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Interview: Klaus Holetschek: „Wir stellen das System auf den Prüfstand“

Interview

Klaus Holetschek: „Wir stellen das System auf den Prüfstand“

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    „In unserer Fraktion wird immer alles offen diskutiert. Das entspricht unserem Stil und auch meinem ganz persönlich“, sagt der CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek.
    „In unserer Fraktion wird immer alles offen diskutiert. Das entspricht unserem Stil und auch meinem ganz persönlich“, sagt der CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Foto: Ralf Lienert

    Herr Holetschek, Sie sind als CSU-Fraktionschef im Landtag frisch im Amt. Wir haben mal ein bisschen in der bundesdeutschen Geschichte gekramt und nach berühmten Fraktionsvorsitzenden gesucht. Wissen Sie, von wem dieser Satz stammt? „Unsere Stärke muss sein, zu orientieren statt zu irritieren.“

    Klaus Holetschek: Herbert Wehner.

    Richtig! Und was ist Ihr Motto?

    Holetschek: Den Menschen das Leben wieder leichter machen und der Fraktion mehr Profil geben. Mit meinem Team, den 84 CSU-Abgeordneten mit den 29 Neuen im Landtag, wollen wir Lösungen suchen, Antworten geben und maßgeblich mitgestalten. Denn die Zeiten sind herausfordernd.

    Wir haben das Zitat des legendären Chefs der SPD-Bundestagsfraktion deshalb an den Anfang gestellt, weil Ministerpräsident Markus Söder in seiner Regierungserklärung mit dem Genderverbot an Schulen und in der Verwaltung eher für Irritationen gesorgt hat.

    Holetschek: Das sehe ich genau umgekehrt. Er hat Orientierung gegeben. Viele Menschen fragen sich doch, was der Schmarrn mit dem Gendern soll. Das bringt uns doch nicht weiter. Markus Söder hat da klare Kante gezeigt.

    Darf in Bayern nicht jeder so, wie er will? Gilt das Prinzip „leben und leben lassen“, das ja auch Ihre Partei immer hoch gehalten hat, auf einmal nicht mehr?

    Holetschek: Es darf nach wie vor jeder so, wie er will. Denn die Regelung gilt nur für die Schulen und die öffentliche Verwaltung. Bei diesen Institutionen finde ich es richtig und wichtig, eine klare Ansage zu machen. Aber ich wundere mich, ehrlich gesagt, dass gerade in den Medien so viel über das Gendern und so wenig über die neue Pisa-Studie geredet wird, die uns ganz andere Fragen aufgibt.

    Fragen stellen sich tatsächlich viele: Warum sind die Leistungen der Schüler so schlecht? Warum wird der Schnee nicht weggeräumt? Warum fährt die Bahn tagelang nicht? Was ist denn los in diesem Land?

    Holetschek: Das sind sehr berechtigte Fragen. Bei der Bahn ist es eindeutig Managementversagen. Hier ist eine Neuaufstellung des Konzerns nötig. Und ich kann Ihre Liste gleich fortsetzen: Warum bekomme ich keinen Termin beim Arzt? Warum fehlen Medikamente? Kommunalpolitiker berichten mir von überbordender Bürokratie bei Förderanträgen. Das beschäftigt die Menschen und führt zu Vertrauensverlusten. Das müssen wir ändern – auch wenn in Bayern zum Glück vieles besser funktioniert als anderswo. Wir müssen den Menschen das Leben wieder leichter und unkomplizierter machen.

    Das klingt gut, aber was schlagen Sie da konkret vor?

    Holetschek: Ich nenne Ihnen ein sehr konkretes Beispiel, das auch in unserem Koalitionsvertrag steht: Wir wollen im Bereich der Altenpflege Heimaufsicht und medizinischen Dienst zusammenführen, um die Zahl der Kontrollen auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Kontrolle ist wichtig, keine Frage, aber zu viel Kontrolle kann auch dazu führen, dass aus Angst vor Beanstandungen nicht mehr eigenverantwortlich entschieden wird. Das gilt für viele Bereiche staatlichen Handelns. Wir werden nicht nur die eine oder andere Vorschrift abschaffen, sondern stellen das System auf den Prüfstand – und zwar insgesamt. Wir werden Ernst machen mit Entbürokratisierung. Das ist dem Ministerpräsidenten und mir ein ganz wichtiges Anliegen.

    Wie wollen Sie da vorgehen?

    Holetschek: Ich habe die Vorsitzenden der Facharbeitskreise in unserer Fraktion beauftragt, Ideen zu entwickeln und Vorschläge zu unterbreiten. Bei unserer Winterklausur im Januar in Kloster Banz steht das Thema Bürokratie dann im Vorstand ganz oben auf der Tagesordnung. Ich weiß selbstverständlich, dass es da keine Patentlösungen gibt. Aber das Ziel ist klar: Wir müssen die Handlungskompetenz des Staates für die Menschen wieder sichtbar machen und zeigen, dass wir etwas zum Positiven verändern können.

    Gilt das auch beim Thema Versorgung mit Krankenhäusern, über das Bayern mit dem Bund streitet? Es ist unbestritten, dass zu viele Kapazitäten da sind, dass das Krankenhauswesen schlecht organisiert und zu teuer ist. Wenn man da etwas ändern will, dann muss man Krankenhäuser schließen. Der Vorwurf lautet, die Staatsregierung habe sich aus Angst vor Protesten davor gedrückt.

    Holetschek: Wir wollen keine Krankenhäuser schließen – und man hat sich auch nicht vor Schließungen gedrückt. Denken Sie an die Pandemie. Da waren wir über jedes Bett froh, das es gab. Richtig ist allerdings: Wir brauchen eine Optimierung der Versorgungslandschaft. Da ändert sich vieles. Es wird mehr ambulant passieren. Deshalb müssen wir den ambulanten und stationären Bereich verschränken. Das heißt aber nicht, dass wir Häuser schließen müssen. Wir brauchen Verbundlösungen und wir müssen die Notfallversorgung sicherstellen, weil das die größte Sorge der Bürger ist: Wo muss ich im Notfall hin? Ich werfe dem Bundesgesundheitsminister vor, dass er es zulässt, dass Krankenhäuser wegen des kalten Strukturwandels schließen müssen. Er setzt damit die Gesundheit der Patientinnen und Patienten aufs Spiel. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen. Er erzählt nämlich Geschichten. Anders als im Märchen nehmen Lauterbachs Geschichten aber kein gutes Ende.

    Wir haben über Herbert Wehner gesprochen. Wer unter ihm Bundeskanzler war, hatte es nicht leicht. Es gibt aber auch andere Modelle. Volker Kauder zum Beispiel hatte unter Angela Merkel die Aufgabe, die Fraktion auf Kurs zu trimmen. Auch Markus Söder gilt als dominanter Regierungschef. Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zu Söder?

    Holetschek: Ich bin sehr zufrieden. Wir haben eine gemeinsame Basis, sonst hätte er mich ja auch nicht als Fraktionschef vorgeschlagen. Und ich schätze ihn sehr, sonst würde ich das auch nicht machen.

    Widersprechen Sie Ihrem Ministerpräsidenten auch mal?

    Holetschek: Staatsregierung und Landtagsfraktion sind eine Aktionsgemeinschaft, und das soll auch so bleiben. Wenn wir einmal nicht einer Meinung sind, was sicher auch vorkommen kann, dann besprechen wir das. Mir und meinen Kollegen geht es darum, was können wir für einen Beitrag leisten, dass Politik besser wird.

    Es gab mal Zeiten, lang ist’s her, da wurde in der CSU-Landtagsfraktion kontrovers diskutiert. Können Sie sich erinnern, wann zum letzten Mal ein Abgeordneter in einer Fraktionssitzung dem Ministerpräsidenten widersprochen hat?

    Holetschek: In unserer Fraktion wird immer alles offen diskutiert. Das entspricht unserem Stil und auch meinem ganz persönlich.

    Ihr Ministerpräsident hat sich gerade erst wieder in einem Interview zu Wort gemeldet und darüber gesprochen, was man mitbringen muss, um Kanzlerkandidat zu sein. Haben Sie irgendein Verständnis dafür, dass Herr Söder diese Debatte drei Tage nach seiner Regierungserklärung im Landtag wieder aufwärmt?

    Holetschek: Der Anspruch der CSU ist immer noch der, dass wir bei diesem Thema mitreden und mitbestimmen. Und wenn aufgrund der aktuellen Situation der Ampel sogar mögliche Neuwahlen im Raum stehen, finde ich es schon richtig, darüber zu reden, wem die Menschen vertrauen und wer die Kompetenz hat.

    Wäre Söder ein guter Kanzlerkandidat?

    Holetschek: Die Frage stellt sich aktuell nicht.

    Könnten Sie mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat leben?

    Holetschek: Ich kann mit vielen Menschen leben. Ich kenne Friedrich Merz aus meiner Zeit im Bundestag. Da war er mein Fraktionsvorsitzender. Ich denke, er hat verschiedene Qualitäten. Er gibt der Opposition eine starke Stimme. Alles andere wird zur richtigen Zeit geklärt. Wenn es so weit ist, werden CDU und CSU einen Kandidaten nominieren, der die besten Aussichten hat, diese überforderte Ampelregierung abzulösen und unser Land wieder in die richtige Spur zu bringen.

    Wie lange geben Sie der Ampel?

    Holetschek: Ich befürchte, dass sie noch länger da sein wird. Den Ampelparteien ist das Risiko zu groß, bei Neuwahlen in der Versenkung zu verschwinden.

    Ausgelöst wurde die aktuelle Regierungskrise durch die Klage der Union gegen den Haushalt. Eine Folge davon ist, dass jetzt Milliarden fehlen, die über verschiedene Kanäle auch nach Bayern fließen sollten. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat das als Erster angesprochen. War die Klage ein Schuss ins Knie?

    Holetschek: Bei der Klage ging es darum, dass ein Haushalt verfassungskonform sein muss. Da kann die Frage, ob hinterher irgendwo Geld fehlt, nicht der Maßstab sein. Die Konsequenz, die Sie ansprechen, ist selbstverständlich nicht gut. Aber dadurch wird die Rechtswidrigkeit nicht geheilt – auch wenn Hubert Aiwanger jetzt offenbar eine neue Freundschaft zu Herrn Habeck entdeckt hat. Und dass solide Haushaltspolitik auch in diesen schwierigen Zeiten möglich ist, zeigt Bayern. Auch ohne Schulden kann man Milliardenbeträge in die Zukunft des Landes investieren.

    Noch mal zu Herbert Wehner. Der hat über seinen damaligen Kanzler Willy Brandt mal gesagt: „Der Kanzler badet gerne lau“, und damit dessen Schwäche kritisiert. Was sagen Sie über den aktuellen Kanzler?

    Holetschek: Ich würde mir wünschen, dass ein Kanzler in der Krise führt. In der Krise zeigt sich die Größe. Und Bundeskanzler Olaf Scholz schrumpft.

    Zur Person: Klaus Holetschek, 59, war bis Oktober bayerischer Minister für Gesundheit und Pflege und ist seitdem CSU-Fraktionsvorsitzender. Der Jurist, gebürtig in Landshut, war Bürgermeister von Bad Wörishofen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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