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Karlshuld: Ein Bauernhof-Paradies für das Leben im Alter

Karlshuld

Ein Bauernhof-Paradies für das Leben im Alter

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    Nadine Angermeier (hier mit ihrer Tochter) und ihr früherer Ehemann Johann Angermeier wollen den Moorhof in Karlshuld in einen Pflegebauernhof umbauen. Die Seniorinnen und Senioren sollen dort dann die vielen Tiere auf dem Hof - wie etwa die Esel - genießen können.
    Nadine Angermeier (hier mit ihrer Tochter) und ihr früherer Ehemann Johann Angermeier wollen den Moorhof in Karlshuld in einen Pflegebauernhof umbauen. Die Seniorinnen und Senioren sollen dort dann die vielen Tiere auf dem Hof - wie etwa die Esel - genießen können. Foto: Markus Bär

    Ein Besuch auf dem Bauernhof von Nadine und Johann Angermeier in Karlshuld bei Ingolstadt hat das Potenzial, den Gast zu verzaubern. Wer über den weitläufigen Hof schreitet, begegnet Küken, die im Pulk frei herumlaufen. Ein paar Meter weiter blöken Schafe, meckern Ziegen, das „Iah“ der Esel darf auch nicht fehlen. Dazu kommen noch Pferde, Hunde, Katzen, Enten – insgesamt um die 300 Tiere leben auf dem Hof. Die zahlenmäßig größte Gruppe sind die etwa 180 Rinder, die einer alten, robusten, aber nur noch selten gezüchteten oberbayerischen Rasse angehören, den Murnau-Werdenfelsern, die in ihren Laufställen unterwegs sind. Ein kleines Paradies.

    Vielerorts geben bayerische Landwirte ihre Höfe auf

    Und wenn es nach Nadine und Johann Angermeier geht, werden bald noch weitere Bewohner dazu- kommen. Auf dem Moorhof, so heißt der Bauernhof, der früher eine landwirtschaftliche Versuchsanlage gewesen ist, sollen bis zu 23 Seniorinnen und Senioren einziehen. „Wir wollen den Moorhof in einen Pflegebauernhof umwandeln“, sagt Johann Angermeier. Dazu soll ein Teil des Hofes umgebaut, die Zahl der Rinder etwa halbiert werden.

    Vielerorts im Freistaat geben Landwirte ihre Höfe auf, weil sie wirtschaftlich keine Perspektive sehen. Weil oft die Arbeit in keinem Verhältnis zum Ertrag steht. Oder weil sich kein Nachfolger findet. Das Höfesterben ist längst zu einem großen Problem auf dem Land geworden. Doch seit einigen Jahren verbreitet sich eine neue Idee: die des Pflegebauernhofes. Darin leben ältere Menschen in Wohngemeinschaft auf dem Land. Bilden Freundschaften, helfen sich gegenseitig, kochen für sich selbst. Wird jemand schwerer versorgungsbedürftig, kommt die Sozialstation.

    Das Projekt Senioren-Bauernhof kostet rund 3,5 Millionen Euro

    Nadine Angermeier, 33, hatte bei einem Seminar den Landwirt Guido Pusch kennengelernt, der im Westerwald einen solchen Pflegebauernhof betreibt. Auf dem 250 Jahre alten Anwesen wohnen heute rund 20 ältere Menschen. „Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Tiere einen positiven Einfluss auf Senioren haben“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir binden sie zum Teil – rein auf freiwilliger Basis natürlich – in unsere Arbeitsabläufe ein. Und das tut ihnen sehr gut. Etwa beim Tiere füttern.“ So schildert Guido Pusch exemplarisch die Situation eines älteren Ex-Lastwagenfahrers, der an Demenz erkrankt, körperlich aber noch völlig fit ist. „Der Mann liebt es, sich abends um den Traktor zu kümmern und ihn sauber zu machen.“ Es sei eine Freude, mitansehen zu können, wie gut es dem Mann dabei gehe.

    „Nachdem ich den Vortrag von Guido Pusch gehört habe, dachte ich, das können wir auch machen auf unserem Bauernhof“, berichtet Nadine Angermeier. Sie betreibt mit ihrem früheren Ehemann Johann Angermeier den Hof nach wie vor zusammen. Der 56-Jährige ist von der Idee ebenfalls sehr angetan. „Ich kann dadurch bald vielleicht etwas kürzertreten, weil die Zahl der Kühe etwas kleiner wird.“ Zurzeit ist das Projekt in der Genehmigungsphase, denn ohne öffentliche Hilfe sei es nur schwer realisierbar. Johann Angermeier beziffert das Vorhaben finanziell auf mindestens 3,5 Millionen Euro.

    Freistaat Bayern fördert solche Senioren-Projekte

    Die Angermeiers werden mit der Pflege der älteren Menschen selbst ja nichts zu tun haben. Sollte eine Bewohnerin oder ein Bewohner im Laufe der Zeit pflegebedürftig werden, macht er individuell einen Vertrag mit einer Sozialstation seiner oder ihrer Wahl aus. Das gehört zum Konzept eines Pflegebauernhofes dazu. Es handelt sich also nicht um eine Art Altenheim auf einem Bauernhof. An ein Heim wären viele Anforderungen etwa der besonderen Hygiene und Versorgung geknüpft, die etwa für die Angermeiers gar nicht erfüllbar wären. Sie hoffen nun auf Hilfen aus dem bayerischen Programm „Pflege so nah“, das im Gesundheitsministerium angesiedelt ist, um nächstes Jahr mit dem Umbau des Stalles loslegen zu können. Guido Pusch aus dem Westerwald ist fast ein wenig neidisch auf das Programm „Pflege so nah“. „Bayern bietet in diesem Bereich die beste Unterstützung von staatlicher Seite in ganz Deutschland.“

    Die Zahlen aus dem Ministerium in München scheinen das auch gut zu belegen: „In den Jahren 2020 und 2021 wurden bereits 62 Projekte mit einem Fördervolumen in Höhe von rund 117 Millionen Euro gefördert. Allein in diesem Jahr fördern wir 29 Projekte mit knapp 79 Millionen Euro und schaffen damit rund 1500 zusätzliche Pflegeplätze in Bayern. Insgesamt konnten wir mit unserem Programm in den vergangenen drei Jahren bereits rund 4000 Plätze in der Pflege fördern“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage unserer Redaktion mit. „Pflege so nah“ war Ende des Jahres 2019 in Kraft getreten.

    Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu

    „Damit wird das Ziel verfolgt, in Bayern eine flächendeckende, regional ausgerichtete, demenzsensible und barrierefreie pflegerische Versorgungsstruktur weiter auszubauen.“ Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) teilte uns mit: „Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt stetig zu. Wir haben schon früh erkannt, wie wichtig es ist, dass wir uns jetzt den demografischen Herausforderungen stellen und die Versorgungsstrukturen im Freistaat anpassen“, erklärt der Memminger. „Allein das große Interesse an dem Förderprogramm ’Pflege so nah’ zeigt, wie groß der Bedarf an Pflegeplätzen ist. Wir wollen Versorgungsstrukturen, die sich den Lebensverhältnissen der Menschen anpassen, die modern sind und möglichst nah am bisherigen Lebensmittelpunkt. Dabei hilft uns ’Pflege so nah’ spürbar weiter“,sagt der Minister.

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