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Interview: Vorsitzender von Pro Bahn: "Mehr Geld in die Schiene als in die Straße"

Interview

Vorsitzender von Pro Bahn: "Mehr Geld in die Schiene als in die Straße"

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    Im Nahverkehr soll sich in Schwaben und Oberbayern einiges verbessern.
    Im Nahverkehr soll sich in Schwaben und Oberbayern einiges verbessern. Foto: Alexander Kaya

    Herr Iffländer, Sie sind zum neuen Vorsitzenden des Fahrgastverbandes Pro Bahn in Bayern gewählt worden. Was haben Sie sich vorgenommen?

    Lukas Iffländer: Vor allem will ich das Thema Öffentlicher Nahverkehr im ländlichen Raum stark vorantreiben. Da geht es um die Reaktivierung von Bahnstrecken, aber auch darum, dass wir ordentliche Busverkehre in die Fläche bekommen. Dazu kommen noch Angebote wie Sammeltaxis, die man telefonisch oder per App bestellen kann. Das andere Thema ist die Tarifthematik. Wir haben in Bayern noch zu viele weiße Flecken. Wir brauchen aber einen Bayern-Tarif.

    Das heißt, ein Tarifangebot für das ganze Land?

    Iffländer: Genau. Das heißt, wenn einer in einer Bushaltestelle im Landkreis Regen einsteigt, muss er bis Partenkirchen mit einer Fahrkarte durchkommen. Ansonsten werden wir viele Themen weiter beackern, wie beispielsweise ein ordentliches Programm für die S-Bahn in München, die ganzen Elektrifizierungsthemen. Wir haben sowohl im Allgäu als auch rund um Mühldorf große Löcher. Auch der Deutschlandtakt wird uns nicht loslassen.

    Lukas Iffländer hat sich in seinem neuen Posten viel vorgenommen.
    Lukas Iffländer hat sich in seinem neuen Posten viel vorgenommen. Foto: Pro Bahn

    Wenn man Klimawandelpolitik machen will, ist auf dem Land die Dringlichkeit am höchsten, nicht wahr?

    Iffländer: Ja, wir müssen es schaffen, dass der Zweitwagen überflüssig wird. Ich komme ja selbst vom Land. Da ist es immer noch so: Mit 18 macht man den Führerschein, beide Eltern haben jeweils ein Auto, weil man ohne noch immer nicht zurechtkommt. Gut wäre, wenn wir es hinbekämen, dass man zumindest den täglichen Arbeitsweg und auch mal die eine oder andere Freizeitaktivität mit Bus oder Bahn hinbekommt.

    Ist so etwas finanzierbar?

    Iffländer: Wenn ich mir anschaue, wie viel Geld wir in Bayern in Staatsstraßen investieren, ist es einfach nur die Frage, wo man das alles einsetzt. Man muss andere Prioritäten setzen. Der Bund macht das jetzt. Wir haben den ersten Koalitionsvertrag, der sagt: Mehr Geld in die Schiene als in die Straße.

    Genau, die neue Bundesregierung will stärker als das Vorgängerkabinett auf die klimafreundliche Bahn setzen. Was erwarten Sie sich von denen?

    Iffländer: Ich erwarte mir, dass alles, was im Koalitionsvertrag mit „Wir werden“ beginnt, auch umgesetzt wird. Und wir hoffen, dass es auch bei den „Wir wollen“-Formulierungen vorwärts geht.

    Der neue Winterfahrplan ist konkret. Was sind die wichtigsten Änderungen in Schwaben und Oberbayern?

    Iffländer: Ich denke mal, die merklichste Verbesserung ist, dass wir im Nahverkehr zwischen München und Lindau elektrisch unterwegs sind. Das wird schneller und mit deutlich mehr Zügen betrieben.

    Was heißt schneller?

    Iffländer: Effektiv sind diese Züge so schnell wie der Fernverkehr. Bisher dauerte das über Memmingen schon sehr lange. Bisher gab es täglich wenige Regionalexpresse von Lindau nach München über Memmingen. Das ist jetzt ein Zwei-Stunden-Takt. Leider ist die Strecke nur eingleisig, das hat man gleich am ersten Tag gemerkt. Wenn da ein Euro-City aus der Schweiz mit Verspätung reinkommt, bricht der Restverkehr für Stunden zusammen. Ach ja, in Oberbayern ist im neuen Fahrplan ein großer Wurf gelungen: das Expressbusnetz rund um München. Das gilt vor allem für die Tangentialverbindungen.

    Sie meinen die Querverbindungen zwischen den sternförmig von München aus führenden Strecken?

    Iffländer: Genau. Früher führten alle Linien zum Münchner Hauptbahn- oder Ostbahnhof und von dort wieder aufs Land. Mit dem Expressbusnetz halbieren sich jetzt teilweise die Reisezeiten.

    Was muss im Allgäu passieren, dass die Elektrisierung voranschreitet?

    Iffländer: Wir bräuchten da einerseits Geld aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierunggesetz, um so schnell wie möglich in die Pötte zu kommen. Wir brauchen Augsburg-Buchloe als ersten Schritt elektrisch. Wenn das klappt, dann kann man überlegen, ob man dann eine Strecke wie beispielsweise nach Füssen dann mit Akku fährt. Viele Füssener Züge enden jetzt in Buchloe. Da ist der Fahrplan ein wenig durcheinander.

    Wo liegen die wichtigsten anderen Baustellen bei der Bahn in Bayern?

    Iffländer: Der Winter wird wieder spannend. Ich bin mal gespannt, wie die Lage im Januar oder Februar ausschaut. Letztes Jahr und in den Jahren davor haben wir ja durchaus erlebt, dass die Bahn mit dem Winter nicht klargekommen ist. In diesem Zusammenhang haben wir als Pro Bahn die Forderungen gestellt, dass der Freistaat der Bahn die Strecken wegnehmen und selbst betreiben soll.

    Ginge das ohne Weiteres?

    Iffländer: Das gäbe das Regionalisierungsgesetz schon her. In jedem Fall ist unser Eindruck, dass viel zu wenig Schienenräumgerät vorhanden ist. Und in Bayern schneit es nun mal heftiger als am Rhein, darum brauchen wir eine bessere Ausrüstung. Wir meinen, dass man in der Lage sein müsste, auf Strecken im Allgäu und im Oberland alle vier Stunden zu räumen. Die österreichischen Bundesbahnen bekommen das auch hin.

    Ganz andere Baustelle. Wird das Verfahren beim geplanten Ausbau der Strecke Augsburg-Ulm schnell genug vorangetrieben?

    Iffländer: Da sind wir positiv überrascht. Es ist zwar nicht so, dass dort alles von heute auf morgen entschieden wird, aber bei jeder Präsentation ist man einen Schritt weiter, werden Trassenvorschläge aussortiert und Betrachtungsräume verringert. Unser Gefühl ist, dass es gut voran geht. Spannend wird es, wenn die Entscheidung fällt und wie sich der Bürgerinitiativen entlang der Trasse dann verhalten werden.

    Das ist eine wichtige Beschleunigung der Magistrale Paris – Budapest.

    Iffländer: Da ist vor allem wichtig, dass wir eine Trennung der Verkehrsarten haben, also Güterverkehr auf der alten Strecke und auf der neuen Strecke die schnellen Züge. Da können die ICEs auch mal eine Verspätung rausfahren. Da geht es um Beschleunigung, Kapazität und Pünktlichkeit.

    Der Brennerzulauf in Bayern ist aber ein Fiasko, so lange wie sich das nun schon hinzieht.

    Iffländer: Da geht es in der Tat viel zu langsam vorwärts. Das liegt aber auch daran, dass da die Politik zu sehr mitmischt. Wenn die örtliche Landrätin sich gegen alle Varianten ausspricht, dann ist es schwierig. Effektiv ist der Brenner ein Verfahren, bei dem extrem viel Zeit mit in diesem Fall sinnlosen Bürgerdialog verloren gegangen ist. Da ist über Varianten diskutiert worden, die von vorneherein nicht in Frage kamen. Das funktioniert in Augsburg besser.

    Thema Pünktlichkeit. Leider sind die Unregelmäßigkeiten nicht weniger geworden, obwohl es immer wieder Versprechungen für mehr Fahrplanstabilität und Ausbaumaßnahmen gibt.

    Iffländer: An vielen Stellen ist die Infrastruktur überlastet. Wenn ich mir die neuen ICE-Sprinterzüge anschaue, die zwischen Düsseldorf und München fahren, die sorgen dafür, dass die S-Bahn nicht mehr im Takt ist. Die Bahn ist mit der Infrastruktur am Limit. Die zu schaffen dauert, darum muss man das schnell angehen, damit in zehn Jahren nicht die Kapazitäten fehlen. Wir fahren auf einem System, das auf Kante genäht ist.

    Zur Person Lukas Iffländer, 31, aus München ist neuer Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn in Bayern.

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