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Präsident des Lehrerverbands ist „Anhänger“ unangekündigter Tests

Interview

Lehrerverbands-Chef zur Debatte um Tests: „Wir dürfen es nicht zu leicht machen“

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    Unangekündigte Tests können das Stresslevel steigern.
    Unangekündigte Tests können das Stresslevel steigern. Foto: Axel Heimken, dpa

    Bayerns Kultusministerin wollte unangekündigte Leistungsnachweise auf den Prüfstand stellen, nun hat Ministerpräsident Markus Söder gesagt, dass solche Tests erhalten bleiben sollen. Wie sehen Sie das?
    STEFAN DÜLL: Die Rechtslage sagt ja jetzt schon, dass es erlaubt ist, kleine schriftliche und mündliche Leistungsnachweise anzukündigen. Das ist von der Schulordnung gedeckt und es gibt eine Menge Schulen, die dazu übergegangen sind, nur noch angekündigte kleine schriftliche Leistungsnachweise zu schreiben. Und es gibt solche, etwa meine Schule, wo es den Lehrerinnen und Lehrern freigestellt ist, sich für eine Variante zu entscheiden. Wichtig dabei ist, zu Schuljahresbeginn klar den Klassen in jedem Fach mitzuteilen, wofür sich die Lehrkraft entschieden hat, und sich auch daran zu halten. Wer möchte, kann auch die Klasse entscheiden lassen, wie es gemacht werden soll.

    Schon vor der ganzen Debatte war es also so, dass Schulen das für sich flexibel entscheiden können?
    DÜLL: So ist es. Wenn die Lehrerkonferenz sagt, dass das möglich ist, dann können die Lehrer das für ihre Klassen festlegen. Sie können sogar sagen: In einem Fach mache ich es so, im anderen nicht. Es gibt zum Beispiel einige Lehrer im Fremdsprachenbereich, die an den unangekündigten Tests festhalten, um auf diese Weise das regelmäßige Pauken von Vokabeln einzufordern. Andere indes kündigen es lieber an, in der Hoffnung, dass die Schüler dann auf so einen Test lernen.

    Fallen angekündigte Tests denn besser aus?
    DÜLL: Nicht unbedingt. Leider machen wir immer wieder die Erfahrung, dass die Schüler trotz Ankündigung nicht auf den Test gelernt haben. Das haben dann aber die Schüler eben so für sich entschieden, das ist ein Teil der Eigenverantwortung.

    Sehen Sie bei unangekündigten Tests Vorteile?
    DÜLL: Es geht hier um den Effekt der Selbstdisziplinierung, was zum Beispiel das regelmäßige Vokabellernen angeht. Dadurch, dass sie sich eben auf die nächste Stunde vorbereiten. Auf diese Weise Leistung einzufordern, ist ja auch das, was sie später im Beruf erleben werden. Da muss man sich auf nicht absehbare Herausforderungen einstellen, etwa ad hoc zu erledigende Aufgaben und auch Krisensituationen im weitesten Sinne. Deswegen bin ich schon ein Anhänger davon, auch unangekündigte Tests zu schreiben. Wir dürfen es nicht zu leicht machen. Der ein oder andere unangekündigte Leistungsnachweis schadet nicht.

    Eine Studie spricht davon, dass das Stresslevel bei unangekündigten Leistungsnachweisen höher und die Freude am Lernen niedriger ist.
    DÜLL: Die unangekündigten Tests mögen das Nervenkostüm tatsächlich belasten. Man muss im Allgemeinen davon ausgehen, dass es vor allem die schwächeren Schüler betrifft, die es dringend notwendig hätten, sich letztlich täglich mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Und natürlich haben auch diejenigen Stress, die wissen, dass sie vorsätzlich nichts getan haben. Dass sie lieber Fußball gespielt haben als zu lernen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht an denen orientieren, die gewisse Leistungen einfach nicht bringen wollen oder können. Hinzu kommt: Es ist eben keineswegs so, dass angekündigte Tests grundsätzlich zu besseren Ergebnissen führen. Schüler haben eine gewisse Eigenverantwortung: Lerne ich oder nicht? Reichen mir die bisherigen Noten? Oder ist es mir egal, wenn ich abrutsche?

    Die Kultusministerin hatte angekündigt, noch andere Dinge aus dem Prüfungswesen unter die Lupe zu nehmen. Was fiele Ihnen da ein?
    DÜLL: Man kann da vor allem das Thema Teamarbeit mitreinnehmen. Diese Teamarbeit, wo mehrere Leute ein Projekt machen und dann eine Note bekommen, das grenzt in so manchem Fall an Unfairness, um es vorsichtig auszudrücken.

    Warum?
    DÜLL: Wir sagen manchmal scherzhaft, dass Team für „Toll, ein anderer machts“ steht. Das ist die Gefahr bei der ganzen Geschichte. Das wurmt auch die Schüler, die sich pflichtbewusst darum gekümmert haben, dass da was abgeliefert wird, während sich die anderen in die Hängematte gelegt haben. Ich finde außerdem, dass Teamarbeit auch in Anwesenheit eines Lehrers erfolgen sollte. Wenn man sagt, dass das außerhalb des Unterrichts stattfindet, bekomme ich gar nicht mit, wie das gelaufen ist, etwa, ob die Aufgaben stimmig verteilt wurden. Es bleibt unklar, wer den Prozess gebremst oder befördert hat. Und die Prozessbewertung ist ja ein wesentlicher Teil der Gesamtnote neben der Bewertung des inhaltlichen Outputs.

    Wann immer ich mich mit Lehrern unterhalte, betonen sie, wie wichtig die Teamarbeit ist...
    DÜLL: Was die Kollegen sagen, ist alles richtig. Aber in dem Moment, wo wir anfangen, darauf Noten zu geben, zu sagen, das ist die individuelle Leistung, da bin ich vorsichtig. Man muss peinlich genau darauf achten, was der einzelne gemacht hat. Das ist natürlich ein Aufwand – und wir müssen darauf achten, dass man als Lehrer nicht versucht, sich das Leben durch Gruppenarbeit leichter zu machen. Denn dann laufen wir Gefahr, dass die Benotung unfair wird.

    Dass man sich als Lehrer den Stress nehmen will, wäre ja verständlich. Überall hört man, wie groß die Arbeitsbelastung ist.
    DÜLL: Das ist ein Dilemma. Und da Wege zu finden, ist nicht leicht. Man könnte zum Beispiel überlegen, ob man die Belastung von Deutschlehrern durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz senken könnte. Es wäre hilfreich, wenn die Aufsätze nicht handschriftlich vorliegen würden, sondern als Datei. Die KI könnte gleich die ganzen Rechtschreibfehler oder stilistische Fehler markieren. Die KI kann sogar sagen, ob der rote Faden in einem Text erkennbar ist. Und dann gehe ich als Lehrer drüber und mache die Feinkorrektur, für die es die Expertise der Lehrkraft braucht.

    Zur Person: Stefan Düll ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Schulleiter des Gymnasiums in Neusäß im Kreis Augsburg.

    Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sagt: „Der ein oder andere unangekündigte Leistungsnachweis schadet nicht.“
    Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sagt: „Der ein oder andere unangekündigte Leistungsnachweis schadet nicht.“ Foto: Marcus Merk
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    1 Kommentar
    Thomas Keller

    Ich wusste nie was meine Mitschüler mit einem Vokabelheft wollen, hat man keine Sprachbegabung, hat man halt keine. Am meisten habe ich später durch das lesen von englischen Zeitungen und im Gespräch gelernt. Verpflichtungen haben Schüler heute schon genug, und genug Stress im Elternhaus. Leistung kann man später im Beruf auch noch bringen, das vermittelt eine Ausbildung. Vielleicht sollte mehr Verstehen und Anwenden gelehrt werden und was man im Leben wirklich braucht. Wir wurden zum Glück nicht mit Goethes Glocke traktiert, man hat uns das Denken beigebracht. Und das dazulernen hört nicht auf, meine Grundlagen kann ich gebrauchen, aber das Wissen der Welt mehrt sich ständig, geistig flexibel bleiben halte ich für wertvoller.

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