Es ist eine Kulisse, wie sie der bayerische Ministerpräsident zu schätzen weiß. Am Dienstagmorgen schippert Markus Söder mit seinen Ministern von Kelheim wenige Kilometer flussaufwärts nach Kloster Weltenburg, wo das Kabinett tagt, ein letztes Mal, bevor es in die Sommerpause geht. Und dann zurück, an Bord der MS Kelheim, posiert der CSU-Chef am Bug des Ausflugsbootes vor der Bayernflagge, im Hintergrund der Donaudurchbruch, und schimpft auf Berlin. Auf die vom Bundesverfassungsgericht einkassierte Wahlrechtsreform der Ampelkoalition – für Söder nicht mehr als eine „angedachte Wahlmanipulation“ – und das Verhalten der Bundespolitik nach der Flutkatastrophe.
In Weltenburg, wo es vor allem um den Hochwasserschutz geht, spart Söder nicht mit klaren Worten. „Als das Hochwasser war, konnte man gar nicht schnell genug schauen, bis Bundesminister da waren. Sie standen uns quasi und den Helfern auf den Füßen“, poltert der Ministerpräsident und spricht von einem „Skandal“. Der Bund versage in Bezug auf die Hochwasserhilfen komplett. „Es wurde uns Hilfe versprochen. Nichts, bislang gar nichts, ist an Hilfe gekommen.“ Bayern bekomme keine Unterstützung aus dem Flutaufbaufonds, in den es aber einzahle. Und bei den Soforthilfen sei bisher nichts passiert.
Der Sachschaden durch die Hochwasserkatastrophe, die Schwaben und Oberbayern Anfang Juni hart getroffen hat, geht in die Milliarde. Die Staatsregierung hatte 200 Millionen Euro Soforthilfe bereitgestellt, um Flutopfern zu helfen.
In Weltenburg soll es jedoch um die Frage gehen, was für den Hochwasserschutz im Freistaat getan werden muss. Zusätzliche 30 Millionen Euro stellt der Freistaat zur Verfügung, um die Schäden an Hochwasserschutz-Einrichtungen zu beseitigen, die durch die jüngste Flut entstanden sind. Konkret sollen auf staatliche Gewässer erster und zweiter Ordnung rund 14,5 Millionen Euro, auf Wildbäche rund 7,5 Millionen Euro sowie auf kommunale Anlagen rund acht Millionen Euro entfallen. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) betont zudem, dass man „perspektivisch“ ab 2026 weitere 100 Millionen Euro benötige, um den Hochwasserschutz im Freistaat zu beschleunigen.
Glauber will zur Not die Landwirte enteignen
Wie viel mehr Hochwasserschutz dadurch betrieben werden kann, ist die Frage. Denn schon jetzt gibt es Rückhaltebecken, die zwar längst geplant, aber nicht gebaut wurden, weil dafür das Geld, das Personal oder die Grundstücke fehlten. Im Weiler Siefenwang bei Dinkelscherben im Kreis Augsburg etwa wartet man seit fast 25 Jahren auf ein Rückhaltebecken. Doch zähe Verhandlungen über Grundstücke und Preise, juristische Verfahren und Verwaltungsakte ziehen sich hin. Mehr als 100 Gebäude wurden in der Zusam-Gemeinde durch die Juni-Flut beschädigt. Glauber hatte zuletzt verkündet, dass man in Dinkelscherben Tatsachen schaffen und Grundstückseigentümer enteignen wolle. Das Landratsamt Augsburg wiederum betont, als Enteignungsbehörde zuständig zu sein, aber erst vorgehen könne, wenn die Verhandlungen erfolglos beendet wurden. Davon habe man aber keine Kenntnis.
In Weltenburg sagt Söder zum Thema Enteignung nur so viel: „Unser Grundziel ist immer Freiwilligkeit vor Zwang.“ An anderer Stelle aber wird der Ministerpräsident konkreter – beim Riedstrom, Bayerns größtem natürlichem Überschwemmungsgebiet, das in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries liegt. Führt die Donau starkes Hochwasser, strömt das Wasser über die Dämme und setzt das Donauried unter Wasser. Die Landwirte vor Ort beklagen nun Millionenschäden. „Wir haben hier eine besondere Verantwortung“, betont Söder. „Wenn die Schäden feststehen, werden wir großzügig helfen.“
Ein „Hochwasser-Check“ soll Wasserwirtschaftsamt und Kommunen zusammenbringen
Glauber wiederum betont, dass die Wasserwirtschaftsämter personell besser ausgestattet werden sollen. Zu deren Aufgabe gehört ab August auch der neue „Hochwasser-Check“ – nach den Worten der Staatsregierung ein „zentraler Baustein für einen noch besseren Hochwasserschutz vor Ort“. Die Behörden sollen, in Abstimmung mit der jeweiligen Kommune, in einem Beratungsgespräch mögliche Wassergefahren identifizieren. Auf dieser Grundlage würde man über weitere Maßnahmen entscheiden.
Aus Sicht der Opposition ist das nicht genug. Die Mittel zur Reparatur der Hochwasserschutz-Einrichtungen seien nicht ausreichend, betont Holger Grießhammer, Chef der SPD-Landtagsfraktion. „Unsere Kommunen stehen jetzt schon finanziell mit dem Rücken zur Wand. Allein Günzburg hat sieben Millionen Euro Schaden an der Infrastruktur.“ Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer bezweifelt, dass 100 Millionen Euro mittelfristig für den Hochwasserschutz reichen, schließlich sei die Liste der geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen schon jetzt lang.
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