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Interview: „Die ständige Arztpräsenz vor Ort wird nicht mehr gewährleistet sein“

Interview

„Die ständige Arztpräsenz vor Ort wird nicht mehr gewährleistet sein“

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    In Bayern werden die Medizinstudienplätze ausgebaut. Dennoch könnte sich der Ärztemangel weiter zuspitzen, vor allem auf dem Land.
    In Bayern werden die Medizinstudienplätze ausgebaut. Dennoch könnte sich der Ärztemangel weiter zuspitzen, vor allem auf dem Land. Foto: Daniel Vogl/dpa

    Bayern hat eben verkündet, dass es so viele Medizinstudienplätze für Erstsemester zur Verfügung stellt wie nie zuvor. Wird das reichen, um den Ärztemangel wirklich zu bekämpfen?
    DR. CHRISTIAN PFEIFFER: Wir können nicht nur Bayern betrachten. Wenn Sie hier studiert haben, können Sie ja in ganz Deutschland als Arzt oder Ärztin arbeiten. Wenn jeder dem Vorbild Bayerns folgen würde, dann glaube ich, dass wir den Ärztemangel in den nächsten Jahren beheben könnten. Aber das ist nicht der Fall. Außerdem können wir nicht vorhersagen, wie groß die Arbeitskraft sein wird von denjenigen, die jetzt studieren. Leider muss man sagen: Die aktuellen Zahlen und Berechnungen deuten darauf hin, dass die bisherigen Bemühungen nicht reichen werden, um alle Ärzte, die ausscheiden, tatsächlich ersetzen zu können.

    Das bedeutet dann, dass sich die Situation vor allem auf dem Land, wo es ja bereits oft eine Unterversorgung gibt, weiter zuspitzen wird?
    PFEIFFER: Ja, das ist zu befürchten. Deswegen müssen wir die Attraktivität der Tätigkeit auf dem Land ja auch im Auge behalten und verbessern.

    Was heißt das konkret für die Patienten vor Ort, wenn sich die Situation weiter verschärft?
    PFEIFFER: Der Trend geht weg von der Einzelpraxis, es wird eher größere Einheiten geben, etwa Gemeinschaftspraxen oder medizinische Versorgungszentren, die sogenannten MVZ. Und von diesen größeren Zentren aus wird das Umland betreut werden. Und das wird auch dazu führen, dass vielleicht nicht der Arzt zum Hausbesuch fährt, sondern eine qualifizierte medizinische Fachangestellte, die dem Arzt, der die Behandlung steuert, Feedback gibt. Aber diese ständige Arztpräsenz vor Ort, die wird nicht mehr gewährleistet sein.

    Stichwort medizinische Fachangestellte: Es ist ja aktuell mitunter sehr schwer, Personal zu bekommen, oder?
    PFEIFFER: Ja, das ist ein großes Problem. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man in einer Praxis ein Bestandsteam hat und das halten kann. Neues Personal zu finden, ist wirklich schwierig. Viele medizinische Fachangestellte steigen vorzeitig aus, weil ihnen Wertschätzung und Anerkennung fehlen. Und der Beruf ist auch nicht unbedingt einer, in dem man ganz viel Geld verdient. Auch beim Nachwuchs ist aus diesen Gründen die Attraktivität des Berufs nicht mehr so hoch. Wir haben da wirklich zu kämpfen.

    Und was sind die gravierendsten Ursachen für den Ärztemangel?
    PFEIFFER: Heutzutage steht für viele junge Menschen die Ausgewogenheit zwischen Familie, Freizeit und Beruf viel mehr im Fokus als früher. Da hat sich ein gewaltiger Wandel vollzogen, und zwar gesamtgesellschaftlich, nicht nur in der Medizin. 70 Prozent der Medizinstudierenden sind Frauen – da zeigt sich der Wunsch, Familie und Beruf zu vereinen, nochmal stärker. Was auch ein Punkt ist: Die Anerkennung unseres Berufes und dessen, was wir für die Gesellschaft tun. Leider sehen wir immer wieder, dass Patienten gegenüber Ärzten ausfällig werden, etwa, wenn es um gefühlt lange Wartezeiten geht. Das sind Dinge, bei denen man sich fragt, warum man sein Engagement einbringen soll, wenn es mitunter nicht richtig wertgeschätzt wird. Da müsste die Gesellschaft umdenken. Und auch die Politik, die für die richtigen Rahmenbedingungen – unter anderem den Verdienst – sorgen muss.

    Welche Rahmenbedingungen müssten sich denn neben dem Gehalt ändern? Flexiblere Arbeitszeiten? Bessere Teilzeitmöglichkeiten?
    PFEIFFER : Definitiv. Die Flexibilität muss im System einfach gegeben sein, sowohl in den Kliniken als auch in den Praxen. Wobei man schon sagen muss, dass die Strukturen vor allem in den Krankenhäusern oft sehr eingefahren sind. Im niedergelassenen Bereich gibt es aber noch andere Herausforderungen, die man angehen müsste. Vor allem das Thema Regresse. Es ist gut, dass die Geringfügigkeitsgrenze jetzt per Gesetz angehoben wird, sodass von den Kassen weniger Prüfanträge - mit zumeist marginalem Ertrag und hohem bürokratischen Aufwand - gestellt werden können. 

    Könnten Jobs in der Forschung, in der freien Wirtschaft oder auch im öffentlichen Gesundheitswesen für Medizin-Absolventen an Bedeutung gewinnen, weil dort die Rahmenbedingungen besser sind?
    PFEIFFER : Das glaube ich nicht. Eigentlich studiert man ja Medizin, um am Patienten zu arbeiten. Und dass das der große Wunsch der allermeisten Studierenden ist, zeigen immer wieder Umfragen. Die wollen nicht in einem Büro sitzen oder in einem Forschungslabor. Wenn jemand dafür ein Faible hat, dann wird er sich eine solche Tätigkeit aussuchen. Aber einen allgemeinen Trend in dieser Richtung sehe ich nicht.

    Welche Rolle spielen für den Ärztemangel hierzulande denn Abwanderungen ins Ausland? Gehen viele Medizinerinnen und Mediziner, weil es anderswo bessere Arbeitsbedingungen und bessere Verdienstmöglichkeiten gibt?
    PFEIFFER: Im Fokus steht dabei nicht so sehr der Verdienst, es geht vielmehr um die Arbeitsbedingungen. Aber: Der Trend, ins Ausland abzuwandern, ist rückläufig. Zuvor zog es deutsche Mediziner vor allem nach Österreich, in die Schweiz oder nach Skandinavien. Aktuell haben wir in Deutschland sogar einen großen Zuzug von ausländischen Ärzten, die die Bedingungen in Deutschland besser finden als in ihren Heimatländern.

    Zur Person: Dr. Christian Pfeiffer ist Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und selbst als Hausarzt tätig.

    „Der Trend geht weg von der Einzelpraxis, es wird eher größere Einheiten geben, etwa Gemeinschaftspraxen oder medizinische Versorgungszentren“, sagt Dr. Christian Pfeiffer.
    „Der Trend geht weg von der Einzelpraxis, es wird eher größere Einheiten geben, etwa Gemeinschaftspraxen oder medizinische Versorgungszentren“, sagt Dr. Christian Pfeiffer. Foto: KVB/Nadine Stegemann
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    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    PROBLEM: „Die ständige Arztpräsenz vor Ort wird nicht mehr gewährleistet sein“ LÖSUNG: Dann fliegen wir halt nach China, Ungarn oder in die Türkei. Dies wird heute schon bei Zahnersatz praktiziert, weil die deutschen Leistungen überhöht sind.

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