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Interview: Kultregisseur Bogner: "Ich wünsche mir unkonventionelle Staatsdiener"

Interview

Kultregisseur Bogner: "Ich wünsche mir unkonventionelle Staatsdiener"

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    Seine Serien sind Kult: Regisseur Franz Xaver Bogner.
    Seine Serien sind Kult: Regisseur Franz Xaver Bogner. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Bogner, wie groß ist Ihr Vertrauen in die bayerische Justiz?

    Franz Xaver Bogner: Ich meine, nach so vielen Folgen „Café Meineid“ und der Beschäftigung mit juristischem Personal, von Richtern über Staatsanwälten bis hin zu Anwälten ist mein Vertrauen doch recht groß. Das hat allerdings auch ein bisserl damit zu tun, dass ich in die Tiefen der schweren Juristerei nie eingestiegen bin. Ich habe mich im Wesentlichen mit leichteren Fällen beschäftigt. Strafmaß: ein Jahr. Arbeitsbereich: Amtsgericht.

    Warum haben Sie einen Bogen um Gewaltverbrechen gemacht?

    Bogner: Weil ab einem bestimmten Zeitpunkt Justizfälle nicht mehr lustig sind. Ich jedenfalls kann über Mord, Totschlag und Vergewaltigung nicht lachen. Da müsste man dann andere Formate finden. Das wiederum können die Engländer mit ihrem schwarzen Humor besser.

    Gehören Sie auch zu denen, die im Amtsgericht als Kiebitz sitzen?

    Bogner: Das lange Trainingsprogramm war „Café Meineid“. Wir haben 13 Jahre lang jedes Jahr eine Staffel gemacht, da fängt man automatisch an, in diese Szene reinzurutschen. Ich kannte auch einschlägige Justiz-Cafés, und es gab einen Unterschied: vor der Verhandlung und nach der Verhandlung.

    Was ist da der Unterschied?

    Bogner: Nach der Verhandlung kriegen sich die Beteiligten in die Wolle, weil sich der eine nicht an das gehalten hat, was vor der Verhandlung vereinbart wurde.

    Die Beamten in Ihren Serien haben oft etwas Anarchisches. Ist das Ihr Traum, dass Staatsdiener unkonventionell handeln können?

    Oh ja, es menschelt gewaltig in Bogners Justizserie „Über Land“. Eine Szene mit Richter Hans Bachleitner (Harald Krassnitzer) und Frieda Mirko, gespielt von Maria Simon.
    Oh ja, es menschelt gewaltig in Bogners Justizserie „Über Land“. Eine Szene mit Richter Hans Bachleitner (Harald Krassnitzer) und Frieda Mirko, gespielt von Maria Simon. Foto: Susanne Schramke, ZDF

    Bogner: Ja, das ist das große Wunschdenken. Es soll immer irgendjemand dabei sein, der hinter der großen Wand an Paragrafen noch etwas Menschliches sieht. Ich meine also einen, der so lange an den Paragrafen herumbiegt, bis es für die Angeklagten nicht mehr so grob kommt. Das war ja auch das Credo von Richter Wunder im „Café Meineid“. Und jetzt dachte ich mir, dass wir das auf einer anderen Ebene so ähnlich machen können. Ich brauchte einen Richter, dem nichts Menschliches fremd ist. Denn wenn jemand auf einen Richter mit breitem Erfahrungspotenzial stößt und ihn hereinlegen will, ist das meist komisch. Diese Rolle hat Harald Krassnitzer als Richter in „Über Land“ wunderbar umgesetzt.

    Am Karfreitag um 21.15 Uhr im ZDF spielt Krassnitzer den neuen bayerischen Amtsrichter. Warum musste Franz Xaver Kroetz als sein Vorgänger Max Althammer sterben?

    Bogner: Mit drei Halben Bier im Blut ist der Althammer an einen Baum gefahren. Die offizielle Version lautet: Kroetz hinkte mit seinen Memoiren hinterher. Der Franz ist halt kein ganz leichter Mensch. Aber das darf er und soll er sogar sein.

    Weil, wenn er nicht so wäre, wie er ist, wäre er nicht der Kroetz?

    Bogner: Genau. Kroetz ist Hardcore, an dem schon manche verzweifelt sind. Der sagt auch gerne ab.

    Und bezieht daraus sein Selbstwertgefühl?

    Bogner: So ist es. Und das halte ich schon wieder für spaßig. Man kann sagen: Er macht es sich und den anderen nicht leicht. Trotzdem mag ich ihn sehr gern.

    Aber Sie schätzen auch Krassnitzer als Schauspieler?

    Bogner: Ja, aber nicht nur als Schauspieler. Denn Krassnitzer hat überhaupt keine Allüren. Das war richtig klasse mit ihm.

    Mit einem Todesfall, einer Bierdose und einem Schrebergarten geht Ihre bayerische Serie „Über Land“ weiter. Typisch Bogner könnte man sagen, oder?

    Bogner: Wenn das jemand anderes sagt, sage ich auch: ja.

    Eine Hauptrolle spielt wieder ein Auto, ein Citroën DS. Wie ist Ihr Verhältnis zu Auto-Klassikern?

    Bogner: Diesmal war es kein Ami, sondern ein Franzose, beziehungsweise eine Französin. Ein schönes Auto, oder?

    Okay. Noch mal nachgehakt: Haben Sie nun ein spezielles Verhältnis zu Automobilen?

    Bogner: Habe ich gehabt.

    Warum gehabt?

    Bogner: Ich habe das wunderbar ausgelebt und will heute nicht in den Verdacht geraten, ein vergangenheitssüchtiger Mensch zu sein, der noch mit einem Camaro zum Eisessen fährt. Das läuft nicht mehr.

    Wann schreiben Sie denn die Drehbücher? Morgens, mittags, abends?

    Bogner: Früher habe ich ab vier oder fünf Uhr früh geschrieben. Dazu muss man aber früh ins Bett gehen. Das führt wiederum dazu, dass man relativ wenig Schwachsinn anstellen kann. Ein Vorteil war auch, dass man dann nach dem Schreiben den ganzen Tag für sich hatte.

    Viele Autoren warten trotzdem gerne, bis es Abend wird.

    Harald Krassnitzer (links, spielt Hans Bachleitner), Franz Xaver Bogner (Autor und Regisseur) und Maria Simon (spielt Frieda Mirko).
    Harald Krassnitzer (links, spielt Hans Bachleitner), Franz Xaver Bogner (Autor und Regisseur) und Maria Simon (spielt Frieda Mirko). Foto: Johannes Müller, ZDF

    Bogner: Wenn man abends schreibt, dann schiebt man das immer vor sich her. Das ist wie beim Hausaufsatz, den erledigt man auch immer auf den letzten Drücker. Das ist mir zu anstrengend. Inzwischen genieße ich es allerdings, wenn ich erst so gegen zehn oder elf Uhr beginne.

    Wie gehen Sie vor? Liegt da zuerst ein leeres Blatt Papier oder tippen Sie schon in den Computer?

    Bogner: Ja, da liegt ein Stapel Papier. Die leeren Blätter sind die Hölle.

    Also passiert das alles bei Ihnen noch handschriftlich?

    Bogner: Ja, ich habe tatsächlich auch die Schreibmaschine ausgelassen und schreibe mit der Hand.

    Sie haben mal gesagt, Sie würden sich am besten in der Ritze zwischen Stadt und Land auskennen. Wie meinen Sie das?

    Bogner: Ich bin auf dem Land aufgewachsen, 20 Kilometer von München entfernt, in Markt Schwaben und Erding. Das Tolle war, in 25 Minuten war ich mit dem Auto in Schwabing. Das waren die prägendsten Orte meines Lebens. Und so habe ich beides gehabt, Land und Stadt.

    Das lassen wir so stehen. Zurück zum Glamour. Früher Höhepunkt Ihres Schaffens war der Zwölfteiler „Irgendwie und Sowieso“. Haben Sie schon beim Schreiben geahnt, dass das ein Knüller wird?

    Bogner: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das teilweise nicht verstanden, weil die Art und Weise des da dargestellten Lebens mir so bewusst und eigen ist, weswegen ich nicht im Geringsten geahnt habe, dass das einmal kultmäßig überhöht werden könnte. Erstaunlich an „Irgendwie und Sowieso“ ist übrigens, dass das Publikum immer gleich jung ist.

    Warum ist diese Serie noch immer so präsent?

    Bogner: Vielleicht ist es diese Form aus lakonischem Denken und Reden mit einer anarchistischen Alltagshaltung. Es gab mal eine Wiederholung der Serie in der Münchner Muffathalle, zu der ich zunächst gar nicht hingehen wollte, weil ich mir dachte: Um Gottes willen, diese abgestürzten Alt-68er! Dann bin ich meinen Kindern zuliebe doch hin. Die Reaktion des Publikums auf einzelne Dialoge werde ich nie vergessen. Vor allem eine Figur, der Binser, bekam da sogar Szenenapplaus. Die Leute skandierten seine Texte mit. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich dachte, ich spinn’!

    In einem Interview haben Sie gesagt, Sie hätten noch einmal eine Serie auf der Pfanne, die thematisch ein bisserl in die Richtung von „Irgendwie und Sowieso“ geht. Können Sie da schon mehr verraten?

    Bogner: Ich kann nur so viel verraten: Ich sitze da momentan drüber. Das wäre so das Nächste, was ich gerne ansteuern würde. Es soll ein Projekt werden über junge Leute, die ein großes Paket an Selbstcourage haben und sich nix gfoin lassen, wie man das auf Bayerisch ausdrücken würde.

    Bis wann könnte das Projekt fertig werden?

    Bogner: Wenn alles gut geht, so wie ich es mir denke – und das hat viel mit hoffen zu tun, denn wir brauchen viel Geld –, dann würde ich es heuer gerne fertig schreiben und nächstes Jahr drehen. Zumindest habe ich es mir so vorgenommen. Darum kann ich die aktuelle Corona-Krise auch gut überstehen. Denn ich brauche momentan nur einen Schreibtisch.

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