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Justizminister Eisenreich zu Gewalt in JVA Gablingen

Misshandlungsskandal

Gewalt gegen Gefangene in Gablingen: Justizminister räumt Fehler seines Hauses ein

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    Unter Druck wegen der Vorgänge in Gablingen: Bayerns Justizminister Georg Eisenreich.
    Unter Druck wegen der Vorgänge in Gablingen: Bayerns Justizminister Georg Eisenreich. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Das Medienaufgebot ist ungewöhnlich groß im Saal 134 des Justizpalastes in München. Der Raum ist reserviert für die großen Auftritte - der Steuerprozess gegen Uli Hoeneß fand hier statt. Diesmal hat der Hausherr etwas zu verkünden. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich steckt in Erklärungsnöten. Denn es geht um die Gewalt-Vorwürfe im Gefängnis Gablingen, über die Bayern seit vergangenem Wochenende spricht. Die Staatsanwaltschaft in Augsburg ermittelt gegen zehn Justizbedienstete, täglich kommen neue Details ans Licht, die auf ein System des Machtmissbrauchs und der Gewalt in der Justizvollzugsanstalt nördlich von Augsburg hinweisen.

    Justizminister gibt mangelnde Kontrollen zu

    Nun soll Eisenreich erklären, wie das passieren konnte. Doch dafür sei es zu früh, sagt der Minister. „Es sind noch Fragen offen.“ Und dass er eine rückhaltlose Aufklärung fordere. Zuständig dafür sind die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium, dem Eisenreich selbst vorsteht und dem die Vorwürfe seit einem Jahr bekannt waren. Eisenreich selbst will davon erst jetzt erfahren haben. Wenn das zutrifft, muss er sich zumindest die Frage gefallen lassen, inwieweit er seinen Laden im Griff hat? Stellen kann sie ihm an diesem Tag niemand. Der Minister beantwortet keine Fragen, weil vieles noch unklar sei. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft müssten abgewartet werden. Stattdessen verliest Eisenreich eine umfangreiche Erklärung, die ein Eingeständnis enthält. „Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen mehr hätte passieren müssen.“

    Der Minister steht unter Druck und das sieht man ihm auch an. Die Anwälte der beschuldigten und inzwischen vorläufig suspendierten stellvertretenden Gefängnisleiterin, die die Vorwürfe gegen sie zurückweist, fordern von Ministerpräsident Markus Söder, dem Justizministerium „die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen in Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen“. Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl ruft nach Söder: „Wenn eines seiner Ministerien möglicherweise Teil eines solchen Skandals ist, dann ist es allerhöchste Zeit, dass die Aufklärung eine Ebene höher stattfindet. Der Ministerpräsident muss sich einschalten und die Sache in die Hand nehmen.“

    Vertrauenserklärung von Markus Söder für Eisenreich

    Söders Staatskanzlei reagierte auf Anfrage unserer Redaktion mit einer Vertrauenserklärung an die Adresse von Eisenreich: „Zuständig für die Aufarbeitung und Aufklärung sind das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Augsburg. Beide haben das volle Vertrauen, dass dies nach Recht und Gesetz geschieht.“

    Aus Eisenreichs Erklärung vom Donnerstag geht hervor, dass der Strafabteilung des Justizministeriums seit einem Jahr Hinweise vorlagen, dass Gefangene zu Unrecht in sogenannte gesonderte Hafträume gesperrt und misshandelt worden seien. Damals ging die Mail einer ehemaligen Gefängnisärztin ein. Er sei über den Vorgang damals nicht informiert worden. Als er die Mail jetzt gelesen habe, „war ich erschüttert,“ gibt der Minister zu. Auch für die zuständige Strafvollzugsabteilung war der Inhalt offenbar Anlass genug, um die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Ansonsten bat man das Gefängnis in Gablingen um eine schriftliche Stellungnahme und erklärte am 8. November 2023 die Sache für erledigt, weil die Ärztin ihre Vorwürfe nicht weiter konkretisiert habe.

    Gefängnis-Skanal von Gablingen: Was der Minister gewusst hat

    Dabei waren deren Mail nicht das einzige Warnsignal, wie Eisenreich einräumte. Eine Visitation des Gefängnisses ergab eine auffällig starke Belegung der gesonderten Hafträume, aus Gablingen gab es eine auffällig hohe Zahl an Beschwerden und Eingaben an den Landtag. Im August stand eine Abordnung der nationalen Stelle zur Verhütung von Folter vor dem Gefängnistor, wenige Tage später erreichte das Ministerium ein anonymer Hinweis, dass die unabhängigen Kontrolleure belogen und getäuscht worden seien. Der Minister wollte am Donnerstag nicht ausschließen, dass auch seinem Ministerium in Gablingen nicht immer die Wahrheit gesagt worden sei. Er verweist auf ein Gespräch mit der Gefängnischefin im Juni, in dem es um die gesonderten Hafträume gegangen sei, und sagt: „Wir haben nicht nichts gemacht.“ Er gibt aber zu: „Möglicherweise hat man im Haus die Dimension unterschätzt.“

    Nun will der Justizminister Handlungsfähigkeit demonstrieren. Auch die Leiterin des Gefängnisses, gegen die keine Vorwürfe gibt, wurde mit sofortiger Wirkung suspendiert. Es gibt eine Task-Force, die sich um die Aufarbeitung der Vorgänge kümmern soll, Beschwerden aus bayerischen Gefängnissen werden künftig statistisch erfasst, gegen die beschuldigten Justizbeschäftigten läuft neben den strafrechtlichen Ermittlungen ein Disziplinarverfahren. Eisenreich stellt zudem klar: „Besondere Beschwerden müssen mir mitgeteilt werden.“

    Eisenreich muss dem Landtag berichten

    Der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold ist mit Eisenreichs Auskünften nicht zufrieden. Der Minister sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Arnold: „Es gibt in der Verantwortung seines Ministeriums keinen Bereich, wo derart intensiv in die Grundrechte der Menschen eingegriffen wird wie beim Justizvollzug. Es geht um die Würde des Menschen, das hat Eisenreich selbst gesagt. Da kann er sich nicht einfach hinter seinen Fachabteilungen verstecken.“ Für den ehemaligen Richter Arnold ist klar: „In jedem Fall hätte das Ministerium sich intensiv weiter um die Vorwürfe kümmern müssen – auch wenn die Staatsanwaltschaft anfangs für sich selbst keine weiteren Ermittlungsansätze sah.“ Dass das Ministerium jetzt erst Statistiken für Beschwerden führen wolle, bezeichnet Arnold als „echte Schande.“

    Eisenreich verließ am Donnerstag Saal 134 im Justizpalast nach einer guten halben Stunde zügig. Fragen waren - wie gesagt - nicht zugelassen. Doch diese werden spätestens in einer Woche kommen. Dann soll der Minister im Landtag Rede und Antwort stehen.

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    3 Kommentare
    Ronald Hattensaur

    Das wird ein Bumerang für Markus Söder.

    Franz Xanter

    Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur die direkt Beteiligten in der JVA sondern auch und insbesondere die Verantwortlichen im Ministerium restriktiv zur Verantwortung gezogen werden. Ich hoffe es mal, doch wahrscheinlich wird es bei Verantwortlichen - Verursachern - der JVA bleiben.

    Georg Kannler

    Natürlich hat der Bayrischer Justizminister von nichts gewusst!! Wer bitte soll das glauben????

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