Wolfsexperte: "Der Wolf ist alles andere als scheu"
Wolfsexperte Peter Burkhardt weiß um die Sorgen der Tierhalter. Kennt aber auch positive Aspekte. Wie er zu den Abschussplänen der bayerischen Staatsregierung steht.
Herr Burkhardt, haben Sie heute schon einen Wolf gesehen?
Peter Burkhardt: Heute noch nicht. Aber ich finde immer wieder Spuren um mein Haus herum.
Wo genau leben Sie?
Burkhardt: Ich bin in Rucksmoor, einem Ortsteil von Gartow zu Hause und wohne inmitten des 5700 Hektar großen Bernstorff'schen Forstes, den sogenannten Gartower Tannen.
Also Idylle pur, wenn da der Wolf nicht wäre?
Burkhardt: Widerspruch. Es ist Idylle pur. Wir haben uns an diese faszinierende Tierart längst gewöhnt.
Wann hat alles begonnen?
Burkhardt: In meinem Jagdrevier wurden erstmals im Jahr 2005 Spuren eines Wolfs entdeckt. 2013 lieferten die Wildkameras dann Bilder von Welpen. Inzwischen kann man nicht mehr genau sagen, wie viele Wölfe tatsächlich in unserer Gegend leben. In Niedersachsen sind insgesamt 46 Rudel nachgewiesen.
Wie haben denn die Menschen auf die Rückkehr des Raubtiers reagiert?
Burkhardt: Anfangs gab es schon eine gewisse Hysterie. Und es klingelte bei mir das Telefon auch mitten in der Nacht, wenn jemand eine Begegnung mit dem Wolf hatte. Das ist inzwischen vorbei. Die Bevölkerung nimmt die Tiere mit einem Schulterzucken zur Kenntnis.
Auch dann, wenn wieder einmal Schafe oder Rinder gerissen wurden?
Burkhardt: Einige Schäfer haben ihre Herden frustriert abgeschafft. Zunächst wurden von den Behörden immer höhere Zäune zum Schutz der Tiere empfohlen. Wenn ein Schaf gerissen wurde, dauerte es oft Monate, bis feststand, ob es tatsächlich ein Wolf war und eine Entschädigung gezahlt wurde. Inzwischen werden die Zäune zu 100 Prozent gefördert. Die Landwirte haben begonnen, wieder alte Hausschafarten und Rinderrassen zu halten. Doch dem Wolf ist es ziemlich egal, welches Schaf oder Rind er reißt. Erst vor Kurzem wurden bei uns wieder 17 Schafe getötet. Aber es gibt auch positive Aspekte.
Wie bitte, positive Aspekte?
Burkhardt: Wir hatten sehr viel Schalenwild – Rot- und Damwild, Reh- und Muffelwild. Vor allem beim Damwild wurden die Bestände durch den Wolf verkleinert, das Muffelwild ausgelöscht. Wir finden auch in fast jeder Wolflosung, also dem Kot, Borsten von Wildschweinen. Zudem stellten wir fest, dass Rot- und Damwild häufiger den Standort wechselt, um der drohenden Gefahr aus dem Weg zu gehen. Und das ist dann die positive Seite.
Das bedeutet?
Burkhardt: Der Umbau unserer Kiefernwälder zu klimarobusteren Mischbaumarten geht nun wesentlich schneller voran. Der Verbiss junger Pflanzen wurde deutlich verringert.
Es wird behauptet, der Wolf sei scheu.
Burkhardt: Das ist ein Mythos. Der Wolf ist alles andere als scheu. Es kann durchaus vorkommen, dass er in einem landwirtschaftlichen Hof auf dem Komposthaufen sitzt oder durch Dörfer streift.
Mir wurde berichtet, dass sich Meister Isegrim auch von Drückjagden mit mehreren Schützen nicht beeindrucken lässt.
Burkhardt: Das ist richtig. Der Wolf ist ein intelligentes Tier und sucht sogar die Nähe, weil er hofft, von dem erlegten Wild etwas abzubekommen. Denn eines ist auch klar: Der normalste Geruch der Welt ist für den Wolf inzwischen der Mensch. Wobei bei uns, das ist wichtig, noch keine Person angegriffen wurde. Größere Bedenken hätte ich beim Bären, der völlig unkontrollierbar ist.
Naturschützer heißen den Wolf willkommen. Doch hier in Bayern gibt es vor allem heftige Widerstände aus der Almwirtschaft.
Burkhardt: Ich teile die Bedenken. Die Almwirtschaft im Allgäu oder in Oberbayern ist vor Angriffen durch den Wolf nicht zu schützen. Man müsste auf den Bergwiesen kilometerlange Zäune bauen und hätte dennoch keine Garantie. Oder man setzt Herdeschutzhunde ein. Aber hier sehe ich die Gefahr für den Tourismus in den Alpen. Ich möchte mir nicht vorstellen, wenn etwa Wanderer oder Mountainbiker diesen scharfen Hunden begegnen.
Die bayerische Staatsregierung will nun den Abschuss von sogenannten Problemwölfen erleichtern.
Burkhardt: Auch hier in Niedersachsen können auffällig gewordene Wölfe der Wildbahn entnommen werden. Das Ministerium muss jedoch den Abschuss freigeben. Doch dann folgt meist ein langwieriger Klagen-Marathon. Ein schwedischer Wolfsexperte hat einmal gesagt: Wenn man Wölfe haben will, muss man auch welche schießen. Dadurch wachse die Akzeptanz für die Raubtiere in der Bevölkerung. Das ist auch mein Fazit: Wölfe gerne, aber in Maßen genossen.
Zur Person: Peter Burkhardt, 58, ist Jäger und lebt in Gartow im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Er war acht Jahre lang Wolfsberater und äußerte sich öfter kritisch zum Wolf. Er forderte etwa eine Regulation der großen Beutegreifer sowie eine Beweis-Umkehr im Fall von Nutztierrissen.
Die Diskussion ist geschlossen.
...... das Muffelwild "ausgelöscht". Eine Tierart wird in bestimmten Regionen zu Gunsten einer anderen vernichtet und dann bezeichnet man dies als positiven Aspekt. Armselig, wie manche denken.
Wenn ich zitieren darf: "Das ursprünglich nur auf Sardinien und Korsika vorkommende Mufflon wurde in etlichen Gebieten Europas eingeführt. Um 1900 wurde es in Deutschland als Park- und Jagdwild eingebürgert." https://www.wildtier-kataster.uni-kiel.de/pages/tierarten/saeugetiere/mufflon.php
Dieser eingeführte Bestand des Europäischen Mufflons wird durch die (natürliche) Rückkehr der Wölfe bedroht. Eine Ursache liegt im Fluchtverhalten der Wildschafe, die sich in ihrer ursprünglichen Heimat auf Felsen und Klippen retten können. Eine derartige Landschaft gibt es aber in Deutschland kaum. https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Mufflon
Das alte Sprichwort: Wo der Wolf jagt, wächst der Wald trifft besonders auf Muffelwild zu. Im übrigen wird Muffelwild auch vom Menschen bejagt, um den Verbiss im Wald niedrig zu halten...soll ein beliebtes Jagdwild für den Genossen Honecker gewesen sein.
Kann nur der Meinung von Martin D zustimmen. Muffelwild kann im Flachland nur überleben wenn dort keine großen Raubtiere wie Wolf, Schakal oder Bär vorkommen. Das Fluchtverhalten von Muffelwild hat keine Chance gegen das bei Wölfen optimierte Jagdtechnik. Aber auch der Artikel selbst beschreibt die positiven Effekte des Vorhandensein des Wolfes. In den USA im Yellowstone Park hat mit der Wiederkehr des großen Räubers bewirkt, dass die Fauna sich wieder erholt hat und zu Übergriffen auf Menschen ist es auch gekommen. Und wenn Mal ein kleines Schosshündchen einen Wolf ankläfft und er dabei getötet wird es es eben das Naturgesetz nach Darwin. In Arizona passiert das Nachts auch wenn ein Puma die Mülltonnen durchwühlt und ein wohlbehüteter Haushund kommt dem Puma in die Quere.
Eine Wildart als nicht lebensberechtigt zu bezeichnen, nur weil sie nicht seit 2000 Jahren heimisch ist, ist eine nicht ganz saubere Argumentation. Das gilt in den meisten Regionen Deutschlands vermutlich auch für rund zwei Drittel der Bewohner, die einen Migrationshintergrund aus den letzten 200 Jahren aufweisen...
Flora und Fauna unterliegen einem steten Wandel. Reguliert werden muss dann, wenn der Wolf zu stark in unsere Kulturlandschaft eingreift. Ob es dabei um das Wildschaf Mufflon oder um Herden von Wanderschäfern geht, ist dabei doch eher unerheblich. Hier rund um Augsburg gibt es nur das zweitere.
Ein oder einige einzelne Wölfe werden dabei kaum störend gegenüber dem Menschen auftreten, aber spätestens wenn ein oder mehrere Rudel ansässig sind, ist ein regulierender Eingriff vermutlich erforderlich. Wir leben nicht in einem dünn oder nicht besiedelten Nationalpark, sondern im 83-Millionen-Einwohner-Land Deutschland.
@Michael W: "Eine Wildart als nicht lebensberechtigt zu bezeichnen" - wer hat das getan?...wollen Sie Herdenschutzhunde und Schutzzäune für frei und wild lebendes Muffelwild einsetzen oder ein anders Wildtier wie den Wolf erneut in Deutschland ausmerzen?? Schüren Sie deshalb die Angst vor dem bösen bösen Wolf? Es sind inzwischen bereits viele Rudel in Deutschland ansässig, Menschen sind den Wölfen nicht zum Opfer gefallen, eher noch unseren Haushunden.