Die Kolonne aus dunklen Vans und schweren Pkw aus deutscher Produktion erregt gelindes Aufsehen. Sie steht mitten in Rom auf der Piazza Colonna. Dahinter befindet sich der Amtssitz der italienischen Ministerpräsidentin, und deren Gespräch mit dem bayerischen Regierungspräsidenten Markus Söder zieht sich in die Länge. Heute wird eine halbe Stunde überzogen, ehe sich der Tross mit dem Bayern und viel Blaulicht durch das römische Verkehrsgewühl in Richtung deutsche Botschaft kämpft. Ob sich das Warten gelohnt hat?
Vor einem Jahr hatte Söder seinen Partei-Vize Manfred Weber wegen dessen politischen Flirts mit Italiens rechtsgerichteter Regierungschefin noch getadelt. Jetzt fährt er selber zu Giorgia Meloni.
Söder-Besuch bei Meloni: Energieversorgung Bayerns ist ein Thema
An Bord einer Chartermaschine setzte Söder an der Spitze einer knapp 30-köpfigen Delegation am Freitagvormittag auf dem militärischen Teil des Flughafens in Rom auf. Auf der Tagesordnung des gegen 11.30 Uhr anberaumten Gesprächs mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni standen zwei wirtschaftspolitisch wichtige Themen für Bayern.
Einmal geht es um die Energieversorgung. Eine Pipeline von Triest her, wo die Tanker anlanden, gehört seit den 1970er-Jahren zu den wichtigsten Energielieferanten Bayerns. Diese Schlagader für den süddeutschen Raum soll auch künftig eine wichtige Rolle spielen und Flüssiggas beziehungsweise Wasserstoff liefern. Stammen soll der Wasserstoff aus Nordafrika, wo er mithilfe von Solarenergie gewonnen werden kann. Dieser Südkorridor ist bereits zwischen Deutschland und Italien vereinbart.
In den Augen der Bayern ist das eine wichtige Ergänzung zum Windstrom, der in Norddeutschland erzeugt wird und mit riesigen Leitungen in den Süden transportiert werden soll. Die dafür nötigen Investitionen werden sich aus Sicht der Italiener jedoch nur rechnen, wenn sie im energiehungrigen Deutschland genügend Abnehmer finden. „Wir sind der Anwalt dafür“ beschrieb Söder die Rolle Bayerns. Der Freistaat wiederum sei an einer schnellen Entwicklung interessiert, um den Energiehunger seiner Firmen und Verbraucher auch mit Wasserstoff aus dem Süden stillen zu können.
Italiens Regierung bevorzugt die Klage gegen Tirols Blockabfertigung
Punkt zwei ist die Verkehrssituation auf den österreichischen Transitstrecken und speziell am Brenner. Dort versucht Tirol mit zunehmenden Beschränkungen des Lkw-Verkehrs die Belastungen zu bremsen, Folge sind aber unter anderem chaotische Verhältnisse auf der bayerischen Seite, wo sich die Lastwagen stauen. Italien will nun gegen die Blockabfertigung vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, Söder glaubt an einen Erfolg für Roms Juristen. „Auch wir halten die Blockabfertigung für rechtswidrig.“ Am Freitag nun forderte Söder im Garten der deutschen Botschaft in Rom, dass Tirol das Nachtfahrverbot für Lastwagen zurückfahren müsse.
Fraglich ist allerdings wie lange es dauert, bis über eine Klage, die nur von Nationalstaaten geführt werden darf, entschieden wird. Bayern und Südtirol werben deshalb für ein Slot-System: Lastwagen sollen vorab buchen, wann sie über die Alpen fahren und so die Lage entzerren. Allerdings würden weder Berlin noch Wien noch Rom derzeit diesen Versuch mit Nachdruck befürworten, so Söder. Daran wird sich offenbar auch nicht viel ändern. Immerhin: Italien will die Vorschläge aus Bayern und Südtirol nun prüfen. Der bevorzugte Weg der Regierung Meloni ist aber weiter die Klage.
Vor der Europawahl wirbt Söder bei Meloni für Ursula von der Leyen
Vier Wochen vor der Europawahl wird der Besuch des Ministerpräsidenten bei Meloni, die die ultrarechte Partei Fratelli d'Italia, führt, aufmerksam beobachtet. Söder betonte deshalb seit Wochen, dass die Reise ein Staatsbesuch in einem wichtigen Nachbarland sei. Zudem interessierten ihn Melonis Ansichten. Eine Kumpanei werde es aber nicht geben. Die oft zitierte Brandmauer gegen rechts definierte Söder vor dem Abflug im Falle von Meloni so: „Eine Mitgliedschaft in der EVP (Europäische Volkspartei) kommt nicht infrage.“ Wobei es offenbar so ist, dass es sich dabei um eine deutsche „Phantom-Diskussion“ handelte, die in Italien so gar nicht geführt wurde. Ihm gegenüber habe Meloni unterstrichen, dass sie an einer Mitgliedschaft in der EVP nicht interessiert sei.
Söder spricht in Italien betont oft von einem Staatsbesuch, doch dieser hat nicht nur wegen der EVP-Debatte durchaus eine parteipolitische Note. Als Regierungschefin eines der größten europäischen Länder ist Meloni wichtig, um die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu sichern. Söder wirbt für die CDU-Politikerin und findet, das müssten im Sinne des deutschen Einflusses auch alle Vertreter der Ampel-Parteien tun. Anderslautende Äußerungen seien „irritierend.“ Schließlich, so sagt der CSU-Chef mit einen leichten Augenzwinkern, springe auch er über seinen bayerischen Schatten: Nach dem Aus der Münchner Bayern in der Champions League drückt Söder im Finale nun der Borussia aus Dortmund die Daumen.
Bringt der CSU-Chef auch Konkretes mit von seinem Besuch bei der italienischen Regierungschefin? Die Antwortet lautet: Ja: Beide haben ihre Handynummern getauscht.