Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Interview: Heinrich Bedford-Strohm: "Ich verkleinere mich radikal"

Interview

Heinrich Bedford-Strohm: "Ich verkleinere mich radikal"

    • |
    Heinrich Bedford-Strohm war nicht nur das Gesicht seiner Kirche in Bayern, er war es auch bundesweit.
    Heinrich Bedford-Strohm war nicht nur das Gesicht seiner Kirche in Bayern, er war es auch bundesweit. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Archivbild)

    Herr Bedford-Strohm, am Sonntag wird Ihr Nachfolger als evangelischer Landesbischof, Christian Kopp, in der Nürnberger Lorenzkirche in sein Amt eingeführt. Sie werden nach zwölf Jahren "entpflichtet". Haben Sie sich mit diesem Wort schon angefreundet?

    Heinrich Bedford-Strohm: Das ist ein gutes Wort für mich. Denn es ist gut, dass es dieses Ritual, diesen Übergang für mich gibt. Dadurch wird der Wechsel nach außen deutlich, aber auch für mich ist es schön.

    Weil eine Last von Ihnen abfällt?

    Bedford-Strohm: Ich habe mein Amt nie als Last empfunden. Ich habe es in den vergangenen zwölf Jahren mit großer Leidenschaft und Freude ausgefüllt. Aber es ist schön zu wissen, dass ich die Verantwortung jetzt in andere Hände übergeben kann. Für mich schließt sich nun ein Kreis, und ich bin bereit weiterzuziehen. Ich werde mich künftig auf mein Ehrenamt als Vorsitzender des Weltkirchenrats konzentrieren – und mir vor allem mehr Zeit für die Familie, für meine Enkelkinder nehmen können.

    Eine Zäsur ist es für Sie in jedem Fall ...

    Bedford-Strohm: ... das merke ich jetzt gerade besonders. Ich sitze in meinem Büro und räume es, sortiere aus, lasse manches Revue passieren. Es ist eine große Zäsur – ich verkleinere mich radikal.

    Heinrich Bedford-Strohm mischte sich stets wortmächtig in öffentliche Debatten ein. "Wir müssen als Kirche mit der Gesellschaft ins Gespräch kommen", sagt er.
    Heinrich Bedford-Strohm mischte sich stets wortmächtig in öffentliche Debatten ein. "Wir müssen als Kirche mit der Gesellschaft ins Gespräch kommen", sagt er. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Was halten Sie gerade in Händen?

    Bedford-Strohm: Ich hatte eben zwei Ordner der Max-Planck-Gesellschaft in Händen, in deren Senat ich bleiben werde. Zuvor bin ich meine Schirmherrschaften durchgegangen. Die sind Vergangenheit, außer in meinem Herzen. Meine Verlagsordner mit Unterlagen zu meinen Publikationen bin ich auch schon durchgegangen. Vieles davon brauche ich nicht mehr. Wesentlich ist ohnehin das, worüber es keine Aufzeichnungen gibt: die vielen herzlichen Begegnungen, Gespräche, Kontakte mit Menschen, die ich als Landesbischof haben durfte. Sie haben mich tief berührt – wie am vergangenen Sonntag mein Abschiedsgottesdienst.

    Würden Sie sagen, Sie haben das Amt geprägt? Oder hat das Amt Sie geprägt?

    Bedford-Strohm: Ich würde sagen, ich habe das Amt auf meine Weise geprägt. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich in irgendeiner Weise habe verbiegen lassen. Alte Freunde haben immer mal wieder überrascht gesagt, dass ich noch der Gleiche sei. "Warum sollte das nicht so sein?", hab ich dann zurückgefragt.

    Würden Sie etwas anders machen?

    Bedford-Strohm: Ich habe immer wieder dazugelernt. Und das Thema, bei dem wir die meiste Lernerfahrung machen mussten, war das der sexualisierten Gewalt in den Reihen unserer Kirche.

    Ihre Kirche, der Sie auch als Ratsvorsitzender bundesweit ein Gesicht gaben, wurde mitunter scharf von Betroffenen und der Öffentlichkeit kritisiert.

    Bedford-Strohm: Es ist sehr schwierig, alles richtigzumachen, auch wenn man das ernsthaft will. Auch angesichts der Tatsache, dass Menschen, die derart schlimme Erfahrungen machten, sehr unterschiedlich reagieren können. Ich selber bin nicht zufrieden.

    Warum?

    Bedford-Strohm: Ich befasse mich seit Jahrzehnten mit dem Thema, meine Frau hat als Psychotherapeutin viel mit Missbrauchsbetroffenen gearbeitet. Ich hätte mir gewünscht, dass die Menschen sagen: "Die evangelische Kirche ist zum Vorreiter im Umgang mit diesem Thema geworden." Das habe ich nicht erreicht, auch wenn wir große Schritte voran getan haben.

    Erst im Januar soll eine umfassende Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht werden – mehr als fünf Jahre nach einer großen Studie im Auftrag der katholischen Kirche.

    Bedford-Strohm: Dem Eindruck, dass wir untätig gewesen wären, widerspreche ich vehement. Wir haben uns schon früh intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Bereits Anfang der Nullerjahre hatten wir zum Beispiel Präventionsbotschafter der evangelischen Jugend. Von Beginn meiner Bischofszeit an habe ich persönlichen Kontakt zu Betroffenen gehalten. Was die Studie angeht – ich habe stets erklärt: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit". Wir haben uns große Mühe gegeben, diese unabhängige Studie so gut vorzubereiten, dass sie wirklich belastbare Ergebnisse bringt.

    Was würden Sie wieder so machen?

    Bedford-Strohm: Ich würde genauso wieder möglichst viele Termine nah bei den Menschen haben wollen. In den Kirchengemeinden gleichermaßen wie auf dem Chirurgen-Kongress, bei dem ich über assistierten Suizid gesprochen habe. Wir müssen als Kirche mit der Gesellschaft ins Gespräch kommen, das ist ganz wichtig.

    Es war zu lesen, Sie würden Bayern verlassen. Das klang nach einem Abschied für immer.

    Bedford-Strohm: Wir werden noch ein Zimmer in München behalten, sodass hier eine Basis bleibt. Es ist aber tatsächlich so, dass sich unser Lebensschwerpunkt nach Mecklenburg verschieben wird.

    Wo Sie Ihren Urlaub verbringen?

    Bedford-Strohm: Genau, auf einem familiär verbundenen Ferienhof. Meine Frau arbeitet da sehr aktiv mit. Wir haben dort sämtliche unserer Urlaube verbracht, in einem Tiny House. Und wir waren dort immer wunschlos glücklich. Wir haben das Gefühl, wir brauchen all die vielen Dinge, die wir in unserer größeren Wohnung hatten, nicht zum Leben. Wir haben vieles weggegeben.

    Sie kommen hin und wieder nach Bayern zurück?

    Bedford-Strohm: Ich habe sogar schon ein paar Termine für nächstes Jahr angenommen: Da spreche ich mich mit meinem Nachfolger ab. Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis zueinander.

    Hinterlassen Sie Christian Kopp etwas aus Ihrem Büro?

    Bedford-Strohm: Er wird nächste Woche ins Bischofszimmer einziehen und darüber entscheiden. Ich kann mir gut vorstellen, dass er das große Luther-Porträt von Lucas Cranach behalten wird. Das habe bereits ich hier vorgefunden.

    Was wollen Sie am Sonntag bei Ihrer Entpflichtung noch sagen?

    Bedford-Strohm: Dass ich eine riesengroße Dankbarkeit verspüre – Gott und meinen Mitmenschen gegenüber.

    Zur Person: Heinrich Bedford-Strohm, 1960 in Memmingen geboren, im nahen Buxach und im oberfränkischen Coburg aufgewachsen, wurde 2011 evangelisch-lutherischer Landesbischof. Von 2014 bis in den Herbst 2021 war er Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden