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Hochwasser in Österreich: Kachelmann wettert gegen ORF

Hochwasser

Kachelmann wettert wegen Berichterstattung gegen ORF

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    Niederösterreich, hier ein Foto aus dem Ort Kapelln, wurde besonders schwer von den Wassermassen getroffen.
    Niederösterreich, hier ein Foto aus dem Ort Kapelln, wurde besonders schwer von den Wassermassen getroffen. Foto: Christoph Reichwein, dpa

    Es ist Tag zwei nach den historischen Überschwemmungen, die Aufräumarbeiten laufen langsam an und so richtig vorbei ist die Katastrophe in Österreich noch immer nicht: Im schwer betroffenen Niederösterreich waren am Mittwoch 18 Gebiete und Ortschaften noch immer von der Außenwelt abgeschnitten, noch immer brachen Dämme und Schutzeinrichtungen, noch immer kämpften Feuerwehrleute pausenlos gegen die Wassermassen. Immerhin: Die Regenfälle sind vorüber, die Situation, auch in Wien, hat sich merklich entspannt.

    Damit aber werden die fatalen Auswirkungen der Katastrophe sichtbar und Österreich – das sich eigentlich mitten im Wahlkampf befindet – redet über ein Thema, das in den vergangenen Wochen politisch völlig in den Hintergrund getreten war: den Klimawandel. Und darüber, was zu tun sei, um das Land gegen dessen Folgen zu schützen. Eine Milliarde Euro habe man im Katastrophenfonds für die Betroffenen der Flut bereitgestellt, erklärten ÖVP-Kanzler Karl Nehammer und der grüne Vizekanzler Werner Kogler. Während sich vor allem die Kanzlerpartei auf die Fahnen schreibt, durch den verbesserten Hochwasserschutz nach dem Hochwasser 2002 Schlimmeres verhindert zu haben, gibt es vielerorts Kritik an den Klimapositionen der ÖVP – und am öffentlich-rechtlichen ORF.

    ORF denkt nach Hochwasser über rechtliche Schritte gegen Jörg Kachelmann nach

    Vor allem über die Berichterstattung des ORF-Landesstudios Niederösterreich in den Tagen vor der Katastrophe herrscht Streit: So hatte der Sender noch am 12. September, als die Wettermodelle längst bis zu 400 Liter pro Quadratmeter Regen für Niederösterreich berechnet hatten, zwar von „riesigen Mengen“ gesprochen und über die Vorbereitungen der Feuerwehr berichtet – konkrete Warnungen für die Bevölkerung und Aufforderungen, sich zu schützen und sich auf das Hochwasser vorzubereiten, aber unterlassen. „VerbrecherInnen @orf Niederösterreich“ schrieb der deutsche Wetterexperte Jörg Kachelmann auf „X“. „Wenn Menschen in NÖ sterben, hat sie auch das @orf auf dem Gewissen“. Fünf Menschen kamen in den Fluten ums Leben. Kachelmann war trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu einem Gespräch mit unserer Redaktion bereit.

    Der ORF reagierte am späten Mittwochabend auf die Anfrage unserer Redaktion: „Der ORF hat seit Mittwoch vergangener Woche in allen Nachrichtensendungen groß über die bevorstehende Wetterlage inklusive Wetterwarnungen berichtet, unter anderem mit Aufmacher und Analyse in der ZiB1“, so ORF News-Chefredakteur Johannes Bruckenberger. Und: „Kritik nehmen wir immer ernst, ungerechtfertigte Pauschalkritik weisen wir aber ebenso zurück, wie Vergleiche mit reinen Nachrichtensendern.“ 

    Jörg Kachelmann übte scharfe Kritik am ORF Niederösterreich.
    Jörg Kachelmann übte scharfe Kritik am ORF Niederösterreich. Foto: Jan Woitas, dpa (Archivbild)

    Der ORF denkt nun über rechtliche Schritte gegen ihn nach. Der Vorwurf Kachelmanns sei so „jenseitig“, dass er „sich selbst ad absurdum führt“, sagte ORF-Niederösterreich-Direktor Alexander Hofer. Ein Blick in die „ORF-TVthek“ zeigt, dass in anderen Nachrichtensendungen sehr wohl vor den drohenden Überflutungen gewarnt wurde. Doch dem niederösterreichischen ORF-Landessender wird, belegt auch durch jüngste Medienrecherchen, eine besondere Nähe zur Kanzlerpartei ÖVP unterstellt. Für Diskussionen sorgen zudem gelöschte „X“-Posts eines ORF-Wettermoderators, der sich für Klimaschutz engagiert – und der zur Verwunderung des Publikums nicht in den Sondersendungen auftrat.

    Die Naturkatastrophe ist zum Poltikum geworden

    Hat die Politik, allen voran Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Kanzler Nehammer, im laufenden Wahlkampfendspurt versucht, das lange vorausgesagte Unwetter und die zu erwartenden verheerenden Folgen herunterzuspielen? Hat man darauf spekuliert, dass es nicht so schlimm kommen würde und sich auf den verbesserten Hochwasserschutz verlassen – um das Klimawandel-Thema vor der Nationalratswahl am 29. September hintan zu halten?

    Grund dazu hätten die Konservativen. Seit Tagen halten Opposition, der grüne Koalitionspartner und Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace der ÖVP die Aussagen Nehammers in einer „Rede an die Nation“ im März vergangenen Jahres vor. In der hatte der Kanzler de facto die Auswirkungen des Klimawandels verharmlost und heruntergespielt – und Klimaaktivisten angegriffen: „So wie da der Untergang skizziert wird, dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis“, behauptete Nehammer und sorgte für heftige Kritik auch aus der Wissenschaft.

    Kurz vor der Nationalratswahl gerät Kanzler Nehammer massiv in die Kritik

    Doch der ÖVP-Spitzenkandidat bleibt bei seinen Aussagen: Er spreche sich „ganz klar auch jetzt gegen Untergangs-Hysterie und Untergangs-Szenarien aus.“ Diese würden „schaden, weil sie Angst machen“, sagte er am Mittwochabend im ORF Radio. Und auch Mikl-Leitner sieht keinen Grund, ihre klimapolitischen Positionen nachzuschärfen.

    Vor kurzem sorgte der Alleingang der grünen Klima-Ministerin Leonore Gewessler beim EU-Renaturierungsgesetz für Ärger bei der ÖVP und, de facto, für den Koalitionsbruch. Die ÖVP blockiert auch beim nun heftig diskutierten Thema Bodenversiegelung, das besonders bei Starkregenereignissen wichtig ist: Hier gehört Österreich zu den Negativ-Spitzenreitern in Europa. Die Wahlkampfpause, die sich die fünf Parlamentsparteien am Wochenende selbst verordnet haben – sie scheint vorbei zu sein, bevor sie richtig begonnen hat.

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