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Interview: Forscherin erklärt: So beeinflusst der Klimawandel unseren Körper

Interview

Forscherin erklärt: So beeinflusst der Klimawandel unseren Körper

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    „Hitze ist ein Faktor, der uns umbringen kann“, sagt die Augsburger Forscherin Claudia Traidl-Hoffmann und fordert, besonders gefährdete Menschen besonders zu schützen.
    „Hitze ist ein Faktor, der uns umbringen kann“, sagt die Augsburger Forscherin Claudia Traidl-Hoffmann und fordert, besonders gefährdete Menschen besonders zu schützen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Frau Prof. Traidl-Hoffmann, Sie sind Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin an der Universität Augsburg und haben jüngst gemeinsam mit der Wissenschaftsautorin Katja Trippel das Buch „Überhitzt“ veröffentlicht. Darin haben Sie sich als Wissenschaftlerin intensiv mit den physischen Folgen des Klimawandels auseinandergesetzt. Was sind Ihre Erkenntnisse?

    Claudia Traidl-Hoffmann: Mir ist es zunächst einmal wichtig zu sagen, dass wir den Klimawandel endlich richtig ernst nehmen müssen. Er bedroht die menschliche Existenz im Ganzen. Wir können zwei Dinge tun, um ihm zu begegnen. Zum einen können wir versuchen, uns an ihn anzupassen. Aber dieser Anpassungsfähigkeit sind Grenzen gesetzt. Deshalb müssen wir zum anderen Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel zumindest abzumildern. Stoppen können wir ihn nicht mehr.

    Was müssen wir konkret tun?

    Traidl-Hoffmann: Hitze ist ein Faktor, der uns umbringen kann. Das konnte man sehr gut jüngst etwa in Kanada beobachten, wo Temperaturen von fast 50 Grad erreicht wurden. Wir müssen besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen identifizieren und sie bei großer Hitze konkret ansprechen. Also: Die 90-Jährige, die allein in einer Dachwohnung lebt, aufsuchen, sie zum Trinken anregen, gegebenenfalls in klimatisierte Zonen bringen.

    Sind uns da andere Länder voraus?

    Traidl-Hoffmann: Ja, beispielsweise Frankreich, wo es eine solche organisierte Hilfestellung schon gibt. Dort werden bei großer Hitze Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen etwa in klimatisierte Museen gebracht, wo sie vor der größten Hitze des Tages geschützt sind.

    Das Klimacamp in Augsburg gibt es seit mehr als einem Jahr.
    Das Klimacamp in Augsburg gibt es seit mehr als einem Jahr. Foto: Bernd Hohlen

    Welche Bevölkerungsgruppen müssen noch geschützt werden?

    Traidl-Hoffmann: Natürlich Kinder – aber auch Angehörige bestimmter Berufe. Bei uns in der Uniklinik Augsburg wurde kürzlich ein Dachdecker mit Mitte 30 als Notfall eingeliefert, der fünf Stunden bei sengender Hitze auf dem Dach stand. Er hatte eine Kerntemperatur von 43 Grad – und starb trotz unmittelbarer intensivmedizinischer Behandlung. Wir müssen bei manchen Berufen klar sagen: Im Sommer darf man mittags dann eben nicht mehr draußen arbeiten.

    Was kann eine Großstadt wie Augsburg konkret tun?

    Traidl-Hoffmann: Zunächst das bereits angesprochene Netzwerk zum Schutz gefährdeter Personen bilden. Dabei sollte man auch eng mit den Krankenkassen und mit den Hausärztinnen und Hausärzten zusammenarbeiten.

    Und was wären weitere Maßnahmen?

    Traidl-Hoffmann: Augsburg darf sich nicht weiter aufheizen. Die Stadt sollte noch grüner werden und möglichst autofrei. Bei Hitze werden nämlich Autoabgase zu einer Art Chemiebaukasten und es entstehen Ozone und Stickoxide, die bei kühlerem Wetter nicht entstehen.

    Was kann städtebaulich gegen den Klimawandel getan werden?

    Traidl-Hoffmann: Es gibt die Idee, Schneisen in eine Stadt zu bauen, damit die Luft hinein wehen kann. Aber man darf nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Schneisen können Einfallstore für Tornados sein, die es künftig bei uns vermehrt geben wird. Die Stadt der Zukunft muss interdisziplinär geplant werden. Da sollten Berufsangehörige etwa aus den Bereichen Architektur, Geografie, Meteorologie und Medizin an einem Tisch sitzen.

    Wie ist künftig die Lage für Dörfer auf dem Land zu sehen?

    Traidl-Hoffmann: Den Menschen auf dem Lande geht es noch verhältnismäßig gut. Doch auch dort macht sich der Klimawandel schon jetzt bemerkbar. Das haben wir konkret erforscht. So fliegen jetzt bestimmte Pollen inzwischen zu ganz anderen Zeiten, teils sogar in der kalten Jahreszeit. Und sie fliegen viel weiter. Auf der Zugspitze gab es bislang eigentlich keinen Pollenflug. Das ist nun vorbei. Und Sie können in Augsburg Birkenpollenaufkommen haben, auch wenn dort gar keine Birke blüht.

    Welche Auswirkungen gibt es noch für die Menschen auf dem Lande?

    Traidl-Hoffmann: Neben einem höheren Aufkommen an Allergien wird es wohl deutlich mehr Trockenheit geben. Was wiederum die Waldbrandgefahr steigert. Und nicht zuletzt wird es vermutlich noch mehr Zustrom an Menschen etwa ins Allgäu geben, weil die Menschen wegen der Hitze zumindest eine Weile raus aus den Städten wollen.

    Wie prognostizieren Sie die Lage in 20 Jahren?

    Traidl-Hoffmann: Es wird immer mehr Teile der Welt geben, die nicht bewohnbar sind. Zum Beispiel in Afrika. Das wird die größte Völkerwanderung der bisherigen Geschichte auslösen.

    Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe besser mit Hitze umgehen können.

    Traidl-Hoffmann: Ja, die Haut ist besser für Hitze und UV-Strahlung gerüstet. Diese Menschen haben zum Beispiel mehr Schweißdrüsen. Generell ist die Anpassungsfähigkeit von Menschen in Bezug auf Hitze sehr unterschiedlich. Vieles ist noch nicht erforscht und verstanden. Fakt ist: Momentan haben wir zu viele Tode, die beispielsweise durch Hitzeschutzpläne verhindert werden könnten.

    Können sich weiße Menschen aus Mitteleuropa auf Hitze einstellen?

    Traidl-Hoffmann: Ja, in der kurzen Frist – etwa binnen sechs Wochen – geht schon etwas. Der Kreislauf passt sich dem Stoffwechsel an. Es kommt aber zu höherem Blutdruck und einem höheren Ausstoß an Cortison und Adrenalin. Hitze kann auch Probleme auslösen, die bei kühlerem Wetter nicht entstanden wären. Jüngst hatte ich eine 80-Jährige bei mir, die bisher eher einen milden Verlauf einer Neurodermitis hatte. Dann war sie bei großer Hitze in Südtirol. Und eine schwere Neurodermitis brach aus. Was eindeutig durch den Stress der Hitze ausgelöst wurde.

    Menschen in unterschiedlichen Weltzonen können sich unterschiedlich gut anpassen.
    Menschen in unterschiedlichen Weltzonen können sich unterschiedlich gut anpassen. Foto: dpa

    Können sich weiße Menschen nicht doch langfristig an Hitze anpassen? Das funktioniert doch etwa bei Australierinnen und Australiern mit englischen, schottischen oder irischen Vorfahren seit Jahrhunderten auch ganz gut. Und in Australien, wo es extrem heiß sein kann, gibt es mit 83 Jahren eine im Schnitt um zwei Jahre höhere Lebenserwartung als in Deutschland. Wie geht das zusammen? Das zeigt doch, dass sich Menschen sehr wohl an größere Hitze anpassen können.

    Traidl-Hoffmann: Auch das müsste man noch genauer erforschen. Vielleicht gibt es andere schützende Faktoren, die wir noch nicht im Blick haben. Etwa, dass die Menschen dort mehr Vitamin D bilden. Es könnte auch etwas mit der sogenannten Epigenetik zu tun haben. Umwelteinflüsse können, das wissen wir inzwischen, die Gene eines Menschen auch während seines Lebens, also nicht erst in der nächsten Generation, beeinflussen. Bestimmte Gene werden dabei sozusagen an- oder ausgeschaltet. Aber dabei sind wir in der Forschung noch ziemlich am Anfang. Ob das Thema Epigenetik auf weiße Menschen aus Australien Anwendung finden kann, vermag ich aber derzeit nicht zu sagen.

    Wir können uns aber nicht darauf verlassen, dass wir uns doch ein Stück weit an die Hitze anpassen könnten?

    Traidl-Hoffmann: Definitiv müssen wir unser Verhalten an die veränderten Umweltbedingungen anpassen – so gut wir das können. Bei Hitze können einfache Verhaltensweisen viel Schaden verhindern. Man sollte natürlich keinen Marathon bei 40 Grad laufen. Die Transformationsleistung, die wir alle gemeinsam erbringen müssen, um uns und unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, gehen jedoch weit darüber hinaus. Wir können in diesem Bereich noch viel schaffen, aber: Wir müssen alle jetzt damit beginnen.

    Zur Person: Claudia Traidl-Hoffmann forscht auch am Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in München.

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