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Interview: Willy Astor: „Ein Depp stirbt, zehn werden geboren“

Interview

Willy Astor: „Ein Depp stirbt, zehn werden geboren“

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    Auch nach 30 Jahren auf der Bühne sind dem Wortakrobaten Willy Astor die Ideen noch nicht ausgegangen. Die Schwierigkeit sei, die Ideen nicht gleich wieder zu vergessen, sagt er.
    Auch nach 30 Jahren auf der Bühne sind dem Wortakrobaten Willy Astor die Ideen noch nicht ausgegangen. Die Schwierigkeit sei, die Ideen nicht gleich wieder zu vergessen, sagt er. Foto: Matthias Balk, dpa

    Was hat ein Wortkünstler gemacht, als Bayern im Lockdown war? Hat ihm das Virus die Sprache verschlagen? Nein, nur ein Scherz. Anders gefragt: Haben Sie Corona gut überstanden?

    Willy Astor: Na ja, Corona ist ja noch nicht überstanden. Uns Künstlern ist der Mund sozusagen immer noch halb zugeklebt. Und den Leuten ist das Lachen im Hals stecken geblieben. Insgesamt habe ich mich an diese Art der Depression gewöhnt. Ein kleiner Lichtblick war ein Open-Air-Auftritt in Passau auf dem Domplatz vor Menschen mit Gesichtern. Die haben echt geklatscht!

    Wie empfanden Sie den Lockdown?

    Astor: Das war ja so, als wäre es wochenlang Karfreitag. Es war gruselig. Als alter Kaffeehausgänger vermisste ich diese lockere Atmosphäre schon sehr. Ich habe vor allem Probleme mit den Masken. Ich vertrage sie ganz schlecht und bekomme nach zwei Minuten Atemnot. Ich bewundere wirklich jeden, der es schafft, den ganzen Tag mit Maske zu verbringen.

    Jetzt spielen Sie wieder. Unter anderen diesen Samstag in Augsburg im Autokino. Haben Sie schon mal in einem Autokino gespielt?

    Astor: Ja, bereits viermal von Reutlingen bis Frankfurt. Ich bin überall mit dem Zug gefahren, und das war wiederum toll, weil alles leer war. Auf das übliche Business-Geschwätz im ICE kann ich nämlich gut und gerne verzichten.

    Hat man bei diesen Konzerten überhaupt Kontakt zum Publikum oder spricht man da in ein dunkles Off?

    Astor: Das war beim ersten Mal schon sehr befremdlich. Da dachte ich die erste halbe Stunde, es sitzt gar niemand in den Autos, und die Leute sind spazieren gegangen. Aber dann kamen die ersten Hupen und immer mehr schalteten die Lichter ein. Und so habe ich dann doch noch recht lustige Auftritte hingelegt. Am Ende war es wie Lachen auf Rädern.

    Willy Astor: "Man muss sich immer wieder neu erfinden"

    Wie ist das, wenn man nicht weiß, ob die Leute über die Pointen lachen?

    Astor: Ich habe natürlich inzwischen gemerkt, dass das Hupen der Autos im Laufe der Vorstellung zunimmt. Aber ich hoffe, nicht jahrelang in Autokinos spielen zu müssen. Das ist auf die lange Strecke nicht so mein Ding. Grundsätzlich freue ich mich natürlich, dass überhaupt Leute zu mir kommen. Und sie haben den Komfort, sozusagen im eigenen kleinen Wohnzimmer zum Auftritt zu rollen.

    Sie sind seit mehr als 30 Jahren nun schon professioneller Wortspieler. Hat man nicht irgendwann mal jeden Wortwitz gemacht, jede Pointe? Wo holen Sie das Neue immer wieder her?

    Astor: Man muss sich immer wieder neu erfinden, wenn man keine Ghostwriter hat wie manche der Kollegen. Aber die Freude, die Leute mit einem schönen Schabernack hinters Licht zu führen, ist für mich der Antrieb, mir immer wieder Gedanken zu machen. Und dazu habe ich gerade auch genügend Zeit. Aber die Zweifel, dass einem nichts mehr einfällt, die bleiben immer. Ich habe schon mit 80-jährigen Grimmepreis-Trägern gesprochen, die an dieser Bürde ebenfalls ein Leben lang schwer trugen. Wie hat Erich Kästner gesagt: Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie. Das ist tröstlich.

    Wie merken Sie sich eigentlich alle Einfälle. Haben Sie so eine Art Witznotizbuch?

    Astor: Nicht nur eins. Es sind ungefähr 30 Skizzenbücher, die ich seit 30 Jahren mit mir rumschleppe. Ich schreibe da einfach meine ganzen Ideen rein. Mittlerweile koppele ich das mit der Memory-Funktion meines Handys. Da spreche ich beim Autofahren neue Gedanken rein. Das ist gewissermaßen meine Lebensversicherung. Ich muss tatsächlich einen coolen Reim sofort aufschreiben, denn der kann eine Minute später schon anders sein oder ich vergesse ihn ganz. Die gefährlichsten Momente, bei denen man Dinge vergisst, sind kurz vor dem Einschlafen.

    Bei welchen Gelegenheiten fallen Ihnen denn Ihre Ideen ein? So wie manch andere unter der Dusche kreativ sind, sind Sie es wo genau?

    Astor: Wie gesagt, die Ruheposition in der Horizontalen ist gut.

    Ihre Instrumental-Alben „Sound of Islands“ regen ja die Fantasie nach Sehnsuchtsorten an. Wo liegen Ihre Sehnsuchtsorte?

    Astor: Meine Sehnsuchtsorte sind Frieden und Harmonie.

    Willy Astor: "Wenn ich mir die Eskalation in Stuttgart anschaue, das macht mir Sorgen"

    Gibt es denn keinen Ort, an dem Sie richtig gerne sind?

    Astor: Doch. Wenn die Kinder morgens zu mir und meiner Frau ins Bett kommen, da fühle ich mich gleich gut. Und ansonsten mag ich alles, was mild und sonnig ist.

    Bleiben Sie heuer im Urlaub daheim?

    Astor: Nein, wir fahren tatsächlich dahin, wo wir letztes Jahr gebucht haben. Es geht in ein Landhaus in der Toskana. Da fahren wir schon seit zehn Jahren hin und fühlen uns immer sauwohl.

    Wie geht es eigentlich einem Humoristen, wenn er sich die gesellschaftlichen Zustände in Deutschland anschaut?

    Astor: Man macht am besten die Augen zu, um nichts zu hören und zu sehen. Wenn ich mir die Eskalation in Stuttgart anschaue, das macht mir Sorgen. Ich lese täglich Zeitung. Es ist schon fatal, dass es eine Art Event geworden ist, Polizisten umzukicken, Autoscheiben einzuschlagen, Notärzte zu beschimpfen oder auf der Autobahn Tote abzufilmen. Ich hoffe, dass sich die Situation wieder dreht, aber es gibt immer mehr Menschen auf der Welt, deren Verhalten vorsichtig gesagt seltsam ist.

    In einem Interview sagten Sie, Sie würden sich täglich fragen, warum die Deppen nicht aussterben. Ja, warum eigentlich nicht?

    Astor: Weil leider zu viele von ihnen nachwachsen. Es sterben schon einige. Aber zurzeit hat man den Eindruck: Einer stirbt und zehn werden geboren. Das wird demnächst Thema für ein Lied. Ich warte nur mehr auf den musikalischen Kick.

    Fällt Ihnen ein Zweizeiler an einen Verschwörungstheoretiker ein?

    Astor: Was halten Sie von? Wer sich in Theorie verschwört, der zu der Klientel gehört, mit Xavier Naidoo zu schrein: Der Weg, der wird kein leichter sein!

    Apropos Verschwörung, es gibt Fußballmannschaften, die glauben an böse Mächte, weil der FC Bayern jedes Jahr Deutscher Meister wird. Sie sind ja Autor des Vereinssongs „Stern des Südens“. Wie kam das?

    Astor: Das war an einem entspannten Freitagvormittag um Halbezehne. Da kam das Lied plötzlich angeflogen. Das sind die Geschenke, die mir die Muse vorbeischickt.

    Werden Sie ihr Lied heuer zur Champions-League-Feier spielen?

    Astor: Ich überlege, ob ich nicht bei den Bayern anrufe und anbiete, die Nummer aktuell neu aufzunehmen. Dann könnten die Fans sie auf einem Bayern-Portal abrufen.

    Auftritt: Der Münchner Musiker und Kabarettist Willy Astor spielt am Samstag, 4. Juli, ab 21.30 Uhr im Autokino „Messeflimmern Augsburg“ mit „Der Jäger des verlorenen Satzes“.

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