Es ist noch gar nicht so lange her, da ist den Grünen viel Sympathie entgegengebracht worden. In diesem Wahlkampf sieht es so aus, als hätte sich die Stimmung ins Gegenteil verkehrtBild der "Verbotspartei": Bei den Grünen ist nicht mehr alles im grünen BereichLandtagswahl 2023. Woran liegt’s?
KATHARINA SCHULZE: Ganz so negativ würde ich das jetzt hier nicht beschreiben. Ludwig und ich sind seit Wochen im ganzen Land unterwegs. Wir treffen viele Menschen, die sich freuen uns zu sehen, die unsere Demokratie stärken wollen. Richtig aber ist auch, dass es ein sehr intensiver Wahlkampf in einer sehr aufgeheizten Stimmung ist. Dafür gibt es vermutlich mehrere Erklärungen. Ein Punkt ist sicher, dass die Gesellschaft insgesamt erschöpft ist von mehreren Krisen hintereinander.
LUDWIG HARTMANN: Diese aufgeheizte Stimmung ist nicht vom Himmel gefallen. Sie wird durch einige unserer politischen Mitbewerber auch gezielt geschürt. Wenn Hubert Aiwanger und zum Teil auch Markus Söder nur neue Ideen niedermachen, ohne eigene Ideen zu liefern, dann ist das für uns herausfordernd.
Sie können aber nicht bestreiten, dass die Bundespolitik einen Einfluss auf die Stimmung im bayerischen Landtagswahlkampf hat. Haben Sie Verständnis dafür, dass sich viele Menschen über den Murks beim Heizungsgesetz geärgert haben?
KATHARINA SCHULZE: Das haben wir. Und wir sagen auch ganz klar, dass da die Kommunikation eindeutig nicht gut genug gelaufen ist. Wir haben viel zu wenig darüber geredet, warum wir auch im Gebäudebereich CO2-neutral werden müssen, warum wir möchten, dass die Menschen keine Kostenfalle im Keller haben, wenn der C02-Preis weiter steigt. Das muss deutlich besser werden.
LUDWIG HARTMANN: Wir wollen die Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren, weil sie den Menschen horrende Kosten aufbürdet und schlecht fürs Klima ist. Darauf hat das Gebäudeenergiegesetz die richtige Antwort gegeben. Und als das Holz als nachhaltiger Brennstoff im ersten Gesetzentwurf nicht berücksichtigt war, sind wir von Bayern aus sofort tätig geworden. Wir haben uns durchgesetzt – übrigens Seite an Seite mit dem bayerischen Bauernverband, was ja nicht alltäglich ist.
Die Debatte ums Heizen mit Holz geht aber schon wieder weiter. Sind Sie da nicht sauer auf Ihre Kollegen in Berlin?
LUDWIG HARTMANN: Ach, was heißt hier sauer! Ich würde mir wünschen, dass wir ein wenig klarer kommunizieren. Zunächst einmal müssen wir feststellen: Wir haben erreicht, dass es auch in Zukunft möglich ist, mit Holz zu heizen. Das war der entscheidende Schritt. In einem zweiten Schritt geht es jetzt um die Fördersätze. Wir wollen einen Tempo-Bonus – wer schnell umstellt, wird stärker gefördert. Aber wir wollen halt auch mehr Förderung für jemanden, der eine noch klimafreundlichere Lösung hat, weil er zusätzlich eine thermische Solaranlage einbaut.
KATHARINA SCHULZE: Ich kann Ihnen sagen, worüber ich sauer bin. Ich finde es unredlich, dass auch politische Mitbewerber gerade bei diesem Thema teilweise mit Desinformationen und enormen Übertreibungen unterwegs sind. Es gibt jetzt einen guten Kompromiss, einschließlich einer hohen sozialen Förderung. Und jetzt wird, anstatt das zu beruhigen, die nächste Sau durchs Dorf getrieben.
Wie gehen Sie mit Protesten gegen Ihre Politik um?
KATHARINA SCHULZE: Also, ich finde es wichtig, dass man miteinander redet statt übereinander. Deswegen bieten wir viele Optionen an, direkt mit uns ins Gespräch zu kommen. Man muss da nicht immer einer Meinung sein, es müssen beide bereit sein, auch zuzuhören. Wenn Du angebrüllt wirst und Dein Gegenüber in Verschwörungsmythen abdriftet wie, dass wir keine Demokratie hätten, dann wird es schwierig.
LUDWIG HARTMANN: Mich trifft gar nicht mal so, wie mit uns gerade umgegangen wird. Mich trifft viel mehr, was in der Gesellschaft gerade passiert. Wenn ich die Reden von Aiwanger und Söder höre, da wird ein Spalt in die Gesellschaft hineingetrieben. Aber wer sein Land liebt, der spaltet es doch nicht.
In Neu-Ulm hat ein Mann einen Stein geworfen, als Sie beide auf der Bühne standen. Was hat das für Sie geändert?
KATHARINA SCHULZE: Es war auch noch die Gebärdendolmetscherin mit auf der Bühne, die wird leider immer ein bisschen vergessen. Ihr ist zum Glück auch nichts passiert und die Polizei hat super reagiert. Für mich persönlich mache ich mir jetzt keine großen Sorgen vor dem nächsten Auftritt. Man muss ja auch sagen, das war die absolute Ausnahme. Uns hat der Stein nicht verletzt, aber unsere demokratischen Werte.
LUDWIG HARTMANN: Mich hat das massiv geschockt, ich habe die Rede auch gleich unterbrochen. Wenn in der ersten Reihe mein Siebenjähriger sitzt, wenn ein Stein fliegt, kann ich die Nacht danach nicht schlafen, das gebe ich ehrlich zu. Also, ich werde kein Kind mehr mitnehmen, um beim Wahlkampf zuzuschauen. Außerdem war das bei mir nicht das erste Mal. Ich habe vor zehn Jahren in Landsberg bei einer Demo gegen Neonazis einen Schlag voll ins Gesicht bekommen.
Noch einmal zurück zum Anfang unseres Gesprächs. Sehen Sie immer noch den breiten Rückhalt in der Bevölkerung für Ihre Klimapolitik?
LUDWIG HARTMANN: Ich sehe in der Bevölkerung den Wunsch, dass wir Klimaschutz machen. Insgesamt haben wir alle dadurch gemeinsam viel zu gewinnen: Freiheit, Wohlstand, Heimat. Darüber sollten wir reden und nicht immer, was wir angeblich zu verlieren haben. Wenn wir aber Klimaschutz nicht umsetzen, haben wir nur Verlierer produziert, zuvorderst sind das auch unsere Kinder und Enkel. Das ist doch klar.
Nach den Umfragen gehen Ihre Chancen auf eine Regierungsbeteiligung gegen null. Wie geht es bei Ihnen nach dem Wahltag weiter?
KATHARINA SCHULZE: Wir Grünen treten in diesem Wahlkampf ganz klar an mit dem Ziel, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dazu sprechen wir nach der Wahl mit allen demokratischen Parteien.
Aber CSU-Chef Söder hat doch eine Koalition mit Ihnen ganz klar ausgeschlossen?
LUDWIG HARTMANN: Wenn bei Söder auf Eines Verlass ist, dann auf das: Er kann seine Meinung ganz schnell ändern.
Zur Person
Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind zum zweiten Mal das Spitzenkandidaten-Duo der Grünen in Bayern und führen auch die Fraktion im Landtag. Schulze (38) zog bereits 2013 erstmals ins Maximilianeum ein und wurde vor fünf Jahren in München-Milbertshofen direkt gewählt. Der 45-jährige Hartmann kommt aus Landsberg am Lech und ist seit 2008 Abgeordneter. Bei den Wahlen 2018 errang er im Stimmkreis München-Mitte mit 44 Prozent das Direktmandat mit dem landesweit besten Erststimmenergebnis seiner Partei.