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Katastrophenschutz: Zum Heulen: Bayern hat zu wenig Geld für Sirenen

Katastrophenschutz

Zum Heulen: Bayern hat zu wenig Geld für Sirenen

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    Sirenen sollen die Bevölkerung vor Gefahren warnen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden allerdings viele abgebaut.
    Sirenen sollen die Bevölkerung vor Gefahren warnen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden allerdings viele abgebaut. Foto: Jens Büttner, dpa

    Nina sagte erst einmal gar nichts. Sie blieb stumm, eine gute halbe Stunde lang. Eine ziemliche Panne war das – denn eigentlich sollte Nina, die Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren warnen. Viel zu spät kamen die Benachrichtigungen von Nina und ähnlichen Programmen schließlich auf den Smartphones an, die Rede war von einer Überlastung des Systems. Wäre es tatsächlich ein Ernstfall gewesen, hätten viele Bürger erst mal nichts mitbekommen.

    Fast zwei Jahre ist es nun her, dass dieser erste bundesweite Warntag seit der Wiedervereinigung ziemlich in die Hose gegangen ist. Und seither – und seit der verheerenden Flut-Katastrophe im Ahrtal – wird darüber debattiert, wie sinnvoll Warn-Apps überhaupt sind und ob nicht doch die klassische Sirene wieder verstärkt eingesetzt werden sollte. Erst im Mai forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Kommunen auf, wieder mehr Sirenen anzuschaffen. Schließlich seien sie – gerade in der Nacht – das akustisch wichtigste Mittel, um Menschen aus dem Schlaf zu wecken. Doch ganz so einfach ist das alles nicht. Denn neue Sirenen kosten Geld – und das ist knapp. Längst ist das aber nicht das einzige Problem.

    Das Geld vom Bund reicht hinten und vorne nicht für die Sirenen

    Rückblick: Bis Anfang der 90er Jahre existierte in Deutschland ein flächendeckendes Sirenennetz. Mit dem Ende des Kalten Krieges gab der Bund dieses Netz allerdings auf und bot den Kommunen an, die Sirenen zu übernehmen. Für die Alarmierung der Feuerwehren brauchten die Städte und Gemeinden die Sirenen allerdings kaum mehr, vieles lief bereits über kleine Pager. Und so wurden, auch im Zuge neuer Bauprojekte, viele Sirenen über die Jahre abgebaut. In München etwa gibt es heute keine Einzige mehr. Mit einem Förderprogramm des Bundes, das 2021 angeschoben wurde, soll es nun eine Art Renaissance der heulenden Gefahrenmelder geben.

    Wilfried Schober, Feuerwehrreferent des bayerischen Gemeindetages, ist angesichts dieser Pläne skeptisch. Es sei zwar gut, dass der Staat Lehren aus der Flut-Katastrophe im Ahrtal gezogen und erkannt habe, wie wichtig die Alarmierung der Bevölkerung sei und wie wenig Warn-Apps in der Nacht, wenn das Handy ausgeschaltet ist, bringen würden. Was ihn aber ärgert: "Der Staat baut das Netz nicht selbst aus, er lockt die Kommunen mit Geld. Und das reicht vorne und hinten nicht." Zudem gibt es noch ein Problem: In ganz Deutschland gibt es Schober zufolge gerade einmal vier Firmen, die digitale Sirenen herstellen. Selbst wenn also eine Kommune das Netz ausbauen wollte, würde es noch Jahre dauern, bis die Sirenen auch ausgeliefert werden könnten. "Der Staat weiß das auch", sagt Schober. "Viele Kommunen sind derzeit sehr frustriert."

    Längst nicht alle Anträge werden bewilligt

    Das Interesse der Städte und Gemeinden an Sirenen scheint in der Tat groß zu sein. Eine konkrete Zahl zu den gestellten Förderanträgen liege dem bayerischen Innenministerium zwar nicht vor, es sei aber festzuhalten, dass bei allen Regierungen mehr Anträge gestellt worden seien, als mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln bewilligt werden könnten, heißt es aus dem Ministerium.

    Wie viele Sirenen es aktuell im Freistaat gibt, kann das bayerische Innenministerium nicht sagen. Eine 2021 durchgeführte Abfrage habe aber einen Bestand von etwa 13.500 ergeben. Zum Vergleich: Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es in Bayern rund 20.000 Luftschutzsirenen. Als neue Zielgröße nennt das Ministerium jetzt 26.000 – das wäre etwa eine Verdoppelung des derzeitigen Bestandes. "Der flächendeckende Ausbau des Sirenennetzes ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Warninfrastruktur der Länder, um die Bevölkerung noch besser vor Gefahren- und Katastrophenlagen warnen zu können", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegenüber unserer Redaktion.

    Bayern bekommt 13,4 Millionen Euro für den Ausbau

    Doch um dieses Ziel zu erreichen, müsse das Förderprogramm des Bundes deutlich finanziell aufgestockt und zeitlich ausgedehnt werden, fordert der Minister. Die derzeit vom Bund für alle Länder zur Verfügung gestellten 88 Millionen Euro – für Bayern sind es 13,4 Millionen – seien bei weitem nicht ausreichend. Je nach technischer Ausrüstung und dem konkreten örtlichen Bedarf würden sich für eine flächendeckende Ausstattung Gesamtkosten von 200 Millionen Euro ergeben, teilt Herrmanns Behörde mit – das ist deutlich mehr als das Zehnfache dessen, was Bayern bisher zur Verfügung gestellt wurde. Schober vom bayerischen Gemeindetag glaubt deshalb, dass der Sirenenausbau noch fünf bis zehn Jahre dauern könnte. Deswegen müsse man, sagt Schober, zunächst auf die Warn-Apps setzen. "Anders geht es nicht. Das System wurde 30 Jahre lang runtergearbeitet."

    Wozu Sirenen dienen und wann welches Signal ertönt

    Eine Sirene ist eine Einrichtung zur akustischen Alarmierung oder Warnung. Im öffentlichen Bereich werden heute nach Angaben des Sachgebiets Katastrophenschutz am Landratsamt Aichach-Friedberg Sirenen für die Alarmierung der Feuerwehr oder für die Warnung der Bevölkerung verwendet.

    Bei Feuer und anderen Notständen werden die Feuerwehr-Einsatzkräfte alarmiert: Es erklingt dreimal für je zwölf Sekunden ein in der Höhe gleichbleibender Ton (Dauerton) mit je zwölf Sekunden Pause zwischen den Tönen.

    Bei schwerwiegenden Gefahren soll die Bevölkerung veranlasst werden, auf Rundfunkdurchsagen zu achten: Es erklingt ein Heulton von einer Minute Dauer.

    Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bayerischen Innenministeriums: https://www.stmi.bayern.de/sus/katastrophenschutz/warnungundinformation/sirenenundlautsprecher/index.php

    In den kommenden Jahren, in denen das Sirenennetz ausgebaut werden soll, wird es vermutlich aber nicht nur ums Geld und lange Lieferzeiten gehen – sondern auch darum, dass Bürgerinnen und Bürger nicht damit einverstanden sind, dass in unmittelbarer Nähe ihres Hauses eine Sirene installiert werden soll. Im beschaulichen Falkenberg etwa, einem 3800-Seelen-Örtchen im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn, wurde mehrere Jahre wegen einer Sirene gestritten, sogar vor Gericht. Ein Bürger wollte die Sirene partout nicht auf dem Dach seines Hauses haben, die Lärmbelästigung war ihm zu groß. Man sei gewillt gewesen, die Lautstärke, die in der Tat etwas zu hoch gewesen sei, zu reduzieren oder die Ausrichtung zu ändern, sagt Franz Bauer, der Geschäftsstellenleiter. "Aber er hat sich auf nichts eingelassen. Er wollte, dass die Sirene komplett beseitigt wird." Er wäre, fährt Bauer fort, zuvor nie auf die Idee gekommen, dass sich jemand an der Lautstärke einer Sirene, die man eben deutlich hören müsse, stören könnte. Sie sei schließlich dafür da, die Menschen im Ort zu schützen. Mittlerweile hat sich das Thema erledigt. Das Verfahren wurde eingestellt.

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