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Interview: Franken-Tatort-Kommissar Hinrichs: "Wir sollten nicht dauernd und alles bewerten"

Interview

Franken-Tatort-Kommissar Hinrichs: "Wir sollten nicht dauernd und alles bewerten"

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    Fabian Hinrichs spielt im Franken-Tatort Kommissar Felix Voss. Die nächste Folge "Warum" wird an diesem Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt.
    Fabian Hinrichs spielt im Franken-Tatort Kommissar Felix Voss. Die nächste Folge "Warum" wird an diesem Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt. Foto: Annette Riedl, dpa

    Herr Hinrichs, sind Sie inzwischen schon zum Franken ehrenhalber ernannt worden?

    Fabian Hinrichs: Nein, noch nicht. Ich hatte bisher lediglich eine lose Anfrage des fränkischen Weinbauverbands. Die wollten, dass ich für fränkischen Rotwein Werbung mache. Ich habe leider nicht zurückgeschrieben – und die haben sich dann auch nicht mehr gemeldet. Aber im Grunde wäre das ein Thema. Ich bin ja ein Fan der Region geworden.

    Sie ermitteln nun schon in ihrem achten Franken-Tatort und Sie kommen als gebürtiger Hamburger mit diesem, sagen wir, doch speziellen Menschenschlag gut zurecht?

    Hinrichs: Na ja, ich wohne ja privat in Potsdam, das ist Brandenburg. Das ist auch ganz anders als Hamburg. Und Franken ist auch ganz anders als

    Hätten Sie gedacht, dass die Franken-Tatorte so erfolgreich sein werden?

    Hinrichs: Ja, warum nicht. Erfolg ist aber so ein Wort. Im Fernsehen wird Erfolg ja gerne in Quote gemessen. Ich finde das schrecklich.

    Und wie definieren Sie Erfolg?

    Hinrichs: Jedenfalls nicht in Quoten, die ich für eine rätselhafterweise selbst gewählte Fessel halte. Es gibt für mich schlicht keinen triftigen Grund, Erfolg in Quoten zu messen.

    Aber die Quote gilt halt immer noch als die TV-Währung.

    Hinrichs: Ja. Und so gesehen stehen wir auch ganz gut da. Aber für mich ist der innere Erfolg viel wichtiger.

    Wie messen Sie den?

    Hinrichs: Mit der Antwort auf die Frage, ob dieser Film Bestand haben wird.

    Und wie lautet Ihre Antwort?

    Hinrichs: Ich würde schon sagen, dass fast alle unsere Filme gelungen sind. Aber sollte ich uns wirklich selbst Zensuren ausstellen? Für mich ist es ein Erfolg, dass wir uns nicht kurzfristig irgendwelche Sachen, wie spezielle Ticks der Figuren, ausgedacht haben, die schon nach der dritten Folge zu nerven beginnen.

    Was hebt den Franken-Tatort von anderen Filmen der Krimireihe ab?

    Hinrichs: Es gibt ja die unterschiedlichsten Herangehensweisen. Wir breiten beispielsweise keine scherenschnitthaften Charaktereigenschaften der Figuren aus, die dann immer wieder reproduziert werden. Das mag anfangs etwas undeutlich gewirkt haben, weil die Leute keinen Horst Schimanski bekamen. Aber im Laufe der Filme entsteht etwas im Leben Verankertes. Aber ich möchte die anderen gar nicht bewerten.

    Die Konkurrenz ist groß bei den Tatorten?

    Hinrichs: Sie wird im Zweifel gewachsen sein, so wie ja insgesamt die Konkurrenzen immer weiter wachsen und das auch noch befördert wird. Man muss aufpassen, dass wir nicht dauernd und alles bewerten und das dann auch nur dreistufig: „Daumen rauf, Daumen runter, Daumen in der Mitte“. Darunter leiden letztendlich alle. Ich merke das bei meinen Kindern, wenn sie fragen: Wer ist der beste Schauspieler oder der beste Fußballer?

    Was antworten Sie denen dann?

    Hinrichs: Dass es darauf eben keine einfache Antwort gibt. Ein guter Torwart ist etwas ganz anderes als ein guter Stürmer. Sie wissen, worauf ich hinauswill. Dieses Einordnen in Vergleichsverhältnisse – wo soll das hinführen? Man sieht das an der Entwicklung der Talkshows. In den 80er Jahren fanden da noch inhaltliche Gespräche statt. Da wurde eine Pause gemacht, da wurde tatsächlich auch mal nachgedacht.

    Und heute?

    Hinrichs: Heutzutage hat jeder Gast vier Minuten, jeder plappert. Ganz komisch finde ich auch Vorgespräche, um sich abzusichern, dass alles glatt verkauft werden kann. Das Schöne an den Gesprächen früher war ja, dass es da auch immer wieder gehakt hat. Es gab Dissonanzen, Störungen, Undeutlichkeiten. Dann wird es lebendig. Und in unseren gelungenen Franken-Tatort-Filmen gibt es genau das.

    Die Rolle des Felix Voss, sagten Sie mal, sei wie ein Zuhause. Liegt das auch daran, dass Ihr Vater im echten Leben Polizist war?

    Hinrichs: Habe ich das mal gesagt? Das könnte schon eine Rolle spielen. Es ist aber nicht beabsichtigt oder bewusst. Es ist auch keine Wiederholung einer Familientradition. Darüber habe ich mir übrigens nicht allzu hartnäckig Gedanken gemacht, weil die filmische Wirklichkeit nun wirklich eine ganz andere ist. Mein Opa und mein Bruder waren beziehungsweise sind übrigens auch Polizisten. Und wenn man die Polizeiarbeit so zeigen würde, wie sie wirklich ist, wäre das sehr sicher langweilig. Denn ermittelt wird abseits von Zivilfahndern und mobilen Einsatzkommandos meist im Büro am Computer. In den Filmen geht es mehr um das Wesen des Ermittelns.

    Sie sind neben ihren Schauspielengagements sozusagen Dauerstudent. Sie haben Jura, Politik, Kulturwissenschaften und natürlich auch Schauspiel studiert. Was treibt Sie da an?

    Hinrichs: Ich schreibe ja auch hin und wieder und führe auch immer häufiger Regie. Da kann so ein Wissen nützlich sein. Dahinter steht aber nicht wirklich ein Verwertungsgedanke.

    Sie schreiben auch Bücher?

    Hinrichs: Naja, Texte fürs Theater. Bücher, was heißt Bücher? Ich fange gerade mal mit einem an, ja.

    Worum geht es?

    Hinrichs: Der Ullstein-Verlag hat mich angesprochen, weil ich einige Essays für die FAZ geschrieben habe. Es geht um die Frage, warum die Kunst in weiten Teilen der Gesellschaft so einen geringen Wert hat, wie man in Corona-Krise sehen konnte. Die Baumärkte waren offen, die Theater geschlossen.

    Woher kommt das kulturhistorisch?

    Hinrichs: Man kann schon mit Platon beginnen. Das, was man sieht, sind nach Platon immer nur Abbilder einer Idee. Und der Künstler, Maler oder Schauspieler zeichnet nur ein Bild vom Abbild, also so gut wie gar nichts mehr von Wert für einen strammen Platoniker. Dieser tiefe Rationalismus ist spätestens seit Descartes so tief in uns drin, dass wir von all dem, was man nicht beschreiben oder erdenken kann, glauben, das gibt es gar nicht. Angela Merkel mochten die Deutschen, weil sie so eine rationale Politikerin war. Man sollte aber fragen, ob es wirklich vernünftig ist, die Welt hauptsächlich gedanklich fassen zu wollen und nur die durch Denken gewonnenen Erkenntnisse anzuerkennen.

    Ist das auch der Grund, warum sie politisch die Linken unterstützen?

    Hinrichs: Das höre ich immer wieder. Aber ich unterstütze die Linken gar nicht. Das heißt allerdings nicht, dass ich die Partei ablehne. Ich weiß tatsächlich nicht, woher das kommt. Ich war mal auf einer Demonstration in Berlin, die war aber nicht von den Linken organisiert, sondern von der sozialen Bewegung „Unteilbar“. Da ging es um Mieten, um Migrationspolitik und so was. Wahrscheinlich wurde ich dabei fotografiert. Seitdem soll ich jedenfalls die Linken unterstützen. Es wäre schön, wenn Wikipedia das mal löschen könnte. Na ja, es gibt Schlimmeres. Könnte ja auch verbreitet werden, dass ich für die AfD bin!

    Zur Person: Der gebürtige Hamburger Fabian Hinrichs, 48, hatte seinen Durchbruch 2005 mit seiner Darstellung des Widerstandskämpfers Hans Scholl. Einem breiten Fernsehpublikum ist er als Kommissar Felix Voss im Franken-Tatort bekannt.

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