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Kartei der Not: Eine Oase für todkranke Menschen im Hospiz

Kartei der Not

Eine Oase für todkranke Menschen im Hospiz

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    Grüne Oase für Menschen in ihrer letzten Lebensphase: Die Atriumgärten im neu erbauten Allgäu Hospiz in Kempten. Finanziert wurden sie von der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung.
    Grüne Oase für Menschen in ihrer letzten Lebensphase: Die Atriumgärten im neu erbauten Allgäu Hospiz in Kempten. Finanziert wurden sie von der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung. Foto: Ralf Lienert

    Das Auge weiß eigentlich gar nicht, wohin es zuerst schauen soll. Links leuchtet der Sonnenhut in kräftigem Orange. Rechts strahlt es gelb, lila, pink und rot um die Wette, buhlen duftender Lavendel, Salvien, Frauenmantel oder die Fette Henne um die Gunst des Betrachters. Und als ob das noch nicht reichen würde, sprießen ein paar Meter weiter, direkt neben einem sanft sprudelnden Wasserspiel, Zieräpfel, Kletterrosen und hüfthohe Gräser. Die grüne Oase mitten in der Kemptener Innenstadt begeistert jeden Naturfreund. Für die Menschen im Allgäu-Hospiz ist sie aber noch viel mehr: Sie ist ein buntes Paradies, das sie auf ihrer Reise vom Leben zum Tod begleitet.

    Für kurze Zeit vergessen, dass der Tod hier ständiger Begleiter ist

    Genau genommen sind es zwei Atriumgärten, die erst vor wenigen Monaten als Ruhepol und grüne Lunge des neuen Hospizgebäudes angelegt wurden – finanziert von der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung. „Sie sind prächtig geworden. Eine wunderbare Bereicherung für unsere Gäste“, freut sich Susanne Hofmann. Gäste, so nennt die Hospizleiterin voll Respekt die Menschen aus der gesamten Region, die in dem Anfang 2020 bezogenen Neubau die letzte Phase ihres Lebens erleben. Helle Räume, freundliche Farben und große Naturfotos aus dem Allgäu vermitteln Wärme und Geborgenheit und machen für kurze Zeit vergessen, dass der Tod hier ständiger Begleiter ist.

    Zwölf medizinisch bestens ausgestattete Zimmer bietet das Gebäude. In einer weiteren Ausbaustufe sollen es mittelfristig 16 sein. 6,9 Millionen Euro hat der Hospizverein Kempten-Oberallgäu in das einzige Haus seiner Art in Südschwaben investiert. 5,9 Millionen kamen inzwischen über Zuschüsse und Spenden wieder zurück, davon 215.000 Euro von der Kartei der Not.

    Mancher Gast verbringt nur wenige Tage im Hospiz, andere mehrere Monate, erläutert Alexander Schwägerl, der ehrenamtliche Geschäftsführer des Hospizvereins. Und genauso vielseitig wie das Alter der Betreuten ist die Art des Abschiednehmens. Hier den unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden und allen Gästen eine schützende Hand bis zum Schluss zu bieten, das ist eine Herausforderung für die 28 Pflegekräfte und etwa 20 ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Dabei eint sie das Bestreben, dem Tod nicht Schwermut, sondern Leichtigkeit entgegenzusetzen.

    Gerade während der Pandemie ist der Außenbereich noch wichtiger

    Die beiden Atriumgärten sind dafür das beste Mittel, findet Leiterin Susanne Hofmann: „Hier können unsere Gäste die Natur in allen Facetten erleben, sie können Pflanzen und Wasser anfassen, Bienen und Schmetterlingen zusehen.“ Die Gärten sind von allen Zimmern aus erreichbar, selbst Pflegebetten lassen sich in die grüne Oase rollen.

    „Mancher Gast ist schon in aller Herrgottsfrühe da, um die Ruhe zu genießen. Und wenn Besucher Kinder mitbringen, dürfen die hier gerne spielen“, sagt Hofmann. „Wir wollen Kontakte stärken und Berührungspunkte untereinander schaffen“, ergänzt Schwägerl und ist dabei „sehr dankbar“ für die Unterstützung des Hilfswerks. In Corona-Zeiten, in denen die Abläufe im Haus genau reglementiert sind, sei dieser Außenbereich noch wichtiger. Denn hier können sich die Gäste ungezwungen mit den Lebenspartnern sowie maximal zwei weiteren Besuchern am Tag aufhalten.

    Das Engagement der Kartei der Not umfasst nicht nur die Gärten, sondern auch die Anschaffung teurer medizinischer Pflegemittel wie Sauerstoffkonzentratoren, Rollstühle und Badelifter. Dank der Großspende konnte das Hospiz zudem einen Begegnungsraum ausstatten, in dem Kranke und Angehörige gemeinsam spielen, kochen oder musizieren. „Diese entspannte Zeit miteinander tut unseren Gästen unheimlich gut“, sagt Schwägerl. Nicht selten sprächen Gäste vom „letzten Urlaub“, den sie im Hospiz erleben dürften.

    Der Garten als Ansporn, am Leben festzuhalten

    Das Kuratorium der Kartei der Not sei sofort begeistert gewesen von dem Projekt, erläutert Arnd Hansen, der Geschäftsführer des Hilfswerks. Schließlich sehe die Satzung neben der breit gefächerten Einzelfallhilfe auch die Unterstützung regionaler Einrichtungen vor, die unverschuldet in Not geratenen Menschen helfen. Kuratoriumsvorsitzende Ellinor Scherer und ihre Stellvertreterin Alexandra Holland sehen im Hospiz ein Musterbeispiel für gelebte Mitmenschlichkeit. „Menschen einen friedlichen Abschied in Würde zu ermöglichen, ist uns ein großes Anliegen in einer Zeit, in der der Familienzusammenhalt stetig schwindet“, betont Alexandra Holland.

    Mehr noch: Das Hospiz und speziell die Atriumgärten können die schwerstkranken Bewohner mitunter regelrecht beflügeln. „Das ist wie ein Schlaraffenland hier“, sagt der 63-jährige Krebspatient Martin B. mit einem Lächeln. „Ich laufe oft morgens eine Runde im Garten und freue mich über all die Pflanzen, Insekten und Vögel.“ Dann zeigt der hagere Mann mit den wachen Augen auf den Rollstuhl in seinem Zimmer: „Der Garten ist mein Ansporn, mich möglichst lange auf den eigenen Beinen zu halten.“

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