Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Interview: TV-Ärztin Marianne Koch: "Erfolgreich altern können wir nur, wenn wir nicht einsam sind"

Interview

TV-Ärztin Marianne Koch: "Erfolgreich altern können wir nur, wenn wir nicht einsam sind"

    • |
    Die bekannte Ärztin Marianne Koch will älteren Menschen vor allem Mut machen, alle Chancen zu ergreifen, die sich ihnen bieten.
    Die bekannte Ärztin Marianne Koch will älteren Menschen vor allem Mut machen, alle Chancen zu ergreifen, die sich ihnen bieten. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Frau Dr. Koch, Sie waren 90, als Sie das Buch schrieben „Alt werde ich später“. Darin geben Sie Tipps, wie man fit bleibt. Jetzt, mit 92 Jahren, haben Sie nachgelegt. Ihr neues Buch heißt „Mit Verstand altern“. Hat sich in diesen zwei Jahren so viel in der Altersmedizin getan?
    DR. MARIANNE KOCH: In meinem neuen Buch geht es vor allem darum, welche Möglichkeiten wir haben, geistig fit zu bleiben. Und dazu gibt es eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse. Beispielsweise auch, wenn es darum geht, Alzheimer zu verhindern oder möglicherweise sogar zu therapieren. Unser Nervensystem hat mich schon immer sehr fasziniert – wie es funktioniert und was wir tun können, damit es möglichst lange gut arbeiten kann, das wollte ich nun erklären.

    Was kann man denn vor allem tun?
    KOCH: Das Schlagwort des lebenslangen Lernens kennen die meisten. Und genau das ist entscheidend: das lebenslange Interesse an der Welt und die Lust, sich mit Neuem zu beschäftigen, Neues zu erleben und zu verstehen. Es hat sich in vielen Studien herausgestellt, dass durch die Auseinandersetzung mit Neuem die wichtigen Verbindungen zwischen den Gehirnzellen aufrechterhalten werden und sich neue Gehirnzellen bilden – auch im Alter! Unsere Gehirnzellen lassen sich trainieren, fast so wie Muskeln. Im Alter ist es oft hilfreich, sich an Dinge zu erinnern, die man früher gerne getan hat, für die man aber vielleicht keine Zeit hatte: zum Beispiel im Alter wieder wie damals Gitarre zu spielen, ein Bekannter von mir hat zu malen begonnen. Vielleicht hat man auch früher eine Sportart gerne gemacht und fängt jetzt wieder damit an, denn regelmäßige Bewegung ist ebenfalls extrem wichtig, um auch geistig fit zu bleiben.

    Sie haben einen Hund, mit dem Sie täglich etwa 45 Minuten spazieren gehen.
    KOCH: Meistens sogar länger. Als meine liebe kleine Hündin Bessie vor ungefähr einem Jahr hochbetagt gestorben ist, wollte ich eigentlich keinen Hund mehr. Daraufhin gab es allerdings eine Art Aufschrei in meinem Freundeskreis und bei meiner Familie und es hieß: Du brauchst unbedingt wieder einen Hund! So kam Paco zu mir – auch ein Welsh Corgi, jung und verschmust.

    Reicht es, spazieren zu gehen?
    KOCH: Regelmäßige Spaziergänge sind gut für die Kondition. Es sollten allerdings insgesamt in der Woche schon mindestens 150 Minuten sein. Je nach Kondition und Vorliebe kann es selbstverständlich auch ein Sport sein oder Training im Fitnessstudio vor Ort. Viele Fitnessstudios bieten heute auch Programme für ältere Menschen. Denn das bewusste Training von Muskeln ist gerade im Alter sehr wichtig.

    Regelmäßige Bewegung ist im Alter sehr wichtig.
    Regelmäßige Bewegung ist im Alter sehr wichtig. Foto: Christin Klose, dpa

    Und eine natürliche Ernährung, schreiben Sie, ist unverzichtbar, kleine Portionen, um Übergewicht zu vermeiden, aber viel Eiweiß und Kalzium...
    KOCH: Sehr viel Bewegung und eine nährstoffreiche Ernährung sind wichtig, weil das Gehirn den höchsten Bedarf an Nährstoffen und an Sauerstoff hat. Eine ausreichende Zufuhr von natürlichen Vitaminen, Mineralien und Eiweiß sorgt aber auch dafür, dass es nicht zu dem gefürchteten Muskelschwund kommt, der oft den Anfang der Gebrechlichkeit bedeutet.

    Sie raten dazu, Übergewicht ganz langsam abzubauen. Warum ist Schlanksein im Alter so wichtig?
    KOCH: Übergewicht ab einem Body-Mass-Index von etwa 30 belastet nicht nur die Gelenke sehr. Die Fettzellen am und im Bauch erzeugen vor allem negative Hormone, Entzündungshormone, die beispielsweise Herzerkrankungen, aber auch viele Krebsarten fördern.

    Sie heben hervor, wie wichtig gerade im Alter ein guter Hausarzt, eine Hausärztin ist. Doch gerade auf dem Land fehlen Ärzte und viele Ältere, die nicht mehr mobil sind, haben die Nachteile.
    KOCH: Dass es so weit kommen konnte und gerade so viele Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner fehlen, macht mich sehr betroffen. Ich vermute, man hat den Zugang zum Medizinstudium lange Zeit zu sehr erschwert. Das heißt, nur die Einser-Abiturientinnen und -abiturienten wurden zugelassen. Dabei sind die Noten meist nicht wirklich ausschlaggebend, um ein guter, einfühlsamer Arzt beziehungsweise eine Ärztin zu werden. Gerade weil es heute oft schwierig ist, einen guten Arzt oder eine Ärztin zu finden, sollte man sich selbst um seine Gesundheit kümmern und zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Neben der regelmäßigen Prüfung von Blutdruck, Herzaktion und dem Zustand der Arterien, gehört auch die Untersuchung der Lunge und der Bauchorgane dazu. Und selbstverständlich sollte man die Krebsvorsorge wahrnehmen, vor allem auch die Darmkrebsvorsorge, bei der man schon kleinste Polypen, die sich einmal zu Tumoren entwickeln können, früh entfernen kann.

    Fürchten Sie nicht, dass mit der zunehmenden Digitalisierung viele Ältere es schwer haben, medizinisch gut versorgt zu sein? Nicht alle sind so digitalaffin.
    KOCH: Da haben Sie sicher recht, an digitale Sprechstunden muss man sich erst gewöhnen. Und wer im Internet nach einer Diagnose für seine Beschwerden sucht, gerät sicher in Gefahr, auf kommerzielle oder Fake Informationen hereinzufallen. Wie ich denn der Überzeugung bin, dass die persönliche Beziehung zwischen Arzt und Patient und das Vertrauen zwischen ihnen unverzichtbar für eine erfolgreiche Behandlung ist. Aber natürlich sollte man sich den neuen Techniken und auch der künstlichen Intelligenz nicht einfach mit der Meinung „brauche ich alles nicht mehr“ verweigern. Die Volkshochschulen bieten gute Kurse für ältere Menschen an, um auch dabei mit der Zeit zu gehen.

    Auch im Alter ist der Umgang mit dem Smartphone wichtig. Dr. Marianne Koch empfiehlt älteren Menschen sich in Kursen für Senioren über die neuen Medien und auch über Künstliche Intelligenz zu informieren. Damit man auch im hohen Alter auf dem Laufenden bleibt.
    Auch im Alter ist der Umgang mit dem Smartphone wichtig. Dr. Marianne Koch empfiehlt älteren Menschen sich in Kursen für Senioren über die neuen Medien und auch über Künstliche Intelligenz zu informieren. Damit man auch im hohen Alter auf dem Laufenden bleibt. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Welche neuen Erkenntnisse sind denn für ein gesundes Altern noch wichtig?
    KOCH: Für ganz entscheidend halte ich die internationalen Studien, die gezeigt haben, dass es darauf ankommt, wie ich auf das Alter blicke: Die Art und Weise, wie wir über das Alter denken, ob wir glauben, es bedeutet nur einen Abstieg oder eben doch ein neues Abenteuer, einen neuen Lebensabschnitt, auf den ich Lust habe, entscheidet über unsere Lebensqualität. Wer positiv dem Alter gegenübersteht, hat es viel leichter, diese nicht immer einfache Zeit gut zu bestehen und viel Spaß dabei zu haben. Das bedeutet: Seien Sie mutig, ergreifen Sie die Chancen, die sich Ihnen bieten. Und vergessen Sie nicht: Erfolgreich altern können wir nur, wenn wir nicht einsam sind, sondern aktiv am sozialen Leben, mit den Freunden, mit der Familie teilnehmen.

    Für viele bedeutet Alter aber Krankheit, oft sogar Pflegebedürftigkeit...
    KOCH: Das stimmt, das will ich auch gar nicht kleinreden. Gerade der Mangel an Pflegekräften ist ein Riesenproblem. Umso mehr bewundere ich Menschen, die trotz dieser Einschränkungen weiter positiv denken und sich an all dem erfreuen, was ihnen das Leben noch bietet.

    Zur Sturzprävention im Alter gehört es auch, bewusst Muskeln zu trainieren.
    Zur Sturzprävention im Alter gehört es auch, bewusst Muskeln zu trainieren. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Das Alter ist aber doch auch mit vielen Ängsten verbunden, gerade mit der Angst, so gebrechlich zu werden, dass ich auf die Hilfe anderer angewiesen bin.
    KOCH: Das stimmt, diese Angst, nicht mehr selbstständig leben zu können, steht sicher bei vielen im Vordergrund, nicht die Angst, irgendwann einmal sterben zu müssen. Und diese Ängste sind real. Man kann sie nicht einfach beiseiteschieben.

    Was aber kann man tun?
    KOCH: Sich möglichst frühzeitig, also wenn sich erste körperliche oder geistige Einschränkungen zeigen, über die möglichen Hilfen informieren. Die ambulante Krankenpflege ist eine hervorragende Einrichtung, die es an vielen Orten gibt. Und natürlich sollte man mit den Angehörigen vereinbaren, was man im Falle des Verlustes der Selbstständigkeit wünscht – und was nicht.

    Viele alte Menschen sind aber allein und leiden auch unter großer Einsamkeit.
    KOCH: Eine der schlimmsten Folgen des Älterwerdens ist sicherlich der Verlust von Angehörigen, von Menschen, die man geliebt hat. Einsamkeit, unter der übrigens auch immer mehr junge Menschen leiden, ist ein enormes Problem und macht seelisch, aber auch körperlich krank. Die Nutzung der sozialen Medien scheint diese Gefahr auch noch zu vergrößern. Deshalb sind reale soziale Kontakte im Alter – nicht nur für die geistige Fitness – so wichtig.

    Sie schreiben aber auch, dass man im Alter zögerlicher wird...
    KOCH: Sagen wir, die früher vorhandene „Leichtigkeit des Seins“ kommt einem oft abhanden. Und natürlich gibt es Gedanken wie: „Das ist doch nicht mehr nötig“ oder „Muss es denn noch sein?“ Das sind Momente, die man bekämpfen muss. Die Altersforscher erklären uns, dass „mutig sein“, sich „an Neues zu wagen“, das beste Rezept für ein vergnügtes Alter ist.

    Wer Sie mit Ihren 92 Jahren sieht, fragt sich, ob Sie nicht doch ein persönliches Geheimrezept fürs gute Altern haben...
    KOCH: Da gibt es kein Geheimrezept. Ich habe auch um die Schönheitschirurgie immer einen großen Bogen geschlagen. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass mein Leben, das immer wieder mit neuen Herausforderungen verbunden war, und bei dem ich immer wieder Neues lernen musste, mich fit gehalten hat: Ich habe mit 44 mein medizinisches Staatsexamen absolviert, drei Jahre später meine internistische Fachausbildung, dazwischen in meiner Freizeit als Moderatorin bei der Fernsehsendung „3 nach 9“ gearbeitet, dann mit 55 Jahren meine Praxis in München eröffnet, und habe, als ich dann mit 68 Jahren keine Kassenpatienten mehr behandeln durfte, die Praxis abgegeben und begonnen, als Medizinjournalistin zu arbeiten und Bücher zu schreiben.

    Bis heute. Noch immer beraten Sie im „Gesundheitsgespräch“ im Bayerischen Rundfunk die Anruferinnen und Anrufer.
    KOCH: Ja. Und nachdem sich in der Medizin ständig so viel Neues tut, bin ich gezwungen, jeweils auf dem neuesten Stand zu sein. Ich sage „gezwungen“, in Wirklichkeit macht mir dieses Lernen und Sich-Informieren einen großen Spaß.

    Viele Leserinnen und Leser erinnern sich sicher noch an die beliebte Ratesendung "Was bin ich?" mit Robert Lembke (Mitte) Unser Archivbild zeigt ihn mit seinem Rateteam zu dem auch Marianne Koch gehörte (von links): Guido Baumann, Annette von Aretin, Hans Sachs, und Marianne Koch.
    Viele Leserinnen und Leser erinnern sich sicher noch an die beliebte Ratesendung "Was bin ich?" mit Robert Lembke (Mitte) Unser Archivbild zeigt ihn mit seinem Rateteam zu dem auch Marianne Koch gehörte (von links): Guido Baumann, Annette von Aretin, Hans Sachs, und Marianne Koch. Foto: Istvan Bajzat, dpa

    Zur Person

    Marianne Koch begann mit 17 Jahren, Medizin zu studieren, wurde aber für die Leinwand entdeckt und zählt mit über 70 Filmen zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen der Nachkriegszeit. Mit Anfang 40 nahm die Münchnerin das Studium wieder auf, praktizierte bis zu ihrem 68. Lebensjahr in ihrer Praxis in München-Haidhausen und arbeitet seitdem als Medizinjournalistin und Buchautorin. Die 92-Jährige lebt in Tutzing.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden