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Interview: Holetschek zur Krankenhausfinanzierung: "Die Situation ist sehr wohl dramatisch"

Interview

Holetschek zur Krankenhausfinanzierung: "Die Situation ist sehr wohl dramatisch"

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    Der Allgäuer Klaus Holetschek (CSU) ist seit Januar 2021 bayerischer Gesundheitsminister.
    Der Allgäuer Klaus Holetschek (CSU) ist seit Januar 2021 bayerischer Gesundheitsminister. Foto: Stefan Puchner, dpa (Archivbild)

    Herr Holetschek, es gibt einen bundesweiten Aufschrei wegen angeblich drohender Pleiten von Kliniken. Auch Sie haben diese Woche Alarm geschlagen. Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ein Krankenhaus kann doch nicht einfach pleitegehen, solange es einen öffentlichen Träger hat.

    Klaus Holetschek: Selbstverständlich geht ein Krankenhaus nicht von heute auf morgen pleite. Aber unter den mehr als 400 Krankenhausstandorten in Bayern gibt es viele, die infolge der Pandemie erheblich gelitten haben. Für einige Häuser besteht tatsächlich die Gefahr, dass sie mittelfristig schließen müssen. Die Situation ist sehr wohl dramatisch.

    Die Krankenhäuser klagen über Inflation und explodierende Energiekosten und machen geltend, dass sie das dieses Jahr aus systemischen Gründen nicht mehr ausgleichen können. Woran hakt es da konkret? Können Sie uns das in kurzen Worten erklären?

    Holetschek: Die Finanzierung ist ein komplexes System. Im Kern geht es bei den Forderungen an den Bund darum, dass der Bundesgesetzgeber für die hohen zusätzlichen Kosten, die dieses Jahr schon anfallen, eine Refinanzierungsmöglichkeit schafft und den Krankenkassen einen Ausgleich gibt, damit die Kassen das Geld an die Krankenhäuser weitergeben können. Klar ist zudem: Die Kliniken müssen jetzt ihre Wirtschaftspläne fürs kommende Jahr aufstellen – sie brauchen also jetzt eine Perspektive, nicht erst in einigen Monaten.

    Nun gibt es in der Krankenhausfinanzierung ein einfaches Prinzip: Die Kosten für die Behandlung von Patienten werden von den Krankenkassen finanziert, die Investitionskosten tragen die Länder. Der Ärger der Ländergesundheitsminister aber richtet sich auf den Bund. Warum?

    Holetschek: Weil wir im Juni auf der Gesundheitsministerkonferenz einen einstimmigen Beschluss gefasst haben, dass der Bund rechtzeitig für einen Ausgleich sorgen muss. Bis heute haben wir davon nichts gehört, obwohl der Bundesgesundheitsminister unsere Einschätzung geteilt hat – allerdings ohne einen einzigen Lösungsvorschlag vorzulegen. Das Ergebnis ist ein drohender kalter Strukturwandel, der die Versorgungssicherheit der Menschen gefährdet. Wenn ich böswillig wäre, könnte ich sagen: Das ist sogar so gewollt. Der Bund will offenbar die Zahl der Krankenhausstandorte reduzieren. Das träfe in Bayern insbesondere den ländlichen Raum.

    Sie werfen der Bundesregierung vor, das System an die Wand zu fahren. Ist das jetzt wieder nur bayerisches Ampel-Bashing oder können Sie das inhaltlich noch genauer begründen?

    Holetschek: Der Bund fährt das System an die Wand, indem er nicht ausreichend beziehungsweise nicht schnell genug handelt. Nicht gelöst sind das eben besprochene Thema der drastisch steigenden Krankenhausausgaben und die katastrophale Unterfinanzierung der Krankenkassen. Und auch beim Thema Pflegeversicherung tut sich nichts. Diese Probleme dulden aber allesamt keinen Aufschub.

    Kann Bayern nicht selbst mehr für seine Krankenhäuser tun?

    Holetschek: Wir tun schon jede Menge. Klar muss sein, dass die Länder nicht die Ausfallbürgen des Bundes sind. Für die Betriebskosten der Krankenhäuser, für die Krankenkassen und für die Rahmenbedingungen der Finanzierung ist ausschließlich der Bund zuständig. Dieses Problem kann daher letztendlich auch nur der Bund lösen. Bayern stellt bereits jedes Jahr 643 Millionen Euro für Krankenhausinvestitionen zur Verfügung und liegt damit im Spitzenfeld der Bundesländer. Auch die Kofinanzierung von 180 Millionen Euro für die Digitalisierung der Kliniken übernimmt der Freistaat komplett.

    Wie hat sich denn Ihr Verhältnis zu Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entwickelt? Sie beide waren sich doch zum Beispiel in Sachen Corona oft sehr einig – zumindest in der Analyse.

    Holetschek: Ich würde mir wünschen, dass er weniger professorale Vorlesungen hält, sondern die Dinge endlich anpackt. Wir können es uns in Deutschland nicht leisten, dass die Gesundheitspolitik vor allem vom Bundesfinanzminister oder vom Bundesjustizminister gemacht wird. Ich habe schon den Eindruck, dass Lauterbach gerne mehr machen würde, aber er entkommt offenbar dem Korsett nicht, in das er gesteckt wurde. Und seine Kommunikation ist obendrein ein Desaster.

    Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

    Holetschek: Eines? Da fallen mir gleich mehrere Beispiele ein. Erstens: Wie lange soll man bei Corona in Isolation und soll sie freiwillig sein? Da waren wir uns in der Gesundheitsministerkonferenz einig und Lauterbach hat das wenige Stunden später in einer Talk-Show wieder revidiert. Die Talkshow von Markus Lanz ist nicht die Bundespressekonferenz. Zweitens: Seine Aussagen zu den Auffrischungsimpfungen ohne Abstimmung mit der Ständigen Impfkommission. Das hat auch nicht für mehr Vertrauen in der Bevölkerung gesorgt. Und drittens: Der Unsinn mit den Masken in Flugzeug und Zug. Entweder nutzen Masken etwas – dann muss das überall gelten, wo Leute nicht ausweichen können. Oder nicht: Dann muss man es halt überall bleiben lassen.

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