Frau Glas, man kann auf vielfältige Art und Weise in dieses Gespräch einsteigen. Vielleicht mal so: „Uschi ist eine Göttin, nicht ganz von dieser Welt, aber doch unüberhörbar aus Niederbayern.“ Das hat der Kollege Willi Winkler von der Süddeutschen Zeitung vor fast auf den Tag genau dreißig Jahren geschrieben. Wie würden Sie sich denn selbst beschreiben?
Uschi Glas: Ich bin ein normaler Mensch, mache meinen Beruf sehr gerne und habe auch sehr viel Glück in meinem Leben gehabt. Ich kann mich nicht beschweren, es ist eigentlich alles gut.
Viele Menschen würden Sie als Powerfrau bezeichnen. Was macht denn aus ihrer Sicht eine starke Frau aus?
Glas: Ich glaube, das Wichtigste ist für Frauen, das habe ich auch in meinem Buch „Ein Schätzchen war ich nie“ herausgestellt, dass man immer bei sich bleibt, dass man für sich selbst der beste Freund ist. Das war auch in meinem Beruf, vor allem, als ich jung war, ganz wichtig. Dass du wirklich sagst: Das möchte ich machen und das nicht. Ich verstehe unter Emanzipation Augenhöhe. Und nicht, dass man sich die Klamotten vom Leib reißen darf. In den 68ern hat man das ja noch als Befreiung empfunden. Da hatte ich damals schon keine Lust dazu.
Ihr Durchbruch kam mit „Zur Sache, Schätzchen“. Sie haben damals für Aufsehen gesorgt, weil Sie sich nicht auszogen, sondern dieses legendäre Korsett trugen. Das war ein großer Schritt in Richtung Emanzipation. Wie ist das damals angekommen?
Glas: Unterm Strich ist das gut angekommen – klar, der Film wurde ein riesengroßer Erfolg. Aber zuvor gab es schon Diskussionen. Ich hätte doch so eine hübsche Figur und es würden sich doch alle ausziehen, das sei Freiheit. Ich bin dann zu meiner Schneiderin gegangen und habe gesagt, dass ich lieber eine sexy Corsage hätte. Und das hat sie dann gemacht. Ich bin dann noch in eine Boutique gegangen und habe gesagt: Ich brauche ein Kleid, das mir mit einem Schwupps vom Körper fällt. Und drunter war dann eben die schneeweiße Korsage.
Würden Sie sagen, dass Sie eine Feministin sind?
Glas: Nein, nicht in dem Sinn, wie es meine Freundin Alice Schwarzer ist. Ich verteidige Frauen, aber ich bin keine Männerhasserin. Ich finde, dass wir miteinander auskommen müssen - und nicht gegeneinander arbeiten dürfen. Wenn man immer den Mann als Feind sieht, das kann ich nicht nachvollziehen.
„Zur Sache, Schätzchen“ war sicher Ihr Durchbruch, bekannt wurden Sie aber vorher durch „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“. Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit Pierre Brice und Lex Barker?
Glas: Das war meine allererste Hauptrolle. Ich wurde nach Berlin zu Probeaufnahmen eingeladen und auf dem Gang standen lauter Mädchen, die wie ich aussahen. Ich habe dann den Zuschlag bekommen und wir sind ins ehemalige Jugoslawien gefahren. Winnetou-Filme kannte ich und dann traf ich Pierre Brice und Lex Barker, richtige Stars. Aber die waren so normal und so rücksichtsvoll. Sie waren nie arrogant, sondern wirklich toll. Meine Eltern haben mich damals am Set besucht. Und da hat mein Vater gesehen, dass das wirklich ein Beruf ist – und zwar ein anstrengender. Vorher dachte er immer, wir sitzen nur in der Hollywoodschaukel und trinken Champagner.
Wie lebt es sich denn als Star?
Glas: Wenn man so jung so großen Erfolg hat - ich hatte ja keinen einzigen Flop, hab ständig gearbeitet und wurde so verwöhnt - da muss man zu sich selbst sagen: Pass auf, bleib am Boden, lass dich nicht zu irgendwelchen Allüren verführen. Ich habe mir angewöhnt, mir selbst Rechenschaft abzulegen und am Abend in den Spiegel zu schauen und mich zu fragen, ob der Tag gut gelaufen ist. Und mir war es immer wichtig, normal zu leben. Ich kenne Kollegen, die sich nicht mehr aus dem Haus trauen. Ich gehe aufs Oktoberfest, ich gehe einkaufen, ich habe meine Kinder von der Schule abgeholt.
Hand aufs Herz, waren Sie Teil der Münchner Schickeria?
Glas: Nein, da hab ich nie dazu gehört, das ist eine ganz bestimmte Gruppe gewesen. Das gibt es heute auch nicht mehr so. Ich war ja auch immer viel unterwegs. Und es war nicht mein Bestreben, Teil der Schickeria zu sein. Bussi-Bussi, das bin ich nicht.
Hat Sie Hollywood auch nie gereizt?
Glas: Tatsächlich hätte ich die Chance gehabt. Meine Agentur wollte mich unbedingt dorthin bringen. Ich hatte da schon in Italien, Frankreich und Spanien gedreht, und der nächste Schritt wäre Hollywood gewesen. Aber ich wollte auch eine Familie. Mir war klar: In Amerika fängst du absolut bei null an. Und wahrscheinlich darfst du dann jahrelang Türklinken putzen und dann vielleicht eine KZ-Aufpasserin spielen. Und da hätte ich überhaupt keine Lust gehabt.
Sie haben oft mit Elmar Wepper gedreht, sie beide waren für viele das bayerische Serien-Traumpaar. War da nie mehr als Kollegialität?
Glas: Nein, da war nie mehr. Der Elmar ist ein ganz toller und fairer Kollege gewesen und wir hatten ein großes Vertrauen zu einander und haben uns gut verstanden. Ich habe mit keinem anderen Kollegen so viel gedreht wie mit dem Elmar und wir haben uns nur ein einziges Mal gestritten. Da ging es um einen Maikäfer.
Um einen Maikäfer?
Glas: Wir haben in Venedig gedreht und saßen zum Abendessen in einem Restaurant. Plötzlich kam ein Mann zu uns, der ein Glas dabei hatte, in dem ein Maikäfer saß – weil ich vorher erzählt hatte, dass mein Sohn Benjamin noch nie einen Maikäfer gesehen hatte. Diesen Maikäfer wollte ich ihm ins Hotel mitbringen. Der Elmar hat dann meinen Maikäfer fliegen lassen. Ich war stocksauer. Am nächsten Tag hatte er das schlechteste Gewissen. Und ich musste lachen, wir waren wieder die besten Freunde und einen Maikäfer hat der Benjamin wann anders gesehen.
Drehen Sie aktuell einen neuen Film oder eine Serie?
Glas: Gerade habe ich einen Fernsehfilm abgedreht, und nächstes Jahr drehen wir den dritten Teil von „Max und die wilde 7“, ein Kinofilm für Kinder. Außerdem habe ich mit Katharina Thalbach eine Krimikomödie gemacht. Solange ich Angebote bekomme und mir das Buch gefällt, drehe ich weiter.
Mit 80 Jahren arbeiten Sie nach wie vor und haben mal gesagt: Wer übers Älterwerden jammert, soll halt früher sterben.
Glas: Ich finde es in der Tat zynisch, wenn man sich aufregt, dass man älter wird. Man muss froh sein, dass man noch aus dem Bett kommt. Es sterben so viele junge Menschen durch Krankheiten oder Unfälle.
Sie haben gerade in einem Altenheim gedreht. Wäre das für Sie eine Option, ins Altenheim zu gehen?
Glas: Jetzt fühle ich mich nicht so, ich bin Gott sei Dank gesund, aber man weiß nie, was passiert. Und ein Altenheim ist ja nicht nur grausam und entsetzlich. Es gibt Heime, wo es wirklich schön ist. Ich habe viele Häuser besucht, ich bin ja in der Patientenschutzorganisation. Ich bin auch in Hospize gegangen. Als ich da ankam, war eine so schöne Stimmung. Die Bewohner haben sich so gefreut. Ich habe begriffen, dass die Menschen, die wissen, dass sie den letzten Weg gehen, jede Sekunde genießen. Da ist jeder Tag wertvoll.
Sie engagieren sich noch in weiteren Bereichen. Denn auch im reichen Bayern gibt es Menschen, die bedürftig sind. Mit Ihrem Projekt „brotZeit“ sorgen Sie dafür, dass Schulkinder ein kostenloses Frühstück bekommen. Wie kam es denn zu diesem Projekt?
Glas: Ich habe 2008 einen Radiobericht gehört, wo erzählt wurde, dass es in der reichen Stadt München zwischen 3000 und 5000 massiv hungernde Grundschulkinder gibt. Die ohne Essen in die Schule gehen, Bauchschmerzen haben, aggressiv oder traurig sind. Das ist mir so ins Herz geschossen. Mein Mann hat dann gesagt, dass wir da jetzt recherchieren und alle Grundschulen anschreiben, ob es da Probleme gibt. Eine Schulleiterin hat dann vorgeschlagen, dass es an der Schule doch ein tägliches Frühstück geben könnte. Und seither gehen Menschen, die sich engagieren wollen, in die Schulen und bauen den Kindern dort ein Frühstück auf. Viele finden durch die Arbeit einen neuen Sinn, kommen aus der Einsamkeit heraus. Es ist ein Geben und Nehmen: Die Kinder lieben ihre Helferinnen und Helfer, und umgekehrt gibt es den Ehrenamtlichen oft neuen Lebensmut.
An wie vielen Schulen gibt es das inzwischen?
Glas: Wir sind bei 450 Schulen in ganz Deutschland, auch in Augsburg, und erreichen 21.000 Kinder.
Sie engagieren sich nicht nur sozial, Sie sind auch ein sehr politischer Mensch. Franz Josef Strauß soll ein großer Bewunderer von Ihnen gewesen sein und wollte Sie sogar in der Politik sehen. Heute sind Frauen in der Politik keine Ausnahme mehr, viele sind sehr erfolgreich, wie Angela Merkel, die eben ihre Memoiren veröffentlicht hat. Wie blicken Sie auf diese Ära zurück?
Glas: Damals, 2015, als Angela Merkel gesagt hat „Wir schaffen das“, hat mir das unglaublich gut gefallen. Ich war wirklich gerührt, weil da schließlich Menschen an der ungarischen Grenze im Dreck und im Matsch standen. Und der Herr Seehofer war bei seiner Eisenbahn, glaube ich, in Ingolstadt im Keller gesessen und war nicht zu erreichen. Und dann hat sie sich eben entschieden. In München standen die Menschen, die helfen wollten, am Bahnhof, mit Windeln, mit Getränken, mit Medikamenten, mit Klamotten, mit Jacken und haben die Leute empfangen. Da kriege ich jetzt noch Gänsehaut. Das war ein so tolles Erlebnis, zu sehen, wie hilfsbereit wir waren. „Wir schaffen das“ war für mich ein ganz großes Zauberwort. Natürlich war klar, dass wir nicht unendlich viele Menschen aufnehmen können. Aber dieser Moment, diese Courage – das hat mich beeindruckt.
Wäre Markus Söder Ihrer Ansicht nach ein guter Bundeskanzler geworden?
Glas: Er kandidiert zwar jetzt nicht, aber ich hätte dem Markus Söder gesagt: Ein Bayern in Berlin – keine Chance. Wir haben 16 Bundesländer und nur in Bayern gibt es die CSU. Dann sollen die anderen 15 Bundesländer einen CSUler wählen? Nie im Leben. Er soll Ministerpräsident in Bayern bleiben.
Zur Person: Uschi Glas, 80, wurde im niederbayerischen Landau an der Isar geboren. Als Schauspielerin wurde sie im Jahr 1966 mit ihrer Hauptrolle im Film „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ bekannt. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit „Zur Sache, Schätzen“. Seither spielte Glas in zahlreichen Filmen und Serien, darunter „Polizeiinspektion 1“, „Zwei Münchner in Hamburg“ oder „Fack ju Göthe“. Die Schauspielerin engagiert sich auch sozial, etwa in ihrem Verein „brotZeit“, der bundesweit kostenloses Frühstück an Schulkinder ausgibt.
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