Ottfried Fischer hat eine harte Woche hinter sich. Sie begann am Amtsgericht München mit der Verhandlung um seine Prostituierten-Affäre. Und sie endet am 29. Oktober mit der Aufzeichnung von "Ottis Schlachthof" für das Bayerische Fernsehen.
Jener Freitagabend vor sieben Tagen soll ein besonderer werden. Nach all den Schlagzeilen über sein Intimleben wird sich der Kabarettist und Schauspieler zurückmelden. Und wie. Otti Fischer wird auf ein Lied der Spider Murphy Gang anspielen: "Skandal im Sperrbezirk". Und damit wird die Affäre Geschichte sein. Sein Publikum wird ihn nicht fallen lassen. Ganz im Gegenteil. Doch noch hat die Aufzeichnung nicht begonnen. Noch steht ein Interview an. In dem soll es, wie später in der Sendung, um das Thema Integration gehen.
Herr Fischer, ich möchte mit Ihnen eine Integrationsdebatte führen.
Fischer: Aha.
Wie gut haben sich die Franken in Bayern und in Deutschland integriert?
Fischer: Sie sind durchaus integriert, wollen es aber nicht wahrhaben. Sobald sie außerhalb Bayerns sind, sind die Franken die besten Bayern, weil man als Bayer eben doch besser durch die Welt kommt.
Der Franke ist ein Erfolgsmodell. Nehmen Sie Karl-Theodor zu Guttenberg aus Oberfranken. Der übernimmt bald die CSU, dann den Freistaat und dann die Bundesregierung.
Fischer: Der Guttenberg ist in die Politik nicht als Politiker eingestiegen, sondern als Fotomodell. Deswegen bringt man ihn jetzt auch nicht mehr los, weil man Gesetze, die im politischen Betrieb gelten, nicht auf ihn anwenden kann.
Und die Franken Urban Priol und Frank-Markus Barwasser, die vom Bayerischen Rundfunk kommen, übernehmen bald das ZDF. Die Sendung "Neues aus der Anstalt" moderieren sie ja schon.
Fischer: Dass es der Bayerische Rundfunk dem ZDF so leicht macht und sie hat ziehen lassen! Irgendwann wird das ZDF "Wetten, dass …?" durch bayerische Komiker ersetzen.
Selbst bei der Augsburger Allgemeinen und ihren Heimatzeitungen gibt es Franken - zum Beispiel mich.
Fischer: Wo gibt's keine? Bayern ist ein Land, das von Altbayern bewohnt, von Schwaben verwaltet und von Franken regiert wird.
Woher kommt nun aber der Erfolg fränkischer Kabarettisten?
Fischer: Die Franken haben diese Zerrissenheit zwischen evangelisch und katholisch und dadurch entsteht auch Humor, wenn auch ein etwas eigenartiger.
Sie sind nicht unschuldig am Erfolg des fränkischen Kabaretts: Immer wieder fördern Sie fränkische Talente in "Ottis Schlachthof".
Fischer: Wenn man aus weltanschaulichen Gründen verlangt, dass jeder Mensch eine Heimat haben sollte, dann ist es doch ein löbliches Werk, denen eine zu geben, die keine haben. Die Franken, die wir fördern: Wo sollen die sonst hin? Wir haben ein Herz für Minderheiten und randständige Nationen Bayerns.
Die Kabarettisten aus Bayerisch-Schwaben bräuchten auch ein wenig Unterstützung. Bundesweit haben sie zurzeit kaum Erfolg. Wie erklären Sie sich das?
Fischer: Franken ist von seiner Geschichte, Geografie und Sprache her eher einheitlich strukturiert. Schwaben: Da geht's mit Bayerisch-Schwaben los, dann kommt das schwäbische Schwaben, dann das badische Schwaben. Es ist wie in der großen Politik, wo die Linke der SPD die Stimmen wegnimmt. Genauso ist es bei den Schwaben: Jeder Schwabe hat neben sich noch etwas Schwäbischeres oder noch Alemannischeres. Die Zerrissenheit ist größer. Regional gibt es schon einige Kabarettisten, aber die kommen aus Schwaben nicht raus.
Schafft vielleicht Maxi Schafroth aus dem Allgäu den Durchbruch?
Fischer: Zurzeit ist das Allgäuerische gar nicht so stark vertreten im Kabarett, insofern hat er eine ganz gute Chance.
Franken und Schwaben haben gemein, dass sie als etwas aufmüpfig gelten. Aktuelles Beispiel: Zwei oberfränkische CSU-Kreisverbände wollten den Bayernkurier einstellen lassen und der Landtagsabgeordnete Max Strehle aus dem Kreis Augsburg unterstützte sie.
Fischer: Ich nehm den Bayernkurier zum Einheizen her. Gelesen worden ist er ja ohnehin nie. Man sollte den Bayernkurier einstampfen und durch ein Flugblatt ersetzen, auf dem leicht und verständlich steht: "Wir sind die CSU und brauchen die Zweidrittelmehrheit. Bitte sorgt dafür, dass das wieder klargeht!"
Integration hat viel mit Sprache zu tun. Der Kabarettist Michl Müller aus Unterfranken sagte zu mir: Fränkische Kabarettisten sind wegen ihres erotischen Dialekts so erfolgreich.
Fischer: Vielleicht ist der männliche Franke ja wirklich ein besonderer Naturbursche. Ich glaube aber, es ist eine Obsession, wenn man auf Fränkisch abfährt. Das ist eine wohlwollende, freundliche Perversion, die jedem Menschen zusteht. Darüber möchte ich nicht richten.
Das müssen Sie sagen als gebürtiger Niederbayer!
Fischer: Dialekt ist jedenfalls enorm wichtig für den Humor, weil du zwischen den Zeilen viel mehr sagen kannst als in der Hochsprache. Ein Dialekt-Wort kann eine ganze Passage ersetzen.
Wir führen ja eine Integrationsdebatte. Also: Gibt es ein Franken-Gen?
Fischer: Ach.
Apropos Gene: Fiel es Ihnen schwer, über Thilo Sarrazin und seine Thesen zur Integration Witze zu machen?
Fischer: Sarrazin ist eine Erhebung aus dem Sumpf der im Populistischen angesiedelten rechten Seite. Es ist ein Zu-Wort-Melden mit einem Thema, das andere noch nicht so besetzt haben. Und es ist der Versuch, damit Geld zu machen. Es ist mir relativ leicht gefallen, darüber Witze zu machen. Ob's was bringt, sei dahingestellt.
Mit Sarrazin kam der Stammtisch wieder in Mode: Die Integrationsdebatte habe Stammtisch-Niveau, hieß es. Oder: Die Politik müsse die Hoheit über die Stammtische zurückgewinnen.
Fischer: Ich bin ein Freund der Stammtisch-Diskussion, auch wenn sie oft reaktionär ist. Das Wirtshaus ist Ausdruck des Geistes, dass Politik Sache des Volkes ist. Politik ist Kommunikation und das Wirtshaus ist Kommunikation.
"Ottis Schlachthof" ist eine Stammtischrunde, an der alle zu Stammtisch-Brüdern und -Schwestern werden.
Fischer: Das ist Integration. Wobei man an bayerischen Stammtischen noch wenig Frauen sieht. Meistens trinkt die Frau beim Mann mit und sagt nichts. Wir arbeiten seit 15 Jahren mit "Ottis Schlachthof" daran, das zu ändern.
Sind Sie als Kabarettist in den letzten Jahren härter oder milder geworden?
Fischer: Ich glaube, man zwingt sich mit zunehmendem Alter, mehr auf den Punkt zu kommen. Man stellt hohe Ansprüche an das Niveau. Das führt aber dazu, dass Kabarett eher etwas für Minderheiten wird.
Und was ist jetzt eigentlich das Ergebnis unserer Integrationsdebatte?
Fischer: Dabei ist vielleicht herausgekommen, dass in Bayern eigentlich schon alle integriert sind. Und es ist nicht mehr so, dass der Bauernverband mobilmacht, wenn sich abzeichnet, dass der nächste bayerische Ministerpräsident aus Franken kommen könnte. Interview: Daniel Wirsching