Jérôme Boatengs Ex-Freundin trägt eine weiße Bluse, ihre langen, schwarzen Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. Sie ist am Freitag Zeugin im Prozess gegen den Fußballstar. Und sie berichtet detailliert, was an jenem Abend 2018 in der Karibik vorgefallen sein soll. Erst später wird sie in Tränen ausbrechen.
Der angeklagte Boateng sitzt nur wenige Meter von ihr entfernt. Er verzieht während ihrer Aussage keine Miene, hält die Hände lange gefaltet in seinem Schoß. Ab und an spricht er mit seinem Verteidiger Leonard Walischewski. Sonst ist keine Regung zu sehen, die erahnen lässt, wie es in dem ehemaligen Fußball-Weltmeister aussieht.
Tag zwei der Verhandlung über einen Vorfall, der sich vor mittlerweile sechs Jahren ereignet hatte. Nachdem beim Prozessauftakt im Landgericht München I der Angeklagte Profi-Fußballspieler Jérôme Boateng zu Wort gekommen war und die Vorwürfe abgestritten hatte, wurde nun das mutmaßliche Opfer befragt. Die Frau hatte im Oktober 2018 Anzeige gegen den Sportler erstattet. In dem wieder aufgerollten Prozess tritt sie als Nebenklägerin auf und erneuerte am Freitag die schweren Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Partner.
Trotz mahnender Worte hält Streit zwischen Boateng und Ex-Freundin an
Gleich zu Beginn betonte die Vorsitzende Richterin Susanne Hemmerich erneut: "Ich möchte dieses Verfahren unbedingt zeitnah zu Ende führen." Sie äußerte große Besorgnis über die Kinder, die nach den Prozesstagen den Streit der Eltern in den Medien mitlesen könnten. Boatengs Ex-Freundin ist die Mutter gemeinsamer Zwillingstöchter. Trotz der mahnenden Worte hielt die Schlammschlacht der Eltern am zweiten Verhandlungstag an.
Angefangen habe es mit einem gemeinsamen Kartenspiel, berichtete die Ex-Freundin im Zeugenstand. Dabei soll Boateng wütend geworden sein, weshalb er ein Windlicht und eine Kühltasche nach der Frau geworfen und sie beleidigt haben soll. "Ich hab’ geweint, richtig doll, ich hab’ mich auch erschrocken", sagte die Frau. "Er hat weiter geschrien, hat weiter gewütet." Im weiteren Verlauf des Abends soll der Fußballspieler seine damalige Freundin zudem geschlagen, angespuckt und an den Haaren gezerrt haben. Die Frau berichtete von einem Schnitt wegen der Scherben des Windlichts, Hämatomen und Schürfwunden.
Zeugin bricht im Gerichtssaal in Tränen aus
Als die Ex-Freundin am darauffolgenden Tag über den Vorfall reden wollte, habe Boateng ihr gedroht, er werde dafür sorgen, dass die gemeinsamen Kinder in ein Heim kommen, sollte sie ihn wegen des Vorfalls anzeigen. Bei diesen Worten brach die Frau im Gerichtssaal in Tränen aus, die Richterin unterbrach die Sitzung für einige Minuten. Anschließend ließ sich die Richterin Bilder zeigen, die am Abend des Vorfalls sowie am Tag danach entstanden waren. Auf einem Bild war die Geschädigte in einem weißen T-Shirt mit Blutflecken zu sehen, auf dem anderen hatte sie ein blaues Auge.
Richterin Hemmerich sprach die Zeugin auch auf die von Boateng vergangene Woche erwähnte blutige Lippe an. Die beteuerte: "Ich habe ihn nicht angegriffen." Der Fußballspieler habe sich wohl an ihrem Armband verletzt, als sie ihren Kopf habe schützen wollen. Selbst daran erinnern könne sie sich allerdings nicht.
Die Fragen der Staatsanwältin zielten auch auf Vorfälle, die teilweise fast zehn Jahre zurücklagen, zum Beispiel den Kontakt des mutmaßlichen Opfers zu Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt sowie Details zu den Vereinbarungen über den Umgang mit den beiden gemeinsamen Kindern. Irgendwann schienen der Richterin die Fragen zu viel und zu banal zu werden. Sie warf ein: "Wir haben hier keinen Schwurgerichtsprozess." Die Fragen der Staatsanwältin hätten mit den eigentlichen Tatvorwürfen relativ wenig zu tun. "Ich fasse es nicht, wie das Verfahren hier aufgebauscht wird."
Kritik an Äußerungen zu verstorbener Ex-Freundin Kasia Lenhardt
Dass Boateng sich in der vergangenen Woche auch zu seiner mittlerweile verstorbenen Ex-Freundin Kasia Lenhardt geäußert habe, sorgte für Kritik. "Wenn Herr Boateng von 'Respekt vor Kasia, ihrem Sohn und ihrer Familie' spricht, dann fragt man sich, was er mit seinem Interview aus dem Februar 2021 habe bewirken wollen", sagte Anwalt Markus Hennig im Namen der Familie Lenhardt der Deutschen Presse-Agentur. Denn dies habe zu massivem Mobbing und Vorverurteilungen von Kasia Lenhardt geführt.
Rund eine Woche vor Lenhardts Tod hatte Boateng ein Zeitungsinterview gegeben, in dem er sich über die Beziehung zu ihr geäußert hatte. Die Mutter der bei ihrem Tod erst 25 Jahre alten Kasia Lenhardt verklagte Boateng auf Unterlassung. Das Landgericht Berlin entschied daraufhin, dass Boateng eine Äußerung über seine Ex-Partnerin untersagt wird. Die Mutter legte daraufhin Rechtsmittel ein. Für den 1. August wurde der Termin für die Berufungsverhandlung vor dem Berliner Kammergericht festgesetzt. (mit dpa)