Die Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder soll in Bayern massiv ausgebaut werden. Das hat die neue bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) in ihrer ersten Regierungserklärung am Dienstag im Landtag versprochen. Zugleich kündigte sie weitere Initiativen an – unter anderem für die Unterstützung Gehörloser, für Inklusion, Jugendarbeit und Frauen. Dennoch erntete sie viel Kritik für ihre Rede. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze warf der Regierung vor, das Geld für Familien „wild übers Land zu verteilen“, statt gezielt den Familien und Alleinerziehenden zu helfen, die es am dringendsten brauchen.
Nach Aussage Scharfs leistet Bayern für junge Familien mehr als jedes andere Bundesland. Familiengeld, Krippengeld und Beitragsentlastungen für die Kinderbetreuung summierten sich für eine Familie mit drei Kindern bis zum Ende der Kindergartenzeit auf rund 40.000 Euro. Bereits 2013 habe Bayern eine Fördergarantie für jeden Krippenplatz für Kinder unter drei Jahren gegeben. „Nun setzen wir den nächsten Meilenstein für Grundschulkinder“, sagte Scharf und verkündete: „Wir geben hier und heute eine neues Förderversprechen. Für jeden Ganztagsplatz für Grundschulkinder, den die Kommunen bis zum Jahr 2029 schaffen, garantiert der Freistaat eine finanzielle Unterstützung bei den Investitionskosten.“
In Bayern herrscht Fachkräftemangel bei der Kinderbetreuung
Die Eltern könnten sich damit darauf verlassen, dass ihr Grundschulkind aufwachsend ab dem Jahr 2026, wenn der Rechtsanspruch bundesweit in Kraft tritt, auch am Nachmittag gut betreut wird. Die Ministerin räumte allerdings ein, dass dafür aktuell die Fachkräfte fehlen. Sie versicherte aber, dass der Staat nach der Erleichterung bei der Ausbildung künftig auch die Möglichkeiten zu Weiterbildung und Qualifizierung „auf ganz neuem Niveau“ ausweite. Außerdem wolle die Staatsregierung eine Fortbildungsakademie gründen.
Wie groß das Problem gerade in Bayern ist, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung. Danach steuert der Freistaat auf einen noch größeren Fachkräftemangel bei der Kinderbetreuung hin. Zwischen dem prognostizierten Bedarf und dem voraussichtlichen Angebot klaffe zum Ende des Jahrzehnts alleine an den Grundschulen eine Lücke von fast 21.000 Personen. An den Kindertagesstätten wären zusätzlich 46.000 Fachkräfte bis 2030 nötig, heißt es in der Studie. „Bayern kann die Umsetzung des Rechtsanspruchs für alle Kinder bis 2030 kaum stemmen, der Fachkräftebedarf ist bis dahin nicht zu decken“, sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung. Der Studie zufolge nutzen in Bayern 36 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Ganztagsangebot.
Grünen-Fraktionschefin Schulze: "Bayern steckt in einem Teufelskreis"
Grünen-Fraktionschefin Schulze stellte die finanziellen Anstrengungen des Freistaats nicht infrage, übte aber massive Kritik an der Verteilung der Mittel. Das Geld einfach gleichmäßig an alle auszuzahlen, sei in Zeiten von Inflation und angespannter Haushaltslage nicht gerecht. Schulze forderte: „Das Familiengeld muss endlich gestaffelt nach dem Einkommen der Eltern ausbezahlt werden, damit es auch bei den Kindern und Eltern ankommt, die es dringend benötigen.“ Beim Thema Fachkräftemangel steckt Bayern nach Ansicht Schulzes in einem „Teufelskreis“. Der aktuelle Mangel an Mitarbeitern bewirke eine hohe Arbeitsbelastung des Betreuungspersonals, was potenzielle Betreuer abschrecke und im Endeffekt zu neuem Fachkräftemangel führe.
Ganz ähnlich argumentierte die SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher. Auch sie forderte gezieltere Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendarmut, „um die zu erreichen, die Unterstützung besonders nötig haben“. Beim Thema Fachkräftemangel warf sie der Regierung jahrzehntelange Versäumnisse vor. „Statt Lösungen gibt es von ihrer Seite seit vielen Jahren nur Schönfärberei“, sagte Rauscher.
Kritik an der Staatsregierung übten auch FDP und AfD. Sprecher der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler hoben hervor, dass in Bayern mehr getan werde als anderswo.