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Interview: Droht in Bayern wieder ein Dürre-Sommer, Herr Kunstmann?

Interview

Droht in Bayern wieder ein Dürre-Sommer, Herr Kunstmann?

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    Aufgerissen und ausgetrocknet war eine Sandbank an der Donau im vergangenen Sommer. Dürreperioden zwingen auch Bayern zu einer Anpassung an die Folgen des Klimwandels.
    Aufgerissen und ausgetrocknet war eine Sandbank an der Donau im vergangenen Sommer. Dürreperioden zwingen auch Bayern zu einer Anpassung an die Folgen des Klimwandels. Foto: Armin Weigel, dpa (Archivbild)

    Frankreich sorgte in der vergangenen Woche durch einen traurigen Rekord für Schlagzeilen: Mit über 30 Tagen ohne Regen ist es in dem Land so trocken wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Droht ein solcher Rekord auch in Bayern?
    HARALD KUNSTMANN: Die schlechte Nachricht vorweg: Wir haben bereits im März vor einem Jahr einen vergleichbaren Rekord geknackt. In Teilen Oberbayerns und des Oberallgäus hat es damals ebenfalls über 30 Tage am Stück nicht geregnet. Das hat selbst uns Klimawissenschaftler erschrocken. Es wird wieder einmal deutlich: Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen nicht nur andere Länder - sie sind bereits direkt vor unserer Haustür spürbar.

    Und was ist dann die gute Nachricht?
    KUNSTMANN: In den letzten 90 Tagen war die Niederschlagsmenge in weiten Teilen Bayerns überwiegend normal. Leider hört die gute Nachricht dann aber auf. Es zeichnen sich bereits einzelne Regionen mit überdurchschnittlich trockenen Verhältnissen ab – etwa die Gebiete um die Wörnitz, obere Altmühl und den unteren Lech. Entscheidender als die momentanen Niederschläge sind aber die Grundwasserstände.

    Dr. Harald Kunstmann ist Professor für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg.
    Dr. Harald Kunstmann ist Professor für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg. Foto: Harald Kunstmann

    Wie steht es denn um das Grundwasser in Bayern?
    KUNSTMANN: In weiten Teilen Bayerns ist das Grundwasser sehr niedrig. Das bedeutet: In 90 Prozent aller bislang verzeichneten Werte war es höher. 14 Messstellen zeigen aktuell sogar einen neuen Niedrigstwert an, besonders im Raum München. Hier schlagen sich jetzt die extrem trockenen Jahre 2018 bis 2020 und auch 2022 nieder. 

    Einige Wochen Dauerregen reichen also nicht aus?
    KUNSTMANN: Nein, es bräuchte sogar mehrere anormal feuchte Jahre hintereinander, bis sich das Grundwasser erholt hätte.

    Welche Rolle spielt nun eine Winterdürre?
    KUNSTMANN: Eine sehr entscheidende. Der Spätwinter ist eigentlich die Zeit, in der sich am meisten Grundwasser neu bilden kann, etwa durch die Schneeschmelze. Wenn eine Grundwasserneubildung ausbleibt, hat das Auswirkungen auf das gesamte Jahr.

    Die Sorge vor einem erneuten Dürresommer ist also berechtigt?
    KUNSTMANN: Es besteht Anlass zur Sorge, aber für Panik ist es definitiv zu früh. Sowohl beim Blick ins Ausland als auch hierzulande. Es kommt ganz darauf an, wie das Frühjahr verläuft. In Bezug auf die Hitze in Bayern lässt sich bereits eine erste Prognose wagen: Für Juni und August besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie heißer als 90 Prozent aller Vorjahresmonate werden. Was den Niederschlag betrifft, sind solche Vorhersagen schwieriger. 

    In Frankreich waren in der vergangenen Woche einige Dörfer zeitweise ohne fließendes Wasser und mussten sogar per Tankwagen versorgt werden. Ist die Trinkwasserversorgung in Bayern ebenfalls in Gefahr?
    KUNSTMANN: Nein, beim Trinkwasser droht meiner Meinung nach auch weiterhin keine Gefahr. In Deutschland haben wir eine sehr gute Wasserinfrastruktur. Wenn es einmal schwieriger wird, verfügen zum Beispiel viele Kommunen über Notwasserversorgungsquellen. 

    Der französische Präsident Macron hat zum nationalen Wassersparen aufgerufen und Beschränkungen zur privaten Wassernutzung verhangen. Sollten auch die Deutschen mehr Wasser sparen?
    KUNSTMANN: Regionale Beschränkungen hat es in den vergangenen Jahren auch in deutschen Kommunen gegeben, auch in Bayern. Im Sommer ist es dann beispielsweise untersagt, den Swimmingpool zu füllen oder das Auto in die Waschanlage zu bringen. Solche Maßnahmen werden wohl auch hierzulande zunehmen. Ein sparsamer Wasserverbrauch ist wichtig, aber: Es ist Humbug, zu sagen, dass bitte jeder nur noch einmal pro Woche duschen sollte. Vielmehr müssen wir die Wassernutzung in der Landwirtschaft und der Industrie in den Blick nehmen.

    Mit Fragen zur Wassernutzung hat sich in Bayern eine Expertenkommission befasst, die 2020 von der Bayerische Staatsregierung einberufen wurde. Hat das etwas bewirkt?
    KUNSTMANN: Die Expertenkommission hat zwar konkrete Maßnahmen erarbeitet – doch manches ist auf Gegenwind gestoßen und die Initiative scheint zu ruhen. Das Thema birgt viel Konfliktpotential. 

    Haben Sie ein Beispiel dafür?
    KUNSTMANN: Nehmen wir ein Beispiel aus der Landwirtschaft. Hier ist es gängig, überschüssiges Wasser über Drainagen aus dem Feld zu leiten. Für das Grundwasser wäre zu überlegen, diese Drainagen zurückzubauen, damit mehr Wasser versickern kann. Wenn das aber nun angeordnet wird, stößt das bei Landwirten natürlich auf Gegenwind. Immerhin können Drainagen den Ernteertrag steigern.

    Auf der anderen Seite haben Bauern bereits jetzt mit den Auswirkungen der klimatischen Veränderungen zu kämpfen, oder? 
    KUNSTMANN: Natürlich. Im vergangenen Jahr haben viele Bauern enorme Verluste einfahren müssen, etwa beim Getreide. Und auch der Wald und die Artenvielfalt leiden. Wir müssen uns daher fragen, wie wir unsere Land- und Forstwirtschaft hitze- und dürreresistent gestalten können.

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    Und was für einen Beitrag leistet das Augsburger Zentrum für Klimaresilienz?
    KUNSTMANN: Der Schwerpunkt unserer Forschung liegt in der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels. Wir arbeiten daran, dass unsere Vorhersagen zu Hitze-, Dürre- und Starkregenereignissen immer besser werden. Damit lassen sich dann proaktiv Maßnahmen einleiten, um zum Beispiel extreme Dürren abzufedern. Über alldem sollte aber immer die Frage stehen: Wie können wir unsere Treibhausgas-Emissionen reduzieren? Denn sie sind der Grund für die klimatischen Extreme.

    Zur Person

    Dr. Harald Kunstmann ist Professor für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg. Seit 2021 baut er das neue Zentrum für Klimaresilienz mit auf. 

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