Frau Schulze, in etwa vier Wochen kommt Ihr zweites Kind zur Welt. Haben Sie und Ihr Mann das Kinderzimmer schon eingerichtet und wie sieht es aus?
KATHARINA SCHULZE: (lacht) Also unsere Wohnung ist jetzt nicht so groß, dass jedes Kind ein eigenes Kinderzimmer hat. Aber beim zweiten Kind braucht man ja nichts mehr Neues. Von der Wippe bis zur Wickelkommode haben wir ja alles. Deswegen fühlt sich die zweite Schwangerschaft auch ganz anders an als die erste, schon ein bisschen routinierter.
Sie können es ein bisschen gelassener nehmen?
SCHULZE: Ich habe einfach sehr großes Glück, dass es mir bei beiden Schwangerschaften körperlich so gut geht. Deswegen kann ich noch gut bis Mitte August meine Sommertour machen.
Nach der Geburt stehen alle jungen Familien vor Fragen, meist geht es um das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie sieht es jetzt bei dem Politiker-Ehepaar Schulze/Bayaz aus: Haben sie es da leichter oder schwerer?
SCHULZE: Wir jonglieren wie jede andere Familie auch. Manche Tage laufen super, keiner ist krank, alles klappt, man ist immer pünktlich. Und in anderen Wochen ist es anstrengend und turbulent. Wir haben ein unglaubliches Glück, dass wir Großeltern haben, die so helfen. Ich wüsste nicht, wie es ohne sie gehen sollte, weil mein Mann unter der Woche in Stuttgart ist. Und dann haben wir dankenswerterweise einen Kitaplatz ab einem Jahr bekommen. Das hat sich wie ein Lottogewinn angefühlt.
Als Abgeordnete können Sie ja keine Elternzeit nehmen. Könnte es eigentlich Ihr Mann als Minister?
SCHULZE: Der hat jetzt im Herbst Haushaltsverhandlungen in Baden-Württemberg. Also ich will gar nicht jammern, weil ich als Politikerin ja ein anderes Privileg habe. Ich kann mein Kind, das habe ich beim Ersten auch schon so gemacht, auch mitnehmen. Das könnte ich als Polizistin im Streifendienst nicht. Ich will so acht Wochen nach der Geburt langsam wieder einsteigen und dann laufen das Baby und ich das erste Jahr gemeinsam durch den Landtag.
Als Sie verkündet haben, dass sie ein zweites Kind erwarten, ist ihnen in den sozialen Medien eine wahre Hass-Welle entgegen geschwappt. Was sagt das über das Frauenbild in unserer Gesellschaft aus?
SCHULZE: Ich habe das Gefühl, es herrscht bei uns immer noch ein veraltetes Bild von Frauen, die arbeiten sollen, als hätten sie keine Kinder, und Kinder aufziehen sollen, als würden sie nicht arbeiten. Es muss doch möglich sein, dass du deinen Job und dein Kind lieben kannst, dass du eine Familie haben möchtest und einen Beruf. Dafür müssen wir als Politikerinnen und Politiker die Rahmenbedingungen, wie ausreichende KiTa-Plätze schaffen, daran arbeite ich jeden Tag.
Der Hass hängt in Ihrem Fall vermutlich auch mit Ihrer Position als Grünen-Politikerin zusammen?
SCHULZE: Ich bin nicht erst seit meiner Schwangerschaft Hass und Hetze im Netz ausgesetzt. Vergewaltigungsandrohungen, Morddrohungen, Beleidigungen - das wird jedes Jahr mehr. Aber besonders perfide fand ich, als unser erstes Kind auf die Welt gekommen ist, dass dann Leute ein paar Tage altes Kind beleidigt haben. Ich bin eine Person des öffentlichen Lebens, man muss mit meiner Position nicht einverstanden sein. Aber ein neugeborenes Kind, das noch keiner Fliege etwas zuleide getan hat, so anzugehen, ist unterste Schublade. Wir müssen mehr gegen Hass und Hetze im Netz tun. Sonst verroht die Gesellschaft und Menschen werden abgeschreckt, sich zu engagieren. Deswegen fordere ich eine Stärkung von Polizei und Justiz, damit der Rechtsstaat auch Zähne zeigen kann.
Die letzten Wahlergebnisse der Grünen waren nicht gut, aktuelle Umfragen sind zum Teil noch schlechter. Was hat Ihre Partei falsch gemacht?
SCHULZE: Sie spielen auf das letzte Europawahlergebnis an. Damit können wir nicht zufrieden sein. Wir haben bei den jungen Leuten verloren. Wir haben auf dem Land verloren, wir haben sogar in den Städten verloren. In Bayern waren schon die Landtagswahlen zuvor ein Rückschlag und deshalb kann ich für uns bayerische Grüne sagen: Uns ist klar, dass wir Dinge verändern müssen.
Sind sie zu sehr eine Großstadtpartei?
SCHULZE: Sehe ich nicht so. Wir sind auch auf dem Land vertreten. Aber dass wir da wieder mehr ansprechbar sein müssen, haben wir klar und deutlich erkannt. Deswegen haben wir als Landtagsfraktion auch verschiedene neue Formate entwickelt. Mein neues Lieblingsformat heißt Schulzes Stammtisch. Mein Ziel ist es, in allen Landkreisen bis zur nächsten Landtagswahl einen Stammtisch abzuhalten. Das Motto heißt, mehr miteinander zu reden statt übereinander, um die Gräben in der Gesellschaft wieder zu überbrücken.
Neue Formate, mehr Aktivitäten in den sozialen Medien und Sie als alleinige Chefin der Landtagsfraktion, alles schön und gut. Aber brauchen die Grünen nicht auch andere inhaltliche Schwerpunkte?
SCHULZE: Umwelt und Klimaschutz sind unser Markenkern. Und es ist wichtig, dass wir auch andere Themen wieder stärker nach vorn setzen. Etwa, dass wir bei der Migration die ordnende Hand zwischen Humanität und Ordnung sind, dass wir in der Sozial- und Bildungspolitik gute Lösungen haben, dass wir bei der Wirtschaftspolitik aufzeigen, wie wir den Standort Bayern stark halten. Bei der Europawahl waren wir zu sehr verengt auf den Klimaschutz und gegen Rechts.
Wie fällt ihr Fazit für die Regierungskoalition aus CSU und FW aus?
SCHULZE: Ich nehme diese Staatsregierung als zerstritten wahr. Auf mich wirkt Ministerpräsident Markus Söder getrieben von seinem Vize Hubert Aiwanger. Große Impulse und Lösungen sehen ich dagegen nicht. Gucken wir uns doch mal den Ausbau der erneuerbaren Energien an. 2023 gab es sieben Windräder in Bayern. In Nordrhein-Westfalen waren es im selben Zeitraum 116. Schauen wir in die Kitas: Es fehlen Erzieherinnen, das Recht auf Ganztag kommt in anderthalb Jahren, keiner weiß genau, wie das klappen soll. Da würde ich mir von einer Staatsregierung, die gerade am Anfang einer Koalition steht, Kraft und Ideen wünschen. Nichts davon ist zu sehen.
Vieles wird überlagert von der Bundespolitik.
SCHULZE: Aber das macht Markus Söder doch absichtlich. Er schimpft auf den Bund und die Ampel und lenkt damit ab von seiner inhaltlichen Leere und dem mangelnden Interesse an der Gestaltung Bayerns.
Bei der nächsten Landtagswahl sind Ihre Kinder im Schul- und Kindergartenalter und Sie sind alt genug, um laut Verfassung Ministerpräsidentin sein zu können. Wären Sie bereit für die alleinige Spitzenkandidatur?
SCHULZE: Ich durfte schon zweimal Spitzenkandidatin in meiner Partei sein, damals zusammen mit Ludwig Hartmann. Das hat mich gefreut und geehrt. Das Gleiche gilt für die nächste Wahl: Die Partei entscheidet - und das wird sie dann zur richtigen Zeit auch tun.
Zur Person
Katharina Schulze (39) sitzt seit 2013 im Landtag. Nach den Landtagswahlen wurde sie alleinige Fraktionschefin der Grünen in Bayern, zuvor hatte sie mit Ludwig Hartmann eine Doppelspitze gebildet. Schulze ist in Herrsching am Ammersee aufgewachsen und mit dem baden-württembergischen Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) verheiratet.
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