Weiter erklärte es, dass "die finanziellen Möglichkeiten der Bistümer nicht vollständig außer Acht gelassen werden" dürften. Sowie: 150.000 Euro stellten "einen vollständigen Paradigmenwechsel" dar. Ab einer Summe von 50.000 Euro hängt die Zahlung von der Zustimmung des jeweils zuständigen Bischofs ab.
Nun erklärte das Bistum: Der Berichterstatter für das Widerspruchsverfahren bei der UKA bewerte im konkreten Fall gegenüber der erstinstanzlichen Festlegung im Besonderen die negativen psychosozialen Folgen des Missbrauchsgeschehens für den Betroffenen als sehr gravierend. "Damit sind für das Bistum Augsburg neue, zusätzliche Gegebenheiten in diesem Fall anzuerkennen."
Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz: Änderungen der Anerkennungsleistung seien "Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens"
Für Unmut dürfte innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sorgen, dass Bischof Meier das mühsam gefundene System infrage stellt und – wie es scheint überraschend – eine Grundsatzdebatte einfordert. Am Dienstag hieß es vonseiten des Bistums: "Die grundsätzliche Thematik der Dynamisierung der festgesetzten Leistungshöhen ... sieht das Bistum Augsburg als ein Thema an, das auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz weiter zu diskutieren ist."
Ein DBK-Sprecher erklärte auf Anfrage unserer Redaktion am Abend, dass mit dem zum 1. März 2023 eingeführten einmaligen Widerspruchsrecht Betroffenen die Möglichkeit gegeben worden sei, die Entscheidung der UKA überprüfen zu lassen. "Dass es bei Vorliegen entsprechender Umstände zu Änderungen der Anerkennungsleistung kommen kann, ist Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens". Dies zeige, dass mit dem Widerspruchsverfahren die Rechte der Betroffenen wie beabsichtigt gestärkt worden seien.
Der DBK-Sprecher wies zudem darauf hin, dass die Bischöfe bereits auf ihrer Herbst-Vollversammlung im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Juni 2023 und der von diesem zugesprochenen Schmerzensgeldsumme in Höhe von 300.000 Euro für sexuellen Missbrauch davon ausgegangen seien, "dass solche Urteile von Zivilgerichten auch eine deutliche Dynamisierung der Bescheidhöhen durch die UKA erwarten lassen". Er betonte: "Erhöhungen von Anerkennungsleistungen wie jetzt geschehen, bestätigen die Richtigkeit dieser Einschätzung."