Auf den letzten Metern hoch zum Sportheim Böck auf 1.500 Metern hat der Kanzler noch ein Lächeln auf den Lippen. Doch als er ein Fernsehteam bemerkt, verfinstert sich die Miene von Olaf Scholz. Von den Reportern auf seine Urlaubspläne im Allgäu angesprochen, sagt der 64-jährige SPD-Politiker nur: "Ich möchte noch ein bisschen wandern, am liebsten allein."
Aus dem Kreis seiner Personenschützer erfährt man nachher, dass der Kanzler verschnupft reagiert hat auf die Bilder einer großen Boulevardzeitung, die ihn auf der Terrasse seiner Ferienwohnung in Nesselwang zeigte. Die Stimmung ist trotz der alpin-legeren Atmosphäre deshalb etwas angespannt. "Jetzt reicht es aber auch", sagt einer von Scholz’ Begleitern schließlich zu den Reportern, als sich der Kanzler und seine Frau Britta Ernst, 61, zu einer Erfrischung auf die Terrasse des Sportheims Böck begeben.
Bundestag hat Sommerpause, Kanzler Olaf Scholz im Allgäu-Urlaub
Zumindest hat Scholz bei seinem Wandertag noch das Allgäu vor den Reportern als Urlaubsregion gepriesen. "Es gefällt mir hier sehr gut", sagt er. Bereits zum zweiten Mal macht er in Nesselwang Urlaub. Im vergangenen Jahr brach er den Aufenthalt allerdings vorzeitig ab, da er wegen der Flutkatastrophe ins Ahrtal eilte. Damals hatte es auch im Allgäu geregnet. Umso mehr genieße er jetzt die Sonne, sagt Scholz, der zum Allgäu einen besonderen Bezug hat. Seit Vater arbeitete in den 1980er Jahren beim Strumpfhersteller Kunert in Immenstadt.
Auf dem Kopf trägt der Kanzler eine schwarze Basecap. Sie hängt ihm so tief ins Gesicht, dass kaum Passanten von ihm Notiz nehmen, als er durch die Allgäuer Alpen wandert. Selbst eine Familie aus Berlin erkennt Scholz nicht, als dieser auf einem Forstweg nur wenige Meter an ihnen vorbeiläuft. "Echt, das war der Kanzler?", fragt die verdutzte Frau einen Fotografen. So unscheinbar wirkt der Pulk aus etwa zehn Personen.
Wanderer nehmen kaum Notiz von Kanzler Olaf Scholz
Rund zwei Stunden wandern Scholz und seine Begleiter den sogenannten Wasserfallweg entlang. Er liegt zu Füßen des Nesselwanger Hausbergs, der Alpspitz (1575 Meter). Nach kurzer Rast brechen der Kanzler und seine Begleiter wieder auf. Unten wartet bereits eine mit Panzerglas verkleidete, dicke, schwarze Mercedes-Limousine, um den prominenten Gast abzuholen und in das für zwei Wochen gemietete Ferienhaus zu fahren.
Derweil trauert Parkplatzeinweiser Richard Baumgartner an der Bergbahn einer vertanen Chance hinterher. Der freundliche 73-Jährige hätte zu gerne einmal mit dem Kanzler ein paar Worte gewechselt. "Ich finde, er macht einen guten Job", sagt Baumgartner. Doch in Sachen Rhetorik sei noch Luft nach oben: "Ich wünsche mir, dass der mal aus sich rausgeht. Dass er die Menschen mitreißt. Das wäre in diesen Zeiten wichtig", sagt der Parkplatzeinweiser, der dem Kanzler einen guten Geschmack attestiert: "Der hat vollkommen recht, dass er bei uns die Ferien verbringt. Hier ist es einfach am schönsten."
Rund um das Ferienhaus von Scholz gilt die höchste Sicherheitsstufe
Mit seiner Entscheidung pro Allgäu punktet Scholz auch beim Nesselwanger Ehepaar Edi und Anna Hösle. "Das zeigt, dass er bodenständig ist. Er hätte ja auch Jetset-Orte wie Ischgl oder St. Moritz aussuchen können." Auch den Verzicht auf mediale Inszenierung seines Urlaubs finden sie gut. "Das passt zu seinem Bild als sachlich-besonnener Politiker." Was sie sich vom Kanzler wünschen? "Dass Deutschland im Winter genug Gas zum Heizen hat." Und persönlich? "Ein Motorradverbot auf der Hauptstraße. Der Kanzler kann sich selbst überzeugen, wie laut dort der Durchgangsverkehr ist."
Rund um das Ferienhaus von Scholz gilt die höchste Sicherheitsstufe. Die Devise des Stillhaltens beherzigten in den vergangenen Tagen auch Nesselwangs Bürgermeister Pirmin Joas (CSU) und andere Kommunalpolitiker. Eingebunden in das Sicherheitskonzept ist die Allgäuer Polizei. Details werden nicht genannt. "Ich finde es gut, dass hier kein großer Hype gemacht wird und man im Ort selbst gar nichts mitbekommt", sagen die Urlauber Ingrid und Klaus Werr aus Goslar. "Auch der Kanzler braucht mal Ruhe." Deshalb würden sie ihm keine politische Frage stellen, sondern eine ganz alltägliche: "Auf welchen Berg geht es als nächstes?"