Frau Münch, sprechen wir darüber, wie Politikerinnen und Politiker gerade mit den Menschen im Land kommunizieren. Man beobachtet ein ganz schönes Hin und Her, vor allem beim Thema Corona. Wie kommt das bei den Bürgerinnen und Bürgern an?
URSULA MÜNCH: Die Pandemie war bisher nun mal so, dass die Politik oft kurzfristig ihre Strategie ändern musste und muss. Das erste Problem dabei ist aber, dass eben dieses Hin und Her in der Bevölkerung so ankommt, als würden Politikerinnen und Politiker gar nicht wissen, was sie da eigentlich machen. Das zweite ist die Frage, ob die Politik ihre Kursänderungen den Menschen auch ausreichend klar vermitteln konnte und ob sie das überhaupt versucht hat.
Warum wäre das wichtig?
MÜNCH: Ein großer Teil der Bürgerinnen und Bürger fragt nach, will Klarheit und Transparenz, doch bekommt dies von der Politik häufig nicht. Warum, woran liegt das? Entweder an der Unfähigkeit der Politiker oder daran, dass dabei etwas ganz anderes eine Rolle spielt, wie und was in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Zum Beispiel eine verlorene Bundestagswahl. Aber: Dass die Erwartungen der Bevölkerung und das, was die Politik dann tatsächlich tut, nicht immer übereinstimmen, kann man keinesfalls nur der Politik vorwerfen. Aufmerksame Menschen sollten mitbekommen haben, dass man gerade bei Corona jetzt vieles weiß, was man am Anfang nicht wissen konnte.
Trotzdem sind viele Menschen frustriert und verdrossen.
MÜNCH: Das hat natürlich einerseits mit der Pandemie zu tun. Zum anderen kann man Politikern durchaus vorwerfen – auch der Bayerischen Staatsregierung, sprich Söder –, dass sie ihren Kurs nicht nur an den objektiven Corona-Fakten orientiert, sondern dass es auch viel um Parteipolitik geht. Das gehört zu unserer Demokratie und zum föderalen System dazu. Aber es steigert den allgemeinen Verdruss und die Unzufriedenheit der Menschen.
Da wird es nicht besser, dass mit dem Russland-Ukraine-Konflikt schon wieder die nächste neue Krise vor der Tür steht.
MÜNCH.: Das und Corona sind beides Themen, die die Leute deprimieren und frustrieren. Das hat leider bei Vielen zur Folge, dass sie gar nicht mehr genau zuhören wollen, weil sie sagen, es gibt ja sowieso nur schlechte Nachrichten. Hinzu kommt, das zeigt eine Umfrage der Münchner Sicherheitskonferenz, dass die Bevölkerung den Eindruck hat, dass unsere Politikerinnen und Politiker von diesen Krisen überfordert sind.
Und ist es so?
MÜNCH: Sie sind nicht unfähig und man kann auch von ihnen erwarten, dass sie damit umzugehen wissen. Aber diese Krisen sind so vielschichtig und auch gar nicht von einem einzelnen Nationalstaat zu lösen. Da müssen Absprachen getroffen werden, manchmal mit vielen anderen Ländern. Das Leben war selten so kompliziert wie heute, alles hängt mit allem zusammen. Da gibt es nicht die eine grandiose Lösung. Und das ist für viele Leute verständlicherweise eine deprimierende Botschaft.
Warum aber kann das nicht einfach mal so deutlich ausgesprochen werden?
MÜNCH: Politiker stehen unter einer digitalen und medialen Dauerbeobachtung bei allem was sie tun. Sie sind in eine Koalition eingebunden, in einem föderalen System ohnehin. Sie müssen sich ständig mit allen abstimmen. Da kann man am Abend nicht in einem Interview auftreten und sagen „So oder so ist es und so machen wir es“, weil eine einzige Person das meist allein gar nicht entscheiden kann.
Was hat das zur Folge?
MÜNCH: Die politische Sprache wird immer vorsichtiger, ja gar schablonenhaft – das können die Leute nicht mehr hören.
Müsste die Politik also mehr darüber sprechen, warum sie sich so vage halten muss und manche Dinge nicht deutlicher aussprechen kann?
MÜNCH: Ich fände es sinnvoll. Man sollte erklären, wie Entscheidungen zustande kommen. Was steckt dahinter, warum kann man so selten präzise und klare Ansagen machen. Das wäre eine wichtige Funktion – im Übrigen auch der Medien. Doch der entscheidende Punkt ist: Die Leute müssen solche Erklärungen und Moderationen natürlich auch zur Kenntnis nehmen. Das Senden und Schreiben genügt nicht, wenn die Menschen vor lauter Überflutung, Desinteresse und Verdruss das nicht zur Kenntnis nehmen. Dann kann man machen, was man will, und es ändert nichts.
Zur Person
Ursula Münch, 61, ist Politikwissenschaftlerin und seit 2011 Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberger See.