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Interview: "Wenn wir weiter so viel zubetonieren, wo soll denn dann das Wasser hin?"

Interview

"Wenn wir weiter so viel zubetonieren, wo soll denn dann das Wasser hin?"

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    "Wir Gründe fordern schon seit Jahren, den Flächenfraß verbindlich auf maximal fünf Hektar pro Tag zu begrenzen, dagegen sperren sich CSU und Freie Wähler", sagt Katharina Schulze.
    "Wir Gründe fordern schon seit Jahren, den Flächenfraß verbindlich auf maximal fünf Hektar pro Tag zu begrenzen, dagegen sperren sich CSU und Freie Wähler", sagt Katharina Schulze. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Nach der Flutkatastrophe stellt man sich zwangsläufig die Frage: Läuft der Hochwasserschutz in Bayern in die richtige Richtung?

    Katharina Schulze: Aus meiner Sicht sind jetzt zwei Dinge zu tun. Erstens: Eine schnelle Hilfe für die Betroffenen. Wir haben Soforthilfe gefordert, jetzt kommt ein 100-Millionen-Soforthilfeprogramm. Das ist gut, auch wenn es nur die erste Not lindert. Zweitens: Es muss eine ehrliche Analyse gemacht werden zur Frage: Wie können wir in Bayern eine bessere Vorsorge hinkriegen? Und wo liegen da die Versäumnisse bei der bayerischen Staatsregierung in den letzten Jahren? Denn da sehe ich einige.

    Welche denn

    Schulze: Die Freien Wähler und die CSU haben sich lange um den technischen Hochwasserschutz gestritten. Ich erinnere an die Flutpolder, einige wollten sie, Hubert Aiwanger war strikt dagegen. Das Ergebnis ist jetzt, dass von den geplanten Flutpoldern erst einer gebaut ist. Und außer an der Öberauer Schleife an der Donau bei keinem Polder in den nächsten Jahren mit Baumaßnahmen zu rechnen ist. Markus Söder kündigt immer groß an, dass man bei technischen Hochwasserschutz gut dabei sei, aber das Hin und Her und die Streitereien haben natürlich zu Verzögerungen geführt. Hinzu kommt, dass beim Thema Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz das Geld zwar insgesamt gestiegen ist, aber man weiß ja auch, dass die Baupreise noch stärker gestiegen sind. Wenn man es mit dem Hochwasserschutz ernst gemeint hätte, dann hätte man die steigenden Kosten wenigstens angleichen müssen.

    Der Flächenverbrauch in Bayern ist im vergangenen Jahr massiv angewachsen.
    Der Flächenverbrauch in Bayern ist im vergangenen Jahr massiv angewachsen. Foto: Katharina Redanz, dpa

    Nun gibt es noch andere Möglichkeiten als den technischen Hochwasserschutz.

    Schulze: Richtig, den natürlichen oder auch ökologischen Hochwasserschutz, den die bayerische Staatsregierung seit Jahren nicht richtig im Blick hat. Machen wir uns nichts vor: Gerade in Schwaben sind ja viele kleine Bäche zu reißenden Fluten geworden, da hätte der Polder in Passau den Leuten vor Ort auch nicht geholfen. Wir müssen mehr Orte schaffen, wo das Wasser versickern kann, bevor es eine Stadt oder ein Dorf erreicht. Es geht also um eine Entsiegelung der Flächen, die Auen müssen als natürliche Überschwemmungsgebiete wieder hergestellt werden, die Moore müssen renaturiert werden, Flüsse brauchen wieder ihr natürliches Flussbett, damit das Wasser nach rechts und links auslaufen kann. Leider gehen gerade einmal mickrige 20 Millionen in zwei Jahren in den ökologischen Hochwasserschutz. Das ist eindeutig zu wenig. Vorbeugen, schützen, absichern - darum muss es gehen.

    Sie haben gerade das Thema Bodenversiegelung gesprochen. Bayern bleibt da bisher unter seinen selbst gesteckten Zielen zurück...

    Schulze: Wir Gründe fordern schon seit Jahren, den Flächenfraß verbindlich auf maximal fünf Hektar pro Tag zu begrenzen, dagegen sperren sich CSU und Freie Wähler. Bisher versiegeln wir pro Tag leider mindestens das Doppelte. Das halte ich weiter für falsch. Wenn wir weiter so viel zubetonieren, wo soll denn dann das Wasser hin? 

    Davor haben Sie das Thema Flutpolder angesprochen, also Flächen, die mit Deichen abgegrenzt sind und bei extremen Hochwasserereignissen geflutet werden können. Vor allem unter Landwirten, die in der Nutzung ihrer Flächen eingeschränkt würden, sind diese Polder höchst umstritten. Wie wiegt man zwischen persönlichen Interessen auf der einem und dem Schutz der Allgemeinheit auf der anderen Seite ab?

    Schulze: Ich habe da eine klare Position: Als Schutzmaßnahme sind die Polder vor allem an großen Flüssen geeignet. Wir können nicht an jeden kleinen Fluss einen Polder bauen, das macht natürlich keinen Sinn. Aber an großen Flüssen können sie im Hochwasserfall große Mengen Wasser aufnehmen und dafür sorgen, dass diese Spitzen einer Hochwasserwelle verringert werden. Gleichzeitig muss man sich klar machen, dass Polder zu bauen, teuer ist und langwierig. Und Polder sind auch nur ein Baustein des Hochwasserschutzes. Mir ist es wichtig, dass man die einzelnen Maßnahmen nicht gegeneinander ausspielt. Dort, wo es Sinn macht, brauchen wir Polder. Und gleichzeitig in der Fläche eine massive Investition in den natürlichen Hochwasserschutz. Denn teurer als das Geld in Prävention zu stecken, sind die Kosten nach der Katastrophe. Im schlimmsten Fall kostet es Leben. 

    Neben Anpassungen, eben etwa Hochwasserschutzmaßnahmen, braucht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge dringend mehr Klimaschutz, vor allem die Verminderung der Treibhausgas-Emissionen, um den Klimawandel zu bremsen. Bisher läuft das noch nicht so gut…

    Schulze: Da sehen wir mal wieder einen typischen Söder. Er hat angekündigt, dass Bayern 2040 klimaneutral werden soll. Aber gleichzeitig macht er nichts dafür. Die Klima-Krise lässt sich aber nicht wegwünschen, da reichen keine schönen Worte, dafür braucht es politisches Handeln. Das bedeutet: CO2 muss reduziert werden, wir müssen schneller raus aus Kohle, Öl und Gas, wir brauchen einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn ich aber jetzt wieder mitbekomme, dass die CSU das Verbrenner-Aus wieder rückabwickeln will, dann kann ich nur sagen: Markus Söder, Sie haben Klimapolitik nicht verstanden!

    Zur Person: Katharina Schulze, 38 Jahre, ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag.

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