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Interview: Fraktionschef der Freien Wähler: "In München herrscht wahre Harmonie"

Interview

Fraktionschef der Freien Wähler: "In München herrscht wahre Harmonie"

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    Florian Streibl, 59, ist seit 2018 Chef der Landtagsfraktion der Freien Wähler in Bayern.
    Florian Streibl, 59, ist seit 2018 Chef der Landtagsfraktion der Freien Wähler in Bayern. Foto: Matthias Balk, dpa (Archivbild)

    Herr Streibl, es wird wieder gestichelt zwischen CSU und Freien Wählern – zum Beispiel auf dem Gillamoos-Volksfest in Abensberg. Hat der Wahlkampf zwischen den Partnern in der „Bayern-Koalition“ schon ein Jahr vor der Wahl begonnen?

    Florian Streibl: Nein, das ist bestenfalls ein bisserl Vorwahlkampf und im Übrigen der Tradition auf dem Gillamoos geschuldet. Das sollte niemand überbewerten. Die Koalition in Bayern arbeitet sehr erfolgreich.

    Manche Sätze auf dem Volksfest klangen aber anders. CSU-Chef Markus Söder hat über die bayerische Regierungskoalition gesagt, dass sie ohne die CSU in einem totalen Chaos enden würde. Sie haben als Chef der Landtagsfraktion der Freien Wähler kräftig dagegengehalten und gesagt: „Wir korrigieren die Fehler der CSU und vermeiden damit Dummheiten.“ Nach eitel Sonnenschein hört sich das nicht an.

    Streibl: Jeder versucht, sich vom anderen abzugrenzen und seine Eigenständigkeit zu betonen. Das ist doch ganz normal – vor allem im Bierzelt auf dem Gillamoos gehört das dazu. Nichtsdestotrotz funktioniert unsere Koalition sehr gut. Sie hat sich gerade jetzt in Krisenzeiten bewährt. Als wir angefangen haben, gab es noch keine Pandemie, keinen Krieg in der Ukraine und keine Energieprobleme. Das alles kam über uns wie die Apokalyptischen Reiter. Ich denke, wir haben das miteinander gut durchgestanden und ein großes Stück weit gelernt, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Wenn ich sehe, wie es gerade in der Ampel-Koalition in Berlin zugeht, dann muss ich sagen: In München herrscht zwischen CSU und Freien Wählern wahre Harmonie.

    CSU-Chef Söder sagt, er wolle nach der Wahl 2023 weiter mit den Freien Wählern regieren. Sagen Sie das auch?

    Streibl: Ja, den Willen dazu gibt es auf beiden Seiten. Unser Erfolgsrezept für Bayern ist, dass wir eine rein bayerische Koalition sind. In dem Moment, in dem eine Partei der Ampel-Koalition hier am Regierungstisch sitzen würde, würde Berlin in München mitregieren. Das wollen wir Freie Wähler genauso wenig wie die CSU.

    Durchschlagenden Erfolg haben die Freien Wähler in der Koalition aber offenbar nicht – zum Beispiel in der Bildungspolitik. Sie haben im Sommer noch einmal zusätzliche 1000 Lehrer gefordert. Sie wollten Lehrpläne entschlacken und mehr Sportunterricht. Wenn ich Ihren Kultusminister Michael Piazolo höre, dann ist das nicht Realität geworden.

    Streibl: Das stimmt leider. Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Aber wir geben in dieser Frage nicht auf.

    An diesem Mittwoch trifft sich Ihre Landtagsfraktion zur Herbstklausur in Nördlingen. Mit welchen landespolitischen Themen werden Sie sich die kommenden drei Tage beschäftigen?

    Streibl: Das große Thema wird die Inflation sein. Das kann man im Moment nicht einfach wegwischen. In der Landespolitik haben wir zwei Schwerpunkte: Wir beschäftigen uns mit der Frage des Wissenstransfers. Da geht es darum, wie wir in Bayern Erkenntnisse aus der Forschung in der Praxis, also in der Wirtschaft nutzbar machen können. Und ein weiteres Thema, um Bayern zukunftsfähig zu machen, wird der Fachkräftemangel und die berufliche Bildung sein. Wir wollen die Gleichwertigkeit zur akademischen Bildung herausstellen. Das ist äußerst wichtig – fürs Handwerk, für den ländlichen Raum, aber auch für Bayern insgesamt.

    In Fragen der Energiekrise und der Preissteigerungen hat eine Landesregierung wenig Einfluss. Da können Sie nicht viel tun.

    Streibl: Aber das beschäftigt die Menschen im Land und muss schon deshalb auch uns beschäftigen. Wir müssen schauen, was wir tun können. Bayern wird zum neuen Entlastungspaket des Bundes wahrscheinlich ohnehin schon mal zwei Milliarden Euro beisteuern. Wir müssen uns dann die Frage stellen, ob wir als Landesregierung noch etwas mehr tun können – nicht mit der Gießkanne, sondern punktuell, wo Leute wirklich in Not kommen. Und wir müssen darauf drängen, dass Energie bezahlbar bleibt.

    Letzteres kann aber wiederum nur der Bund beeinflussen.

    Streibl: Es ist richtig, dass wir gerade beim Thema Energie nur Forderungen und Appelle formulieren können. Aber auch das will begründet sein. Ich war jetzt in Frankreich in Urlaub. Da zahlt man an den Zapfsäulen weniger als bei uns. Über so einen Preisdeckel für Sprit und Energie muss man reden, schon allein wegen unserer vielen Pendler und Handwerker. Ein Handwerker kann sein Werkzeug nicht einfach im öffentlichen Personennahverkehr befördern. Er braucht einen Wagen.

    Beim Thema Energie waren sich CSU und Freie Wähler in der Vergangenheit nicht immer einig. Die CSU wollte keine Windräder mehr, die Freien leisteten Widerstand gegen Stromtrassen. Ändert sich das jetzt?

    Streibl: Die Situation hat sich mit dem Krieg in der Ukraine grundlegend geändert. Wir müssen jetzt alles tun, um Energiesicherheit herzustellen. Ich bin überzeugt, dass die Bevölkerung dieser Frage mittlerweile einen höheren Stellenwert beimisst. Wir brauchen alles: Kohle- und Kernkraftwerke, erneuerbare Energien, Stromtrassen, aber auch Leitungen, um den Strom, den wir hier in Bayern erzeugen, ins Netz zu bringen. Da wird man auf allen Seiten Kompromisse eingehen müssen. Anders geht das jetzt nicht.

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