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Sozialministerin im Interview: Ulrike Scharf: "Kabinettsumbildung ist kein Wunschkonzert"

Sozialministerin im Interview

Ulrike Scharf: "Kabinettsumbildung ist kein Wunschkonzert"

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    Ihr erster Arbeitstag wurde überschattet von Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine. Zwei Wochen später muss sich Bayerns neue Sozialministerin Ulrike Scharf um die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Kriegsregion kümmern.
    Ihr erster Arbeitstag wurde überschattet von Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine. Zwei Wochen später muss sich Bayerns neue Sozialministerin Ulrike Scharf um die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Kriegsregion kümmern. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Frau Scharf, was halten Sie davon, wenn wir diesem Interview den Arbeitstitel geben „Eine Frau kämpft sich zurück nach oben“? Gefällt Ihnen das?

    Ulrike Scharf: Ja, der Titel könnte mir gefallen. Das trifft es ganz gut.

    Sie waren lange Umweltministerin in Bayern, haben das Riedberger Horn vor einer weiteren Verbauung durch einen Lift gerettet und – allerdings vorerst vergeblich – für einen dritten Nationalpark gekämpft. Aber plötzlich war Schluss. Hat das wehgetan?

    Scharf: Ja, das hat es. Ich will mich nicht selbst überschätzen, aber ich habe im Umweltministerium wirklich einiges auf den Weg gebracht. Das Riedberger Horn ist für mich heute noch eine Herzensangelegenheit. Ich kann in dieser Sache immer noch alle Argumente im Schlaf aufsagen. Ein Klimaschutzgesetz wollte ich damals übrigens auch auf den Weg bringen, aber die Zeit war noch nicht reif.

    Als Sie Ihren Job los waren, haben Sie sich schnell in der Landespolitik zurückgemeldet, als Vorsitzende der Frauen-Union in Bayern.

    Scharf: Richtig. 2018 war ich raus aus dem Kabinett und 2019 stand bei der Frauen-Union die Wahl einer neuen Landesvorsitzenden an. Da habe ich mein Interesse bekundet, weil ich zu der Zeit bereits seit zehn Jahren Vorsitzende der Frauen-Union in Oberbayern war. Ich bin dann auch gewählt worden.

    Nun hat Ministerpräsident Markus Söder Sie als Sozialministerin ins Kabinett zurückgeholt. Können Sie da Chefin der Frauen-Union bleiben?

    Scharf: Wenn die Frauen in der Frauen-Union das wollen, dann würde ich das sehr gerne auch weiterhin machen.

    Lässt sich das unter einen Hut bringen?

    Scharf: Natürlich. Als Sozialministerin bin ich ja zugleich Frauenbeauftragte der Staatsregierung. Viele Frauenthemen sind bei mir im Ministerium und mir ist die Arbeit in der Frauen-Union sehr wichtig. Ich verstehe das als Einheit.

    Beißt sich das nicht – die Staatsregierung wegen der Frauenquote in die Pflicht nehmen wollen und zugleich Mitglied dieser Staatsregierung sein?

    Scharf: Nein. Eine der zentralen Aufgaben der Frauen-Union ist, die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen einzufordern. Das vertrete ich auch als Ministerin. Selbstverständlich wäre es mir lieber, wenn ich im Kabinett weiterhin vier Kolleginnen aus meiner Fraktion hätte. Das hat jetzt bei dieser Kabinettsumbildung leider nicht funktioniert, aber dafür haben wir mit Tanja Schorer-Dremel eine weitere Frau als stellvertretende CSU-Generalsekretärin in der Führungsebene der Partei. Wir achten wirklich sehr darauf, in dieser Sache etwas nach vorne zu bringen. Und wir hatten erstmals eine paritätisch besetzte Wahlliste für die Bundestagswahl. Da sagen zwar viele, dass das nichts nützt, weil es bei uns ja vorrangig um die Direktmandate geht. Aber tatsächlich ist das für unsere Partei ein riesiger Schritt nach vorne und ein wichtiges Signal.

    Das Sozialministerium war, wie es heißt, nicht Ihr Wunschministerium. Haben Sie sich schon eingearbeitet? Haben Sie einen Plan?

    Scharf: Ich bin mittendrin, komme ja ursprünglich aus der Wirtschaft, war vier Jahre Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Landtags und auch im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr.

    Sie wären also lieber Bauministerin geworden?

    Scharf: Das hätte ich mir vorstellen können und es wäre nach der langen Ausschussarbeit vielleicht auch nahegelegen. Aber so eine Kabinettsumbildung ist kein Wunschkonzert. Jetzt, nach zwei Wochen im Amt, muss ich sagen: Ich fühle mich ausgesprochen wohl im Sozialministerium. Die Themen sind vielfältig. Hier zeigt sich die ganze Bandbreite des Lebens. Das ist eine schöne Aufgabe, die mir wirklich große Freude macht.

    Am Tag der Kabinettsumbildung von links: Sandro Kirchner, neuer Staatssekretär im Innenministerium, Christian Bernreiter, neuer Bau- und Verkehrsminister, Ministerpräsident Markus Söder, Ulrike Scharf, neue Sozialministerin und Markus Blume, neuer Wissenschaftsminister.
    Am Tag der Kabinettsumbildung von links: Sandro Kirchner, neuer Staatssekretär im Innenministerium, Christian Bernreiter, neuer Bau- und Verkehrsminister, Ministerpräsident Markus Söder, Ulrike Scharf, neue Sozialministerin und Markus Blume, neuer Wissenschaftsminister. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Über einige dieser Themen sollten wir reden. Es gab hier im Landtag jüngst einige Aufregung. Über Jahre hinweg wurde benachteiligten Jugendlichen beim Berufseinstieg geholfen. Pro Jahr konnten durch individuelle Betreuung rund 3500 Jugendliche in eine Ausbildung gebracht werden, die anders keine Chance gehabt hätten. Dieses erfolgreiche Programm soll, weil von der EU dafür kein Geld mehr kommt, gestrichen werden. Können Sie da was tun?

    Scharf: Ich werde mir das in den nächsten Wochen noch intensiver anschauen. Nach allem, was ich bisher gesehen habe, war das in der Tat ein sehr erfolgreiches Programm. Aber zunächst gilt, dass die inhaltliche Kompetenz dafür beim Kultusministerium liegt. Das ist in der Diskussion immer etwas falsch angekommen, weil das Sozialministerium die Finanzierung verwaltet. Aber zuständig ist tatsächlich, ohne dass ich hier etwas wegschieben will, das

    Die Opposition ist über Parteigrenzen hinweg anderer Meinung und fordert, ein solches Programm dürfe nicht am Kompetenzgerangel zwischen einem CSU- und einem Freie-Wähler-Ministerium scheitern.

    Scharf: Klar sollte sein, dass wir uns nicht auf dem Rücken der Betroffenen um Zuständigkeiten streiten dürfen. Ich persönlich würde gerne an dem Programm festhalten. Aber es ist vergleichsweise teuer. Es gibt haushalterische Zwänge, die eine weitere Finanzierung des Programms nicht ohne Weiteres zulassen. Der Europäische Sozialfonds, aus dem die Mittel kamen, hat andere Prioritäten gesetzt. Und es geht, anders als das oft dargestellt wird, nicht nur um ein Jahr. Wenn wir da weitermachen wollen, dann muss das nachhaltig finanziert werden. Ich werde in meinem Haus einen Kassensturz machen. Klar ist schon jetzt, dass wir das nicht alleine stemmen können.

    Das zweite Thema ist der Krieg in der Ukraine. Es kommen zu uns viele Frauen und Kinder. Da ist das Sozialministerium besonders gefordert.

    Scharf: Richtig. Mein erster Arbeitstag war auch der erste Kriegstag. Das wird mir immer in Erinnerung bleiben. Statt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium Grüß Gott zu sagen, ging es gleich um die Fragen: Wo sind wir gefordert? Was können wir tun, um zu helfen? Wir haben sofort eine Videoschalte mit der bayerischen Wohlfahrtspflege organisiert und umgehend ein Hilfetelefon als erste zentrale Anlaufstelle eingerichtet – zum einen für Menschen aus der Ukraine, die hier leben und sich Sorgen machen, weil sie ihre Angehörigen nicht mehr erreichen können, zum anderen für Menschen, die Flüchtlingen helfen wollen. Außerdem bereiten wir uns speziell darauf vor, den Kindern zu helfen. Da geht es zunächst um Sprachkurse, dann mit einem Stufenkonzept um die weitere Betreuung und Integration in die Kitas. Das alles muss organisiert werden, geht aber nicht von heute auf morgen.

    Bei dem Hilfetelefon kann jeder anrufen, egal ob es um soziale oder um andere Fragen zur Ukraine geht.

    Scharf: Genau. Wir machen das in enger Abstimmung mit dem Innenministerium, das ja für Registrierung, Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten zuständig ist. Momentan sitzen drei Personen an dem Telefon, aber wir werden das noch aufstocken müssen. Sie sprechen alle ukrainisch, russisch, deutsch und englisch. Bis gestern hatten wir rund 3000 Anrufe. Das Telefon steht nicht still, was zeigt, wie wichtig dieses Hilfsangebot ist. Etwa 60 Prozent der Anruferinnen und Anrufer kann direkt von uns geholfen werden, 40 Prozent leiten wir an zuständige Stellen, also Behörden oder Hilfsorganisationen weiter.

    Gibt es neben dem aktuellen Krisenmanagement noch etwas, das Sie besonders beschäftigt?

    Scharf: Ja, allerdings. Es ist die massive soziale Frage, die sich aus der aktuellen Situation für die Menschen bei uns ergibt. Die Energiepreise explodieren und damit steigen auch die Lebenshaltungskosten sehr stark an. Das trifft Rentnerinnen und Rentner, sozial Schwächere, Alleinerziehende und auch die vielen Berufspendler in Bayern besonders hart. Ich frage mich wirklich, wie lange die Bundesregierung noch tatenlos zuschauen will. Der Bund muss sofort handeln und nicht erst, wenn der Spritpreis bei drei Euro liegt. Mit der Pendlerpauschale wurde ein Anfang gemacht, aber das reicht hinten und vorne nicht. Wir brauchen zielgerichtete Steuersenkungen – und zwar kräftig und sehr schnell.

    Zur Person:Ulrike Scharf (CSU) ist seit der Kabinettsumbildung vor gut zwei Wochen bayerische Sozialministerin. Von 2014 bis 2018 leitete die 54-Jährige das Staatsministerium für Umwelt und Soziales. Scharf stammt aus Erding und hat einen Sohn.

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