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Interview: Münchens Stadtwerke-Chef: "Der Ausbau des Fernwärmenetzes kann bald beginnen"

Interview

Münchens Stadtwerke-Chef: "Der Ausbau des Fernwärmenetzes kann bald beginnen"

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    Ein Mitarbeiter der Stadtwerke München im Heizkraftwerk Süd. Die Energie für den Fernwärme-Ausbau soll "aus tiefer Geothermie" kommen.
    Ein Mitarbeiter der Stadtwerke München im Heizkraftwerk Süd. Die Energie für den Fernwärme-Ausbau soll "aus tiefer Geothermie" kommen. Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Herr Bieberbach, die Ampel-Koalition hat sich auf die Leitlinien des umstrittenen Heizungsgesetzes verständigt, wichtige Details sind noch offen. Es war ein großer Kampf zwischen SPD, Grünen und FDP. Die Stadtwerke sollen es jetzt richten und die Fernwärme massiv ausbauen. Sind Sie zufrieden mit dem Auftrag, den Sie da bekommen haben?

    Florian Bieberbach: Er ist ja noch nicht ganz genau ausgearbeitet, aber im Großen und Ganzen bin ich mit der Richtung zufrieden. Ich finde es richtig, dass man jetzt die Wärmeplanung in den Kommunen als Ausgangspunkt verwendet. Sie muss die Grundlage dafür sein, wie wir den CO2-Ausstoß beim Heizen senken. Damit werden unnötige Investitionen vermieden. In München läuft die Wärmeplanung schon, sie soll Ende des Jahres fertig sein. Dann kann jeder und jede schauen, was in seinem oder ihrem Viertel geplant ist.

    Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH.
    Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH. Foto: Maik Kern

    Die Ampel-Koalition will den Städten für die Wärmeplanung je nach Größe bis 2026 oder 2028 Zeit geben. Wenn sie in München Ende des Jahres steht, kann dann der Ausbau des Fernwärmenetzes richtig losgehen?

    Bieberbach: Also bei uns in München läuft der Ausbau schon. Es gab schon vor der ganzen Aufregung um das Heizungsgesetz eine sehr hohe Nachfrage nach Fernwärme. Jetzt besteht seitens der Politik die große Erwartungshaltung, den Ausbau nochmal stark zu beschleunigen. Das kann tatsächlich bald beginnen, ist aber auch eine Kapazitätsfrage. Die Baufirmen müssen ja erst einmal Leute einstellen, zusätzliche Maschinen beschaffen und die Rohrlieferanten mehr produzieren. In München waren die Baufirmen in den letzten Jahren bereits am Limit.

    Wie viele Wohnungen könnten Sie in München eigentlich pro Jahr an die Fernwärme anschließen?

    Bieberbach: Aktuell versorgen wir rund 11.500 Hausanschlüsse. Wie viele Haushalte jeweils dahinter sind, wissen wir nicht im Detail, nach unserer Hochrechnung sind es etwa 280.000 Haushalte. Und bisher kommen jedes Jahr rund 15.000 dazu.

    Und was kostet ein Meter Fernwärme?

    Bieberbach: Die Zahlen gehen weit auseinander. Es hängt davon ab, wo wir die Rohre verlegen. Im dicht bebauten Stadtzentrum sind es zwischen 3000 und 4000 Euro. In Stadtrandlagen oder in Gemeinden im Umland ist es günstiger, hier liegen die Preise bei gut 2000 Euro.

    Je mehr Leute Sie in einem Straßenzug anschließen, desto günstiger wird die Investition für den Einzelnen. Es macht einen Unterschied, ob die Summe auf zehn Häuser umgelegt wird, oder auf zwei. Braucht es deshalb einen Anschlusszwang an die Fernwärme?

    Bieberbach: Ich bin eher skeptisch, was einen Anschlusszwang betrifft. Ich bin sowieso grundsätzlich skeptisch bei jeder Art von Zwang. Man hat ja auch gesehen, dass die Bevölkerung auf den Zwang zur Wärmepumpe nicht eben begeistert reagiert hat. Die Nachfrage nach Fernwärme in München ist groß und deshalb braucht es auch keinen Zwang.

    Uns hat ein Leser geschrieben und beklagt, dass in München Fernwärme mit 17 Cent je Kilowattstunde sehr teuer sei. Wachen die Leute mit enormen Energierechnungen auf, wenn die Fernwärme in ihre Häuser eingezogen ist?

    Bieberbach: Für Fernwärmekunden greift derzeit auch die Energiepreisbremse, die bei 9,5 Cent je Kilowattstunde liegt. In München ist es allerdings so, dass der Fernwärmepreis im Vergleich zu anderen Städten übers Jahr schwanken kann. Denn wir passen die Preise vierteljährlich an, angelehnt an die Entwicklungen an den Energie-Großhandelsmärkten. Andere Versorger passen ihre Preise teils nur halbjährlich oder jährlich an. Wir haben unsere Preise schon im April gesenkt. Der Brutto-Arbeitspreis liegt derzeit bei 16,2 Cent pro Kilowattstunde und sinkt zum 1. Juli weiter auf 14,8 Cent, während andere Versorger gerade die Preise erhöhen. Auch für die 14,8 Cent gilt, dass Kundinnen und Kunden nur die 9,5 Cent zahlen. Die Differenz übernimmt der Staat über die Preisbremse.

    Die Energieversorger werden Milliarden in die Fernwärmenetze stecken müssen. Am Ende müssen die Investitionen von den Kunden bezahlt werden. Wird Fernwärme dadurch noch teurer?

    Bieberbach: Das ist einer der Gründe, warum ich skeptisch bin beim Anschlusszwang. Solange die Fernwärme im Wettbewerb steht, müssen wir als Anbieter ein attraktives Angebot machen, das Kundinnen und Kunden annehmen.

    Aber wer zahlt die Investitionen im Milliardenbereich?

    Bieberbach: Natürlich werden die Kundinnen und Kunden einen Teil davon bezahlen. Aber die Kosten werden auf Jahrzehnte gestreckt, was sie erträglich macht. Und der Staat hat angekündigt, den Ausbau finanziell zu unterstützen. Wer sich für Fernwärme entscheidet, hat viel davon. Im Haus wird ein Raum gewonnen, wo bislang die Gas- oder Ölheizung steht. Die Wartung für die Heizung fällt weg. Und was man nicht vergessen darf: Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist bei der Fernwärme für den Einzelnen viel leichter. Hauseigentümerinnen und -eigentümer können mit ihren Heizkörpern weitermachen und brauchen ihre Häuser nicht so aufwändig zu dämmen, wie es für eine Wärmepumpe nötig wäre.

    Allerdings fällt eine Anschlussgebühr an …

    Bieberbach: Ja, es wird eine einmalige Anschlussgebühr fällig, wie bei Gas auch. Die schwankt stark, je nach Stadtgebiet und Kosten für die Erschließung. Je nach Anschlussleistung und Länge der Hausanschlussleitung kostet ein Hausanschluss für ein Mehrfamilienhaus abzüglich Förderung derzeit zwischen 12.000 und 23.000 Euro.

    Braucht München künftig ein neues Heizkraftwerk? Oder wo holen Sie die Energie her für all die Häuser, die Fernwärme bekommen sollen?

    Bieberbach: Wir wollen die Energie zum weit überwiegenden Teil aus tiefer Geothermie holen, ergänzt durch Großwärmepumpen. Hinzu kommt die Müllverbrennung, von der wir glauben, dass sie weiter bleiben wird. Biomasse wird auch einen kleinen Anteil leisten, weil sie sehr flexibel und schnell hohe Temperaturen im Winter bringt. Und natürlich wollen wir unsere drei Heizkraftwerke von Gas auf grünen Wasserstoff umstellen.

    Zur Person Florian Bieberbach ist seit 2013 Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH (SWM), eines der größten kommunalen Unternehmen Deutschlands mit einem Konzernumsatz von 10,6 Milliarden Euro im Jahr 2022.

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