Was früher einmal Oliver Kahn war, ist im Leben von Jens Lehmann jetzt die Justiz. Ähnlich hartnäckige Duelle wie mit dem Rechtsstaat lieferte sich Lehmann vorher nur mit dem „Titan“, im Kampf um den Platz im Tor der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-WM 2006.
Vor dem Münchner Amtsgericht gehen Lehmanns Auseinandersetzungen mit der Gerichtsbarkeit am Donnerstag in die nächste Runde. Der Ex-Torwart muss sich dort verantworten, weil er im Herbst 2024 alkoholisiert mit dem Auto durch München gefahren sein soll. Der Vorwurf: fahrlässige Trunkenheit.
Mit Sneakers und Lederjacke kommt der 55-Jährige ins Gericht, lässt sich mit gesenktem Blick von den Fotografen ablichten. Bei seiner unheilvollen Fahrt am 23. September 2024 soll er nach einem Wiesnbesuch mit mehr als 0,7 Promille Alkohol im Blut unterwegs gewesen sein – zwischenzeitlich auf einem Parkstreifen fahrend. Bei einer Polizeikontrolle scheiterte der Atemalkoholtest, Lehmann musste laut Staatsanwaltschaft mehrfach würgen.
Es ist nicht Jens Lehmanns erster Prozess in München
Seine Adresse muss die Richterin nicht extra abfragen, es ist schließlich nicht Lehmanns erster Prozess. Seinem Anwalt zufolge sollte er für die Alkoholfahrt 72.000 Euro Strafe zahlen. Lehmann legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein, gibt aber zu, alkoholisiert gefahren zu sein.
Ex-Nationaltorwart bezweifelt, dass die Ärztin bei der Blutabnahme eine Ärztin war
„Ich war der Annahme, dass ich fahrtauglich wäre“, erklärt der Fußball-Rentner. Diesen Fehler bereue er. Die ihm vorgeworfenen Ausfallerscheinungen – verschwommene Sprache, Alkoholgeruch, wenig Kooperationsbereitschaft – bestreitet er. Er habe im Lauf des Abends „zwei Maß getrunken und vielleicht auch noch ein Saures, eine Mischung aus Wasser und Bier“. Er habe nicht gewürgt, „nicht nach zwei Maß“. Vielmehr habe er einen „möglicherweise nervositätsbedingten“ Husten. Bei seiner Aussage hustet Lehmann immer wieder ins Mikro. Er habe bei der Kontrolle auch „einen starken Harndrang“ verspürt und sei deswegen „zu einem Busch gerannt“. Lehmann zweifelt an, dass die Ärztin, die ihm später Blut entnahm, wirklich eine Ärztin war. Auch die Glaubwürdigkeit der beiden Polizeibeamten aus der Wiesn-Nacht stellt er infrage. Er schließt seine Aussage mit dem Satz: „Das war so. Das schwöre ich beim Leben meiner drei Kinder.“
Seine Kinder mussten zuletzt oft von ihrem Vater in den Medien lesen. Selten waren die Schlagzeilen sportlicher Natur. Vielmehr gilt er mittlerweile als notorischer Prozesshansel.
Erst vor einem halben Jahr war Lehmann nach einer skurrilen Kettensägen-Attacke auf die Garage seines Nachbarn mit einer Geldstrafe belegt worden. Dazu Telefonieren am Steuer, Schummeln an einer Parkhausschranke, Beleidigung: Manche dieser Vorfälle wären wohl gar nicht öffentlich geworden, hätte er die Strafbefehle einfach akzeptiert. Doch das tat er nicht. Und Deutschland wundert sich. „Was ist mit Jens Lehmann los?“, ist eine der häufigsten Suchfragen zu seiner Person auf Google.

Der Ex-Fußballstar schreibt auf seinem iPad, kaut grübelnd an seiner Lesebrille. Die Ärztin aus der Alkoholnacht konfrontiert er mit bohrenden Fragen, liefert sich mit der Staatsanwältin eine Diskussion um sein Essen am Tag auf der Wiesn. Schnitzel, Kuchen, Fleischpflanzerl oder doch Kässpätzle? Es ist bizarr. Jens Lehmann, einst UEFA-Cup-Sieger mit Schalke 04 und englischer Meister mit Arsenal London, schildert seinen Mageninhalt und seinen Harndrang, gibt sich als Anwalt seiner selbst. Einen der Polizisten im Zeugenstand beschwört er: „Denken Sie daran, Sie müssen die Wahrheit sagen.“
Einer der Streifenbeamten bestätigt, dass der frühere Sportler bei der Kontrolle stark husten musste. Gestottert oder gelallt habe Lehmann nicht, jedoch den Sicherheitsabstand zu den Beamten nicht eingehalten und sie mehrfach angehaucht.
Nach fast fünf Stunden Prozess sagt eine Sachverständige aus. Sie ist Spezialistin für das Handeln unter Alkoholeinfluss. Sie hat sich alle Aussagen angehört – und interpretiert sie zugunsten von Jens Lehmann.
Eine Gutachterin entscheidet positiv für Lehmann
Er habe offensichtlich nicht durchgehend motorische Ausfallerscheinungen gezeigt, spreche auch im nüchternen Zustand mitunter undeutlich und schnell. Sein laut Zeugen zeitweise unsicherer Gang könne auch auf Lehmanns Husten zurückzuführen sein. „Ich kann nicht sicher sagen, dass er aufgrund der Alkoholisierung stattgefunden hat.“ Eine „relative Fahruntüchtigkeit“ ist ihr zufolge nicht eindeutig nachweisbar. Lehmanns Verhalten gegenüber der Polizei und der Ärztin könne zum Teil auch auf dessen Persönlichkeit zurückzuführen sein.
Am Ende folgt das Gericht dieser Interpretation. Vom Vorwurf der „fahrlässigen Trunkenheit“ bleibt „nur“ eine Ordnungswidrigkeit. Die liegt vor, wenn man mit mehr als 0,5 Promille Auto fährt. Die Richterin verhängt, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, 1000 Euro Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot. Das ist allerdings schon abgegolten, in der Tatnacht musste Lehmann seinen Führerschein abgeben. Den erhält er nun zurück.
Zum Schluss nimmt die Juristin eine Charakterstudie vor, die ein Stück weit auch Lehmanns ständige Auseinandersetzung mit der Justiz erklären mag. Sein „kritischer Geist“, so die Richterin, sei „vielleicht auch mitunter ungehobeltes, schlechtes Benehmen. Es mag sein, dass Ihnen das hier zugutekommt. Ich glaube aber nicht, dass es Sie dauerhaft weiterbringt. Auch Sie als Herr Lehmann, als ehemaliger Torhüter, müssen sich an die Gesetze halten. Ich weiß nicht, ob das schon bei Ihnen angekommen ist. Vielleicht führt ja die heutige Verhandlung dazu.“
Wieso hat Herr Lehmann so ein respektloses Verhalten gegenüber der Polizei und dem Gericht? Der sollte mal eine Therapie machen. Das käme dann vielleicht auch seiner Familie zugute.
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