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Katholische Kirche: Missbrauchsopfer treffen Bischof: Reaktionen auf bewegendes TV-Gespräch

Katholische Kirche

Missbrauchsopfer treffen Bischof: Reaktionen auf bewegendes TV-Gespräch

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    Die ehemaligen Heimkinder von "Haus Maffei": Martha Stark und Robert Waldheim (Namen zu ihrem Schutz geändert).
    Die ehemaligen Heimkinder von "Haus Maffei": Martha Stark und Robert Waldheim (Namen zu ihrem Schutz geändert). Foto: Ulrich Wagner

    Martha Stark ist auch Tage nach ihrem Gespräch mit dem Augsburger Bischof noch hörbar mitgenommen. Gemeinsam mit Robert Waldheim (Namen geändert) redete sie am vergangenen Freitag im Augsburger Ulrichshaus mit Bertram Meier über das, was ihr und anderen ehemaligen Heimkindern aus dem Sonderschul-Kinderheim „Haus Maffei“ im oberbayerischen Feldafing, das bis zu seiner Schließung 1972 unter Trägerschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Bayern stand, und andernorts angetan wurde: brutale Misshandlungen und schwere sexualisierte Gewalt – auch durch den damaligen, 1991 im Allgäu gestorbenen Dorfpfarrer.

    Ein gemeinsames Recherche-Projekt unserer Redaktion mit dem ARD-Politikmagazin „report München“ führte dazu, dass sich die 64-Jährige und der 69-Jährige zu einem Treffen mit dem katholischen Bischof vor laufenden Kameras bereit erklärten – für einen deutschen Bischof bislang einmalig. Stark und Waldheim wurden von ihrem Traumatherapeuten Jörg Jaegers begleitet.

    Nach dem Gespräch, sagt Stark am Dienstag am Telefon, habe sie gefroren, ihr Zustand habe einem Kreislaufzusammenbruch geähnelt – so sehr habe es sie mitgenommen, noch einmal von der Vergangenheit zu erzählen. Eine Vergangenheit, die sie bis heute unter anderem in Albträumen verfolgt.

    Welche Folgen das öffentlich breit wahrgenommene Gespräch haben könnte, dazu hat sie gemischte Gefühle. Einerseits sagte der Bischof zu beiden ehemaligen Heimkindern, er glaube ihnen. Zudem bat er um Entschuldigung. „Es tut mir leid, dass auch Vertreter der Kirche sich so benommen haben“, erklärte er und versprach, er werde „alles tun, um die Struktur der Kirche so zu ändern, dass solche Dinge nicht mehr vorkommen“.

    Damit hatte er beiden Missbrauchsbetroffenen einen Wunsch, wie es Waldheim zuvor formuliert hatte, erfüllt: dass sich ein hoher Kirchenvertreter persönlich bei ihnen entschuldige. Mit ihrem Schritt in die Öffentlichkeit verbinden die beiden auch die Hoffnung, andere Missbrauchsopfer zu ermutigen, ihre Leidensgeschichten zu erzählen – und so die immer noch schleppende und kritikwürdige Aufklärung und Aufarbeitung des Missbrauchsskandals voranzutreiben.

    Ehemaliges Heimkind von "Haus Maffei" in Feldafing: "Ich will nicht betteln."

    Und doch bleibt ihr und Robert Waldheim ein Gefühl der Ungewissheit: Wie wird es mit ihrer Therapie weitergehen? Die Kosten für – bei Stark – 50 Therapiestunden hatte die Kirche übernommen, zusätzlich zu „Leistungen in Anerkennung des Leids“. „Über das Geld kann ich mich nicht freuen“, sagt Stark mit tränenerstickter Stimme. Und so verzweifelt wie wütend ergänzt sie: „Nach 50 Therapiestunden war Schluss mit der Kostenübernahme. Nun soll ich mich weiter darum kümmern – aber ich will nicht betteln.“

    Christian Weisner von der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sagte auf Anfrage unserer Redaktion zu dem in Augsburg aufgezeichneten Gespräch: „Es ist immer wieder schockierend, welche Grausamkeiten gerade von kirchlichen Tätern verübt worden sind, die lebenslanges Leid verursachen und bei vielen jegliches Vertrauen in die Kirche und auch den Glauben zerstört haben.“ Den Betroffenen müsse endlich geglaubt werden, und sie müssten auch angemessene Entschädigungen und Hilfen erhalten.

    "Wir sind Kirche": "Bischof Meier hat mit diesem öffentlichen Gespräch ein Vorbild gegeben."

    „Bischof Meier hat mit diesem öffentlichen Gespräch ein Vorbild gegeben“, so Weisner. Die katholische Kirche müsse sich auch diesen erschütternden schwarzen Flecken stellen. Denn neben der persönlichen gebe es eine institutionelle Verantwortung, die übernommen werden müsse. Weisner weiter: „Wenn Bischof Meier verspricht, er werde alles tun, um die Struktur der Kirche so zu ändern, dass solche Dinge nicht mehr vorkommen, so müssen er und alle seine Amtskollegen das auch beim Synodalen Weg in Deutschland zeigen, der die Antwort der deutschen Bischöfe auf die deutsche Missbrauchsstudie, die sogenannte MHG-Studie aus dem Jahr 2018, ist.“

    Robert Waldheim und Martha Stark während ihres Gesprächs mit dem Augsburger Bischof Bertram Meier.
    Robert Waldheim und Martha Stark während ihres Gesprächs mit dem Augsburger Bischof Bertram Meier. Foto: Ulrich Wagner

    Der Bischof selbst sprach im Interview mit dem BR Studio Schwaben in Augsburg von einer entspannten Gesprächsatmosphäre - "bei allem Ernst der Thematik". Was er zu hören bekommen habe, sei in der Tat beschämend gewesen, sagte er mit Blick auf Aussagen wie diese von Robert Waldheim: "Wir haben das schon erlebt: in der Kirche in eine Kiste eingesperrt. Oder draußen in ein Wasserfass gesteckt, Deckel drauf – und wir haben nach Luft gejapst. Oder in der Sakristei: in einen riesigen Kackhaufen reingedrückt, Füße drauf. Und so erniedrigt und angepisst worden."

    Weiter sagte Bischof Bertram Meier: "Ich wurde konfrontiert mit Ereignissen, die ich so mir nie habe ausmalen können. Ich habe mich aber auch nicht auf der Anklagebank gefühlt." Die Betroffenen hätten sehr fair Zeugnis abgelegt. Zusammen habe man in einen tiefen Abgrund geschaut. Es sei ein starkes Zeichen von Stark und Waldheim, so Meier, mit einer Person der Institution, "die diese unerhörten Dinge mit verbrochen hat", zu sprechen. Er und seine Mitbrüder kehrten nichts unter den Teppich. Die Frohe Botschaft jedoch sei seit Jahren von einem dunklen Schatten umgeben.

    Der Beitrag „Katholischer Bischof trifft Opfer: Ein Gespräch über Missbrauch in der Kirche“ wird an diesem Dienstag im Politikmagazin „report München“ um 21.45 in der ARD gesendet. Ein längerer Film über das Gespräch ist von diesem Dienstag an ab 17 Uhr in der ARD-Mediathek abrufbar.

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