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Interview: Spitzenkandidat Hagen: "Für die FDP ist es keine g'mahde Wiesn"

Interview

Spitzenkandidat Hagen: "Für die FDP ist es keine g'mahde Wiesn"

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    Im Interview äußert sich FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen auch zu Aiwangers Flugblatt-Affäre.
    Im Interview äußert sich FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen auch zu Aiwangers Flugblatt-Affäre. Foto: Ralf Lienert

    Herr Hagen, die CSU und die Freien Wähler schlagen sich mit einer Affäre herum, aber Ihre Partei, die FDP, kann davon offenbar nicht profitieren. Sie verharrt in Umfragen bei vier Prozent. Für Sie als

    Martin Hagen: Wenn die politische Debatte über 14 Tage hinweg von einer Person überlagert wird, fällt es natürlich schwer, mit Sachthemen durchzudringen. Wir hätten im Wahlkampf gerne über Wirtschaft, über Bildung, über eine bürgerfreundliche, digitale Verwaltung gesprochen. Zuletzt aber ging es nur um Hubert Aiwanger, seine Schulzeit und seinen heutigen Umgang damit. Bis zum Wahltag wird sich aber der Fokus wieder verschieben und wir werden über echte Anliegen der Menschen im Land reden können.

    Die Wählerinnen und Wähler sind in der Auseinandersetzung um Aiwanger gespalten. Sie haben bei der Sondersitzung des Landtags vergangene Woche versucht, eine Mittlerrolle einzunehmen.

    Hagen: Das ist eine Rolle, die einer liberalen Partei gut ansteht: Wir wollen auch im Umgang mit solchen Affären Maß und Mitte wahren. Die Vorwürfe, die da im Raum stehen, sind gravierend. Aber sie betreffen eine Zeit, die 36 Jahre her ist. Für uns hat jeder Mensch das Recht, sich zu ändern und Fehler zu korrigieren. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Und das muss sich Aiwanger natürlich vorwerfen lassen: den Mangel an Aufrichtigkeit und Demut. Von uns gab es aber keine reflexhaften Rücktrittsforderungen, sondern den Wunsch nach Aufklärung.

    Am Ende hat aber auch Ihre Fraktion für die Entlassung des Wirtschaftsministers gestimmt. Warum?

    Hagen: Weil er die Chance nicht genutzt hat, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen. Wir hatten eine Ministerbefragung beantragt. Das haben CSU, Freie Wähler und AfD abgelehnt. Aiwanger hätte trotzdem die Gelegenheit gehabt, in der Debatte das Wort zu ergreifen. Ich habe in meiner Rede angekündigt, dass wir ihn daran messen werden. Auch das ist nicht erfolgt. Dass Aiwanger im Landtag überhaupt keine Anstrengungen unternommen hat, Vorwürfe auszuräumen und Zweifel zu zerstreuen, hat mich enttäuscht. Unter diesen Bedingungen konnten wir ihm unser Vertrauen natürlich nicht aussprechen.

    Wie beurteilen Sie die Umfragen? Ihre Partei liegt da ja schon länger unter der Fünf-Prozent-Marke.

    Hagen: Bis zum Wahltag sind es noch dreieinhalb Wochen und wir stehen in Schlagdistanz zu unserem Wahlziel – dem Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag. Ein Prozentpünktchen zulegen, das ist machbar. Natürlich wäre es uns lieber, wir wären jetzt schon am sicheren Ufer und könnten dem 8. Oktober entspannt entgegenblicken. Aber angesichts der politischen Situation, auch auf die Stimmung bundesweit bezogen, war klar, dass es für die FDP keine g'mahde Wiesn ist in Bayern, sondern dass wir kämpfen müssen. Aber kämpfen, das können wir.

    Sie meinen, wenn es in Berlin besser laufen würde, wäre es auch in Bayern einfacher?

    Hagen: Bundespolitische Stimmungen spielen bei einer Landtagswahl immer eine Rolle. Ich glaube, dass die FDP in der Bundesregierung eine wichtige Funktion hat - als Korrektiv gegen höhere Steuern, gegen eine hemmungslose Staatsverschuldung, gegen praxisuntaugliche Vorhaben wie den ursprünglichen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes. Darüber hinaus gelingt es der FDP auch zunehmend, als gestaltende Kraft erkennbar zu werden: Finanzminister Christian Lindner hat kürzlich das Wachstumschancengesetz vorgelegt, Justizminister Marco Buschmann das Bürokratieentlastungsgesetz. Das sind zwei liberale Gesetze, die genau zur richtigen Zeit kommen, um unsere kriselnde Wirtschaft in Fahrt zu bringen. Aber das Gesamterscheinungsbild der Ampel leidet natürlich unter den vielen Streitereien. Das überschattet die Erfolge.

    Sind in der Ampelkoalition drei Parteien beieinander, die nicht zusammenpassen?

    Hagen: Es sind drei Parteien in dieser Regierung, die sehr unterschiedliche Positionen haben. Insbesondere FDP und Grüne sind häufig geradezu Gegensätze. Wir haben ein ganz unterschiedliches Verständnis vom Verhältnis von Bürger und Staat: Bei uns steht der mündige Bürger, der selbstbestimmte Entscheidungen trifft, im Vordergrund. Bei den Grünen eher ein Staat, der den Einzelnen zu seinem vermeintlichen Glück zwingt. Klar wäre es mit Schwarz-Gelb einfacher. Aber es bringt nichts, darüber zu lamentieren - die Mehrheiten im Bundestag sind so, wie sie sind. Umso wichtiger ist eine starke FDP.

    Markus Söder (CSU) will auch künftig mit dem umstrittenen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) koalieren.
    Markus Söder (CSU) will auch künftig mit dem umstrittenen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) koalieren. Foto: Lukas Barth-Tuttas, dpa (Archivbild)

    Nur mal angenommen, Sie nehmen die Fünf-Prozent-Hürde – dann haben Sie immer noch keine Machtoption, weil CSU-Chef Markus Söder erneut eine Koalition mit den Freien Wählern will.

    Hagen: Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt, was die Koalitionsfrage angeht. Söder handelt jetzt nach dem Motto „Augen zu und durch!“. Er hat sich zu früh auf die Freien Wähler festgelegt und möchte seine Wahlkampfstrategie jetzt offenbar nicht mehr umwerfen, obwohl viele in seiner Partei die Eskapaden von Hubert Aiwanger leid sind. Nach der Wahl wird es darum gehen, was das Beste für Bayern ist. Ich bin davon überzeugt, dass die FDP als seriöse, bürgerlich-liberale Kraft der Staatsregierung guttun würde.

    Begründung?

    Hagen: Ich glaube, dass wir insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Bildung Defizite haben – also in den Ressorts, die von den Freien Wählern verantwortet werden. Die bayerische Wirtschaft bräuchte zum Beispiel dringend sichere und bezahlbare Energie. Da war Aiwanger immer ein Bremsklotz. Wir haben viel Wind in Norddeutschland und viel Industrie im Süden. Man muss den Windstrom also von der Küste zu uns transportieren. Aiwanger hat die dafür notwendigen Stromleitungen immer bekämpft, hat sie als „Monstertrassen“ diffamiert.

    Tatsächlich sind sie die Lebensadern für unsere Industrie. Und auch in der Bildungspolitik sind die Defizite offensichtlich: Es fehlen etwa 4000 Lehrkräfte. Jeden Tag fällt in Bayern Unterricht aus und Kultusminister Piazolo leugnet das einfach. Die Augen vor Problemen zu verschließen, löst sie aber nicht. Die FDP möchte das gerne besser machen – wenn die Bürgerinnen und Bürger uns dafür am 8. Oktober ein Mandat erteilen.

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