Herr Glück, hat Ihnen Ihr Name schon einmal Glück gebracht?
Rudolf Glück: Ja, das kann man schon sagen. Viele, die meinen Namen hören, kommentieren ihn auch. "Was für ein schöner Name" heißt es dann immer. Oder "Haben Sie denn besonders viel Glück?" Erstens freut mich das. Und zweitens kommt man so auch schneller in ein richtiges Gespräch. Dadurch sind bei mir viele gute Freundschaften entstanden.
Wenn man das Glück den ganzen Tag mit sich herumträgt, denkt man dann auch mehr darüber nach, was Glück bedeutet?
Glück: Wenn man das ganze Leben lang mit etwas lebt – so wie der Mensch mit einem Namen –, dann tritt das irgendwann von selbst in den Hintergrund. Ich freue mich natürlich immer noch, wenn mich Leute auf meinen Namen ansprechen, aber zum Glücklichsein ist das nur ein Mosaikstein von ganz vielen.
Gerade kürzlich ist eine Studie veröffentlicht worden, die besagt, dass Glück mit dem Alter mehr wird. Stimmt's?
Glück: Absolut. Viel Zeit zu haben, ist ein großer Glücksfall. Die Mayas waren die Meister der Zeiteinteilung, und ihre Lehre ist auch für mich sehr wertvoll. Meine Lebensgefährtin und ich sind in Rente, jetzt können wir uns Zeit nehmen und unser Leben gestalten. Und zwar mit den Fähigkeiten und Hobbys, die man sich im Laufe der Jahre angeeignet hat. Man muss, anders als im Beruf, auch nicht mehr multitaskingfähig sein. Und man wird mit zunehmendem Alter erfahrener, kann für sich selbst in jeder Hinsicht die Spreu vom Weizen trennen: Was ist mir wichtig im Leben? Welche Freundschaften sind mir wichtig? Man darf keine Verlustängste haben. Was einem nicht guttut, muss man aufgeben. Man kann nur aufsteigen, wenn man Ballast abwirft. Das gilt übrigens auch für all die Dinge, die sich im Lauf eines Lebens ansammeln. Man muss das eigene Leben ausmisten, nur die Dinge behalten, die einem wirklich etwas bedeuten. Durch all diese Elemente versuche ich, das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele zu erzeugen.
Welches Ding würden Sie niemals ausmisten?
Glück: Das Bändchen zum Beispiel, das meine Tochter bei ihrer Geburt im Krankenhaus ums Ärmchen trug: Das werde ich niemals wegwerfen. Es liegt in einer Schublade mit anderen Dingen von meiner Tochter – Geschenken, Fotos. Als Lisa zur Welt kam, das war einer der größten Glücksmomente meines Lebens.
Sollte man sich schon in jungen Jahren Fähigkeiten aneignen und Hobbys suchen, um im Alter glücklich zu sein?
Glück: Auf jeden Fall. Wenn man etwas gefunden hat, was einem Spaß macht, dann sollte man es unbedingt beibehalten. Ich male jetzt wieder, meine Lebensgefährtin und ich tanzen wieder Rock'n'Roll. Heuer habe ich mein 50. Boogie-Jubiläum. Deswegen kann man jedem jungen Menschen raten: Beschäftige dich mit anderen Dingen als nur den alltäglichen! Such deine Fähigkeiten, bau sie aus! In jedem schlummert etwas, was er oder sie aktivieren kann.
Was passiert, wenn man das nicht tut?
Glück: Man fällt in ein Loch. Manche haben ja förmlich Angst vor der Rente. Doch solange man nicht tot ist, muss man das Leben genießen. Wir sind ja keine Lotusblüte, die immer neu entsteht.
Wie hat sich Ihr Verständnis von Glück im Lauf Ihres Lebens geändert?
Glück: In jungen Jahren ist man vor allem durch materielle Dinge glücklich. Mit zunehmendem Alter liegt das Glück mehr in ideellen Dingen, in Beziehungen zu Menschen. Das ist für mich die allerwichtigste Erkenntnis: dass Glück nichts mit Materiellem zu tun hat. Beziehungen sind Glück. Aber man muss sie auch pflegen, das ist entscheidend. Es ist wie beim Lotto: Wenn man gewinnt, hat man riesiges Glück. Aber wenn man nicht richtig mit dem Gewinn umgeht, ist er weg. Das ist bei Freunden genauso. Und in der Partnerschaft. Wenn ich meine Partnerin nicht umsorge, ist sie weg. Man wird auch gelassener im Alter. Und, wie gesagt, man hat Zeit, seine Fähigkeiten zu entdecken. Ich male, wir tanzen, gestalten unseren Garten. Und intensivieren das von Tag zu Tag. Das macht glücklich, vollkommen unabhängig vom Materiellen. Die Japaner sagen: Nicht der ist glücklich, der alles hat. Sondern der mit dem, was er hat, versteht, glücklich zu sein. Und ebenso entscheidend: kein Selbstmitleid!
Nun gibt es trotzdem Millionen unglücklicher Menschen auf der Welt. Sehen sie für all die noch Hoffnung und das Potenzial, glücklich zu werden?
Glück: Man muss "unglücklich sein" sehr genau differenzieren. Warum sind Menschen unglücklich? Oft doch, weil sie ein Ziel nicht erreichten oder weil sie nach immer noch mehr Macht streben. Dann sollte man sich fragen: Was tue ich eigentlich meinen Mitmenschen damit an? Und mir selbst? Und manche sind einfach unzufrieden, ohne einen Grund zu haben. Bei denen bleibt nur zu hoffen, dass sie sich dessen bewusst werden.
Dennoch ist nicht jeder allein seines Glückes Schmied. Die Welt, wie sie gerade ist, könnte einen schon verzweifeln lassen. Beeinträchtigen Sie die Nachrichten von Krieg und Krisen in Ihrem persönlichen Glück?
Glück: Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde. Ich steigere mich manchmal richtig hinein in Nachrichten. Aber es gibt Tatsachen, die man nicht ändern kann. Da besinne ich mich lieber auf die Dinge, auf die ich Einfluss habe. Dann hält man das Unveränderbare auch besser aus.
Hat Sie das Glück auch schon mal verlassen?
Glück: Ja, natürlich. Ich habe Krankheiten hinter mir, die fast tödlich waren. 1996 lag ich im Krankenhaus und stand 14 Tage lang kurz vor dem Tod, mein Körper hat sich selbst bekämpft. Die Ursache: eine seltene Autoimmun-Störung. Weil die Krankheit so selten ist, gibt es dafür keine spezifischen Medikamente. Ich musste eine Langzeit-Chemo über mich ergehen lassen, drei Jahre lang, musste Cortison nehmen. Die Schulmedizin hat mir damals geholfen. Aber ich habe mich auch gefragt: Wo kommt das her?
Haben Sie danach Ihr Leben verändert?
Glück: Ich habe meinen Stress in der Arbeit abgebaut, habe angefangen, mich mit Feng-Shui und der Lehre der Maya zu beschäftigen. Ich habe mir bewusst gemacht, dass unser Körper von Energie durchströmt ist, das ist ja reine Naturwissenschaft. Und diese Energie kann man spüren. Ich habe mir Energiepunkte geschaffen, im Garten zum Beispiel. Mir persönlich hat das damals geholfen – und hilft mir auch heute noch.
Sie scheinen allgemein ein sehr ausgeglichenes, zufriedenes Leben zu führen. Jede und jeder kennt aber auch kurze Momente großen Glücks. Wann waren Sie zuletzt so richtig von Endorphinen durchflutet?
Glück: Das weiß ich ganz genau. Letzte Woche, als ich mein erstes Bild seit langem gemalt habe. Beim Betrachten danach war ich glücksdurchflutet. Ein Jahr lang hatte ich nicht gemalt, jetzt ist die Inspiration wieder da.
Zur Person Rudolf Glück, 67, lebt in Augsburg-Göggingen. Er arbeitete im Einkauf eines chemischen Unternehmens. Am Wochenende war er mit Partnerin Gisela stundenlang beim Tanzen.