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Interview: Minister Blume: "Manchmal muss man Hubert Aiwanger zum Jagen tragen"

Interview

Minister Blume: "Manchmal muss man Hubert Aiwanger zum Jagen tragen"

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    Markus Blume, Wissenschaftsminister, warnt vor einer verfehlten Wirtschaftspolitik in Bayern.
    Markus Blume, Wissenschaftsminister, warnt vor einer verfehlten Wirtschaftspolitik in Bayern. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Herr Blume, Bayern sieht sich als Vorreiter in Sachen technologischer und wirtschaftlicher Fortschritt. Nun scheitert ausgerechnet ein Prestigeprojekt an der bayerischen Regierung. Die Ansiedlung des Flugtaxi-Herstellers Volocopter droht zu platzen. Was ist da los?
    MARKUS BLUME: Die Hightech-Agenda von Markus Söder ist eine echte Erfolgsgeschichte. Ich komme gerade von einem Termin beim KI-Produktionsnetzwerk in Augsburg, dort arbeiten mehr als 150 Menschen an der Industrie der Zukunft. Die Staatsregierung hat fast 100 Millionen Euro investiert, 300 Millionen Euro wurden an Drittmitteln mobilisiert. Das ist Mut, wie ich ihn mir erwarte – und im Fall von Volocopter und vergleichbaren Unternehmen vermisse.

    Sie sprechen von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Er stellt die Finanzierung für die Ansiedlung von Volocopter infrage. Das Unternehmen wollte von Bruchsal in Baden-Württemberg nach Bayern umziehen – aber nur, wenn es finanzielle Unterstützung erhält. Der Plan war: Der Bund gewährt ein Darlehen über 100 Millionen Euro, Bayern bürgt für die Hälfte davon.
    BLUME: Wir stehen an einer Weiche: Schaffen wir es, dass in Bayern neue Industrien entstehen können? Oder richten wir uns gemütlich ein im Wohlstand von gestern? Meine Sorge ist, dass das ein paar Jahre gut gehen würde, aber Bayern irgendwann zurückfällt, wenn wir nicht mehr auf Innovationen setzen. Das hätte konkrete Folgen: Arbeitsplätze könnten verschwinden, Fortschritt und Wohlstand würden anderswo stattfinden. Der Freistaat war immer auch das Land von neuen Unternehmen. Bayern ist zum Beispiel die Wiege von Airbus – auch das hat einst viel Mut und staatliche Unterstützung gebraucht. Nun stellt sich die Frage: Schaffen wir das noch mal? 

    Die CSU wirft dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor, eine Bürgschaft für den Elektro-Helikopter-Hersteller Volocopter und damit den Umzug des Start-ups nach Bayern zu blockieren.
    Die CSU wirft dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor, eine Bürgschaft für den Elektro-Helikopter-Hersteller Volocopter und damit den Umzug des Start-ups nach Bayern zu blockieren. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Fehlt dem bayerischen Wirtschaftsminister also Mut? Liegt ihm die traditionelle Wirtschaft näher als die Wirtschaft von morgen?
    BLUME: Obwohl Hubert Aiwanger inzwischen ja auch die Zuständigkeit für Jagd in der Staatsregierung hat, habe ich das Gefühl: In den Kernbereichen der Wirtschaft muss man ihn manchmal zum Jagen tragen.

    Herr Aiwanger hält das Flugtaxi-Projekt für zu gewagt, um Steuermittel einzusetzen. Damit steht er nicht allein. Auch die baden-württembergische Regierung hat dankend abgelehnt und eine Bürgschaft für das Start-up verweigert.
    BLUME: Die Grünen stehen auch nicht für Technologiebegeisterung. Klar ist doch: Wenn es ein Land schaffen kann, dann der Freistaat!

    Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC soll skeptisch sein wegen des hohen Risikos. 
    BLUME: Hier geht es um Zukunft und die Zukunft ist immer von Unsicherheit geprägt. Entscheidend ist: Sind wir künftig bei neuen Technologien mit dabei oder nicht? Nicht jedes Unternehmen wird erfolgreich sein, diese Gewähr werden wir nie bekommen. Aber wenn wir es schon nicht versuchen, werden wir garantiert keinen Erfolg haben! Genau deshalb ist ja offensichtlich auch der Bund bereit, sich hier zu engagieren. Ich finde: Wir brauchen eine aktive Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, die heimische Industrie zu stärken. So machen das übrigens alle Staaten um uns herum: Frankreich, Großbritannien, die USA – von China und anderen brauche ich gar nicht zu reden.

    Ist die Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandortes Bayern durch den Rückzieher beschädigt?
    BLUME: Das aktuelle Signal von Hubert Aiwanger ist schon schwierig. Bayern gilt weltweit als einer der führenden Standorte für Hightech. Ich möchte, dass das auch in Zukunft so bleibt.

    Wie geht es jetzt weiter? Gibt es noch Hoffnung, das Start-up nach Bayern zu holen?
    BLUME: Ich hoffe für das Unternehmen, dass sich noch Lösungen finden. Noch mal: Es geht hier nicht nur um ein Unternehmen, es geht um ein ganzes Cluster von Unternehmen. Wir könnten der europaweit führende Standort sein! 

    Ist der Konflikt vielleicht auch ein Beispiel für einen größeren Konflikt zwischen CSU und Freien Wählern? Sind die Vorstellungen, wo die Zukunft Bayerns liegt, doch zu unterschiedlich?
    BLUME: Die Frage ist doch: Wo kommt der Wohlstand von morgen her? Sicher nicht nur aus Technologien von gestern. Unser Ziel ist, Champions League zu spielen, in der Welt vorn mit dabei zu sein. Nur so können wir unseren Lebensstandard halten. Klar ist: Wir sind nicht allein auf dieser Welt, es gibt einen brutalen Wettbewerb. Über all den hoffnungsvollen neuen Unternehmen kreisen schon die Aufkäufer aus dem Ausland und warten darauf, Patente und Technologien abzugreifen. Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen. Auch deshalb braucht es Entschlossenheit. Ängstlichkeit ist nicht „Bayern-like“. 

    Noch mal gefragt: Ist der Konflikt in dieser Frage zwischen CSU und Freien Wählern grundsätzlicher Natur?
    BLUME: Wir arbeiten in der Bayerischen Staatsregierung in allen Feldern sehr gut zusammen. Aktuell stehen wir vor der Herausforderung, wie wir uns von dem wirtschaftlichen Abwärtsstrudel der Ampelregierung absetzen können. Dazu braucht es kraftvolle Akzente. Ich hoffe, dass wir da gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass wir noch mehr tun können. Ich selbst habe als Wissenschaftsminister versucht, Wege aufzuzeigen, wie wir neue Technologien und innovative Unternehmen noch stärker unterstützen können. Die Zukunft des Freistaates liegt in Wirtschaft und Wissenschaft, nicht nur bei Wald und Wild. 

    Das Unternehmen: Volocopter wurde 2011 gegründet und will zweisitzige Elektro-Hubschrauber als Flugtaxis bauen. Zu seinen Investoren zählen Konzerne wie Mercedes-Benz, der chinesische Autokonzern Geely und der US-Vermögensverwalter Blackrock. Das Unternehmen beschäftigt 600 Mitarbeiter. Volocopter würde nach Bayern umziehen, wenn der Freistaat für 50 Millionen bürgt. Die anderen 50 Millionen Euro will der Bund beisteuern. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger lehnt das ab.

    Zur Person

    Markus Blume, 49, ist seit 2022 bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. Zuvor war er von 2018 bis 2022 Generalsekretär der CSU.

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