Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Interview: 30 Jahre Batic & Leitmayr im "Tatort": "Ewig geht das nicht mehr!"

Interview

30 Jahre Batic & Leitmayr im "Tatort": "Ewig geht das nicht mehr!"

    • |
    Miroslav
    Miroslav Foto: dpa / Tobias Hase / Tobias Hase

    Herr Wachtveitl, Herr Nemec, gehen wir gleich aufs Ganze: Ein Zwist zwischen Ihren beiden Ermittlerfiguren im letzten „Tatort“ gab Anlass zu Spekulationen. Batic informierte sich jedenfalls über den Ruhestand, ohne mit Leitmayr darüber zu sprechen. Fans sorgen sich nun, dass Sie beim „Tatort“ aussteigen wollen.

    Miroslav Nemec: Ich kann das erklären. Dem Autor des letzten Films ist eingefallen, dass ich mich hinter dem Rücken vom Leitmayr informiere. Aber da muss man natürlich immer höllisch aufpassen, dass das nicht falsch verstanden wird. Es gab auch schon eine Folge, da war nicht klar, ob der Leitmayr erschossen wurde und tot ist … 

    Udo Wachtveitl: … ich korrigiere: abgestochen. 

    Nemec: Von einer Dame natürlich! Ja, und auch beim letzten Mal war die Aufregung groß. Es sollte aber nicht auf einen Ausstieg aus dem „Tatort“ hinweisen. 

    Wachtveitl: Es ging darum, dass sich der Autor in der Szene einen möglichst starken Grund für den Zwist ausdenkt, damit sich der Leitmayr wirklich aufregen kann. Und da hat er vielleicht zu einer etwas zu starken Droge gegriffen. Andererseits muss man auch sagen: Wir sind ja keine 30 mehr. Und irgendwann taucht am Firmament die Frage auf, wie lange wir noch über Zäune springen wollen, und fragen, was jemand von Dienstagnacht auf Mittwochmorgen gemacht hat.

    Nemec: Wir können es ja auch so machen: Ich springe über den Zaun und du fragst: „Wo waren Sie gestern?“ Dann verbrauchen wir uns nicht so schnell. Aber der Udo hat recht: Ewig geht das nicht mehr!

    Ihr letzter „Tatort“ hatte mit vier Millionen Zuschauern eine schwache Quote. Viele Kritiker jubelten, der normale Fan nahm den Film eher zurückhaltend auf. Woran, glauben Sie, lag das?

    Nemec: Wenn wir über Quoten reden, muss relativiert werden. Es waren Ferien, Montag, der zweite Weihnachtsfeiertag. Und an dem schalten bekannterweise sowieso nur maximal sechs Millionen Zuschauer ein. Wir hatten vor ein paar Jahren auf dem gleichen Sendeplatz als Tagessieger 6,4 Millionen Zuschauer. Aber die Leute wollten uns bei der Folge „Mord unter Misteln“ offenbar nicht in eine andere Welt folgen, in der wir als Francis Lightmyer und Ivor Partridge den Mörder in einem englischen Herrenhaus suchen. Vor allem die Älteren haben weggeschaltet und wollten wahrscheinlich lieber einen klassischen Krimi, keine Experimente, keine Verkleidungen und Zeitsprünge. Aber uns hat die Arbeit wahnsinnig Spaß gemacht.

    Was machen Sie eigentlich in den acht Monaten, in denen Sie keinen „Tatort“ drehen?

    Wachtveitl: Ich dachte, es geht um ein Interview zum „Tatort“!

    Na ja.

    Wachtveitl: Mei, jeder von uns hat ja noch andere Projekte. Ich beispielsweise bin relativ viel mit Lesungen unterwegs. Und meistens gab es auch pro Jahr noch ein weiteres großes Projekt, entweder ein Fernsehspiel oder ein Theaterstück. 

    Nemec: Bei mir ist es ähnlich. Dazu kommen noch Konzerte mit meinen beiden Rockbands. Wir hatten übrigens im Dezember 2022 und in den letzten Jahren zudem gemeinsame Lesungen, begleitet von einem Streichquintett, mit der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens.

    Und welche Top-Rollen sind Ihnen durch Ihr „Tatort“-Engagement verloren gegangen?

    Wachtveitl (scherzt): Bei mir war es James Bond. Ich sollte James Bond spielen, die Vertragsverhandlungen waren auch schon weit gediehen. Dann haben die einen „Tatort“ mit mir als Leitmayr gesehen und haben gesagt: „Nö, das ist zu stark, da kommt James Bond nicht ran!“

    Nemec (lacht): Da hatte ich die Rolle aber schon abgesagt. 

    Wachtveitl: Jetzt spielt den ein anderer. Ein Brite, glaube ich.

    Die Schauspieler Udo Wachtveitl (links als Franz Leitmayr) und Miroslav Nemec (als Ivo Batic) ermitteln in München.
    Die Schauspieler Udo Wachtveitl (links als Franz Leitmayr) und Miroslav Nemec (als Ivo Batic) ermitteln in München. Foto: Tobias Hase, dpa

    Kommen wir zu Ihrem neuen „Tatort“: „Hackl“ führt in den sozialen Brennpunkt Münchens, den Hasenbergl. Ein besonderer Fall oder einer von vielen?

    Nemec: Ich fand den schon besonders und gut. Ohne zu viel zu spoilern: Ich habe mich sehr gefreut, dass Burghart Klaußner die Rolle des verdächtigen stadtbekannten Münchner Querulanten Hackl übernommen hat. Burghart und ich haben schon Ende der 70er in Köln am Theater zusammengespielt. Und im Drehbuch wirkte der Hackl nicht ganz so profiliert, aber Burghart hat daraus eine sehr schlüssige Figur geschaffen. Es spielt schon eine große Rolle, dass er dabei ist.

    Wachtveitl: Das stimmt. Ich habe zuerst befürchtet, Burghart Klaußner wäre vielleicht vom Sprachduktus nicht bairisch genug, nach dem, was ich von ihm kannte. Aber ich habe dann erfahren, dass er prägende Jahre in einem Münchner Vorort verbracht hat. Davon konnte er viel hervorholen und wir haben dann am Set noch so manche Dialektfeinheit diskutiert. Ob man nun beispielsweise „owe“ oder „owa“ sagt. Ich mag solche Figuren, einsame, alte Männer mit rauer Schale, die nicht so telegeschmeidig sind.

    Nemec: Ich mag im Film den Hackl ja nicht so, weil er mir Eingeweide an den Kopf wirft und mich als Jugo beschimpft. Darüber hinaus ist der Film aber auch eine gute Milieustudie zur Wohnblockmentalität des Hasenbergl. Sogar meine kritische Frau fand den Film gut. 

    Wachtveitl: Deine Frau ist kritisch und hat dich trotzdem genommen?

    Nemec: Na ja, was soll ich sagen? Da muss sie was übersehen haben.

    Fitnesstrainer Kenny (Joshua Kimmich) hat in der neuen "Tatort"-Folge eine Szene mit Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer).
    Fitnesstrainer Kenny (Joshua Kimmich) hat in der neuen "Tatort"-Folge eine Szene mit Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer). Foto: Hendrik Heiden/BR, Tellux Film GmbH, dpa

    Joshua Kimmich vom FC Bayern München ist als Personal-Trainer zu sehen. Haben Sie ihn beim Dreh überhaupt getroffen?

    Wachtveitl: Nein, bei dem war ja der Kollege Kalli! Aber dem Vernehmen nach hat sich Joshua Kimmich sehr professionell angestellt und war sehr freundlich. 

    Nemec: Ja, der war wirklich gut, ich habe mir den Film ja schon angeschaut.

    Wachtveitl: Er kennt sich halt aus mit dem 90-Minuten-Format. 

    Nemec: Allerdings gibt es beim „Tatort“ keine Nachspielzeit und keine Elfmeter. Bei uns muss es gleich passen.

    Herr Wachtveitl, Sie unterstützen die Tierschutzorganisation Peta ...

    Wachtveitl: Ich habe mindestens eine Doku über Tierhaltung zu viel gesehen. Und ich hatte damals eine Freundin, die kein Fleisch gegessen hat und sowieso mit der vegetarischen Ernährung sympathisiert. Ich bin aber kein Eiferer, jeder muss selber wissen, was er isst. Freilich, es gibt auch Bio-Fleisch, aber dann müsste man zum Beispiel am Set immer nachfragen. Einfacher ist die klare Grenze: kein Fleisch.

    Wie ist das bei Ihnen, Herr Nemec?

    Nemec: Auch bei mir hat eine Sensibilisierung stattgefunden. Ich esse weniger Fleisch. Beim Catering gibt es sogar dreimal die Woche vegetarisch.

    Sie sind in Zagreb geboren, aber nach der Scheidung Ihrer Eltern kamen Sie mit zwölf Jahren zu Ihrer Großtante nach Bayern und wurden adoptiert. Haben Sie schon mal überlegt, wie Ihr Leben hätte verlaufen können, wenn Sie in Kroatien geblieben wären?

    Nemec: Vermutlich wäre ich weder Schauspieler noch Musiker geworden. Ich komme aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Ich stamme aus einer Schicht, aus der man auch im Sozialismus nicht gut rauskam, außer man wäre in die Partei eingetreten. Und mein Vater wollte nie in die Partei. Insofern hätte ich wahrscheinlich malochen müssen, denn schulisch war ich nicht der Überflieger.

    Sie haben später in Salzburg Musik studiert und treten auch immer noch mit Bands auf. Warum sind Sie nicht diesen Weg weitergegangen?

    Nemec: In der Band-Zeit, mit 15 oder 16 Jahren, habe ich keine Klassik mehr gespielt. Dann fing ich wieder damit an und habe auch die Aufnahmeprüfung am Salzburger Mozarteum bestanden. Meine Klavierprofessorin, eine Ungarin, hat aber gesagt: „Herr Nemec, Sie sind etwas zu alt für eine Solokarriere als Pianist.“ Da muss man schon ein Wunderkind sein, weil das Klavier ein Soloinstrument und kein typisches Orchesterinstrument ist. Abschließend hat mich die Frau Professor gefragt: „Möchten Sie als Barpianist enden?“ 

    Wachtveitl: Wahrscheinlich hat sie gesagt: „Als Pianist sind Sie zu alt, als Liebhaber würde ich Sie nehmen!“

    Nemec: Wie hast du das erraten? Immerhin habe ich noch meinen Fachlehrer für Musik abgeschlossen, aber nie ausgeübt.

    Miroslav Nemec steht immer wieder auch als Musiker oder bei Lesungen auf der Bühne.
    Miroslav Nemec steht immer wieder auch als Musiker oder bei Lesungen auf der Bühne. Foto: Franz Mayer

    Herr Wachtveitl, Sie haben Philosophie studiert, aber Ihr Studium der Rechtswissenschaften nach fünf Semestern abgebrochen. Warum?

    Wachtveitl: Philosophie habe ich zu Ende gemacht. Und das muss man bei Philosophie dazusagen. Mich haben damals, mit Anfang 20, auch die Rechtswissenschaften interessiert. Aber ich hatte von klein auf mit der Schauspielbranche zu tun. Aus der Richtung kamen dann immer mehr Angebote. Und dazu kam, dass ich, obwohl mich Jura wirklich interessierte, nicht Jurist werden wollte. Das wäre nicht mein Lebensstil gewesen.

    Hat man als „Tatort“-Kommissar im Münchner Promi-Nachtleben spezielle Vorteile?

    Nemec: Da müssen Sie den Udo fragen. Ich gehe ja selten aus. Ansonsten nehme ich auch keine Vergünstigungen an.

    Wachtveitl: Ich gehe durchaus aus. Und aufgrund meiner Beharrlichkeit und Ortstreue habe ich mir da und dort einen Stammgaststatus erarbeitet, der aber nichts mit meiner schauspielerischen Tätigkeit zu tun hat. Manchmal ist die Bekanntheit auch ein Nachteil: Seit die Smartphones aufgekommen sind, sind ja viele scharf drauf, ein Selfie zu machen. 

    Nemec: Da fällt mir ein, im Schumann’s, eine der bekanntesten Bars in München, habe ich, glaube ich, einen guten Stand. Ich kenne den Charles Schumann schon seit meiner Zeit am Residenztheater vor 40 Jahren. Da hat er noch als Barkeeper in Harry’s New York Bar gearbeitet und da war ich damals sehr oft. Der Charles freut sich nicht über jeden Gast, aber wenn ich komme, habe ich schon das Gefühl, dass wir uns mögen.

    Udo Wachtveitl (als Kommissar Leitmayr, l) und Miroslav Nemec (als Kommissar Batic) gehören zu beliebtesten "Tatort"-Ermittlern.
    Udo Wachtveitl (als Kommissar Leitmayr, l) und Miroslav Nemec (als Kommissar Batic) gehören zu beliebtesten "Tatort"-Ermittlern. Foto: picture alliance / Andreas Gebert, dpa

    Mir lässt das einfach keine Ruhe: Was wäre denn nun Ihr bevorzugter Abgang als „Tatort“-Kommissare? Erschossen werden im Duell mit einem Schwerverbrecher, gemütlich in Pension gehen oder im Starnberger See ertrinken wie der Kini?

    Wachtveitl: Bei uns wird es mal keinen melodramatischen Tod geben. Das ist zwar Mode geworden, aber es passt nicht zu uns. Wir werden eine andere Lösung finden. Vielleicht wird es ja doch noch was mit dem Bond und Miro könnte ganz genderfluid das Bond-Girl sein. 

    Nemec: Das habe ich auch schon abgesagt, aber sie lassen nicht locker. Jetzt fängst du auch schon damit an!

    Wachtveitl: Also, einfach so in Pension gehen werden wir nicht. Wir werden etwas finden, das zu unserer Art passt, das Leben zu betrachten. Und wenn es ein passender Tod ist, dann lasse ich vielleicht sogar mit mir handeln. 

    Nemec: Wir sind ja zu zweit, da muss man auch überlegen: Soll einer sterben, beide oder sollen beide weiterleben? Also ich lebe lieber. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden