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Hochwasserschutz
17.06.2024

Der Schutz vor dem Hochwasser kam in letzter Sekunde

Iglings Bürgermeister Günter Först zeigt es: "So hoch stand das Wasser." Die Pfeiler waren bis unter die Spitze überschwemmt, der Weg im Hintergrund verschwunden.
Foto: Christian Rudnik

Ein Rückhaltebecken hat die Menschen an der Singold vor dem Schlimmsten bewahrt – nach über 20 Jahren Planung. Das zeigt, woran es beim Hochwasserschutz hakt – und wie er doch ein Erfolg werden kann.

Das Wasser hat eine Dreckschicht hinterlassen, die den Pflanzen entlang der Singold ihre Farbe nimmt. Von den baumstammgroßen Holzpfeilern an der Schleuse des Rückhaltebeckens war vor knapp zwei Wochen nur noch die Spitze zu sehen. Heute kann sich Günter Först, Bürgermeister der Gemeinde Igling im Kreis Landsberg, wieder lässig dagegen lehnen. Kein Tröpfchen Wasser benetzt seine Lederschuhe. Hinter ihm plätschert die Singold. "Ja, das fühlt sich schon gut an", sagt der Bürgermeister und meint die Gewissheit, dass dieses Becken auf seiner Flur ein paar Hundert Menschen vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Als Held fühlt sich Först deswegen nicht, das wäre auch falsch. Denn am Drosselbauwerk im Iglinger Gemeindeteil Holzhausen lässt sich beispielhaft erzählen, warum es mit dem Hochwasserschutz in Bayern so zäh vorangeht – aber eben auch, wie daraus doch noch ein Erfolgsprojekt werden kann, wenn sich schließlich alle einig sind. In Igling hat es 22 Jahre gedauert. Denn viele Menschen waren viele Jahre gar nicht begeistert. Vor allem nicht die, die Land abgeben mussten. 

Zwei Wochen nach dem Hochwasser hat sich das Rückhaltebecken wieder in eine Wald-und-Wiesenlandschaft verwandelt, in ein Stück Natur, umschlossen von einem 750 Meter langen Damm. Es fasst rund 890.000 Kubikmeter Wasser – etwa sechs Millionen volle Badewannen. Jetzt, beim Jahrhunderthochwasser, war das Becken zu 85 Prozent gefüllt. Das Besondere daran: Es liegt in Oberbayern, schützt aber Kommunen in Schwaben, die weiter flussabwärts liegen. Igling selbst profitiert nicht. Stattdessen Lamerdingen, Langerringen, Schwabmünchen, Großaitingen und Bobingen, die allesamt um die Jahrtausendwende stark von zwei Singold-Hochwassern betroffen waren. Diesmal sind die Schäden überschaubar. "Wir sind heilfroh, dass wir das Becken haben", heißt es nach der jüngsten Flut aus den Rathäusern dort, oder: "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen." 

Das Hochwasserrückhaltebecken Holzhausen war Anfang Juni zu 86 Prozent gefüllt.
Foto: Gemeinde Igling

Die Kosten für die Maßnahme – insgesamt sieben Millionen Euro – trugen zur Hälfte der Freistaat, zur anderen Hälfte die profitierenden Kommunen. Bayern habe seit 2001 insgesamt vier Milliarden in den Hochwasserschutz investiert, sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Hunderte Kilometer an Deichen wurden gebaut, große Flüsse zumindest an Teilstücken renaturiert, Stichwort Licca liber, Stichwort Wertach vital. Kaum eins dieser Projekte lässt sich mit dem anderen vergleichen. Und manches steckt seit einem Vierteljahrhundert in einer Sackgasse. Manches? Viele.

Der offene Brief, den die Bürgermeister der drei Gemeinden Altenmünster, Dinkelscherben und Zusmarshausen gerade an Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) geschickt haben, ist das wohl wütendste und verzweifeltste Zeugnis davon. Seit 25 Jahren wird in den Gemeinden über den Hochwasserschutz diskutiert, seit elf Jahren ist im Dinkelscherbener Ortsteil Siefenwang ein Rückhaltebecken geplant. Es soll verhindern, dass der Donauzufluss Zusam über die Ufer tritt. 

Bürgermeister schreiben Brandbrief zum Hochwasserschutz

Doch Verhandlungen über Grundstücke und Preise, juristische Verfahren und Verwaltungsakte verzögern die Sache. Der Staat und die betroffenen Landwirte konnten sich nicht auf eine Entschädigung einigen. Vor fast fünf Jahren habe man Glauber persönlich die Hochwasserproblematik an der Zusam erläutert, heißt es in dem Brief. "Spätestens hier hätte die Brisanz des Themas ernst genommen werden müssen." Stattdessen sei man "in Form einer riesigen Flutwelle überrollt und weggeschwemmt" worden. Der Landrat stellt sich hinter seine wütenden Bürgermeister. Er spricht inzwischen offen von einer Enteignung der Blockierer. Die Einigung bei den Grundstücksverhandlungen zwischen dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth und den Eigentümern sei letztlich an wenigen Tausend Euro gescheitert. Sailer fordert eine neue Rechtslage: "Ein planfestgestelltes Hochwasser-Rückhaltebecken muss sofort gebaut werden können. Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit aufgrund wirtschaftlicher Belange ungeschützt bleibt." Das würde bedeuten: Erst Deiche, dann Diskussionen. Im Jahr 2019 wurde der Bau des Beckens noch durch etwas anderes verzögert, jedenfalls besagt das eine Anfrage der Grünen im Landtag: Der Antwort des Umweltministeriums zufolge wurde die Maßnahme damals zurückgestellt, weil "der Doppelhaushalt 2019/2020 nicht für alle im Regierungsbezirk Schwaben vorgesehenen Hochwasserschutzmaßnahmen ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung" stellt. 

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Ähnlich verzweifelt wie die schwäbischen Bürgermeister äußerte sich nach den jüngsten Regenmassen der Präsident des Bayerischen Städtetags, Markus Pannermayr. Er ist Bürgermeister von Straubing – und baute triefend nass mit den Menschen in seiner Stadt einen 350 Meter langen Behelfsdamm aus riesigen Sandsäcken, um das Wasser abzuhalten. Da würden "intensive Erinnerungen an das Jahr 2013 wach", schrieb Pannermayr auf Facebook. "Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, so ein umfangreiches Provisorium nicht noch einmal aufbauen zu müssen. Da aber elf Jahre später der Hochwasserschutz immer noch nicht realisiert ist, sind wir erneut gefordert." Die Planungen für eine fixe Hochwassermauer hatten zwar gleich nach der verheerenden Niederbayern-Flut begonnen, sagt Pannermayr später unserer Redaktion. Wegen mehrerer Umplanungen sei ein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich geworden. Doch die Unterlagen aus dem Wasserwirtschaftsamt Deggendorf liegen noch nicht vor. 

Die Gründe für Probleme beim Hochwasserschutz sind vielfältig

Mal scheitert es also am Baurecht, mal an den zuständigen Ämtern, an den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern, mal an der Justiz oder an der Landespolitik. Die Folge ist immer dieselbe: Das Wasser steht in den Häusern, Existenzen gehen den Bach runter.

Das Projekt bei Igling hat höchstwahrscheinlich Existenzen gerettet. Rund 1200 Menschen, viel Gewerbe, Infrastruktur und Landwirtschaft würden davon profitieren, heißt es aus dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth. Jetzt ist hier alles wieder ruhig, kein Wasser gurgelt mehr, über dem Becken kreist ein Rotmilan. Mittendrin liegen Felder, auf denen Bauern ihr Grünfutter anbauen. Sie sind mit der braunen Schmutzschicht überzogen, in der Luft liegt ein leicht modriger Geruch. "Für Igling sind beim Bau zwar keinerlei Kosten angefallen", sagt Bürgermeister Först. "Aber unsere landwirtschaftlichen Betriebe haben den Schaden." Sollte ihre Ernte verloren sein, können sie beim Staat Schadensersatz beantragen. Etwa 50 Grundstückseigentümer seien in irgendeiner Form von den Plänen für das Becken betroffen gewesen, schätzt Först. Er selbst hat die Verhandlungen seit der ersten Machbarkeitsstudie im Jahr 2002 miterlebt, erst als Dritter Bürgermeister, dann als Zweiter, schließlich als Erster. "Natürlich war zunächst nicht die Bereitschaft da, die Flächen abzugeben." Man habe ja keinen Zweifel daran gehabt, dass ein Rückhaltebecken nötig sei, erklärt der 72-Jährige. "Aber wir wollten halt, dass die Menschen in Igling nicht über den Tisch gezogen werden." 

Viele Straßen waren auch in Babenhausen (Unterallgäu) überflutet.
Foto: Nikolas Schäfers, dpa

Nach einem Klageverfahren, Vertragsentwürfen und dem finalen Notartermin war im November 2021 endlich Baustart, im April 2024 feierte man Einweihung – quasi in letzter Sekunde, wenn man die eigene Zeitrechnung des Projekts zugrunde legt. Teils hat der Staat den Grundstückseigentümern ihren Besitz abgekauft, teils einigte man sich auf Tauschflächen. Oder eben auf Entschädigungen im Überschwemmungsfall.

Christian Kuhlicke weiß, wie erbittert solche Verhandlungen teilweise geführt werden – und er weiß auch, wie es in Zukunft gehen muss. Kuhlicke ist Leiter der Arbeitsgruppe Umweltrisiken und Extremereignisse am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. "Beim Bau von Poldern und Rückhaltebecken müssen Menschen ihr Land abgeben", betont der Professor. "Man muss ihnen sagen: Wir sehen deinen Verlust und wir versuchen ihn so zu kompensieren, dass es auch für dich ein Gewinn ist. Es geht um Kompensation von Verdienstausfall, Ernteausfall, um Alternativliegenschaften. Da wird man sehr viel pragmatischer herangehen müssen. Mit Zwang und Anordnungen funktioniert das nicht."

In Igling hat es zwei Jahrzehnte gedauert, bis alle Kämpfe ausgefochten waren. "Die Wunden bei den Menschen sind zum Teil immer noch da, manche fragen auch jetzt noch: Warum muss dieses Becken ausgerechnet bei uns sein?", erzählt Först. Der Großteil der Iglinger sehe das Becken aber positiv – spätestens jetzt. Viele hier seien zwar nach wie vor der Meinung, dass kleinere Becken an mehreren Stellen sinnvoller seien, dass jede Gemeinde sich vor allem selbst schützen soll – auch Först. "Aber wo das nicht möglich ist, müssen die Gemeinden solidarisch sein.“ 

Beim Schutz vor Hochwasser nach Holland schauen

Experte Kuhlicke empfiehlt der Politik, sich ein Beispiel an den Niederlanden zu nehmen. "Die Holländer haben große Teile ihres Landes umgebaut, um Flüssen im Zuge des Hochwasserschutzes mehr Raum zu geben. Dabei ging es immer um zwei Prinzipien: Sicherheit steigern und Lebensqualität steigern." Die politisch Verantwortlichen hätten die Menschen eingebunden. "Die Frage war: Wie können wir in den Gebieten, die wir stark verändern, die Lebensqualität erhöhen? Die Bürgerinnen und Bürger einer Kommune haben sich gewünscht, dass dafür ihr Ortskern saniert wird. Und das passierte auch.“

Den bayerischen Hochwasserschutz nennt der Experte "recht gut aufgestellt". Bayern habe nach dem August-Hochwasser 2002 mit hohen Pegeln an der Donau und im Chiemgau und 2013 mit Schwerpunkt in Passau und Deggendorf viel Geld investiert. Das zeige Wirkung. "Allerdings hat man auch wichtige Maßnahmen, wichtige Polder, wieder von der Liste runtergenommen. Inwiefern sich das jetzt gerächt hat, dazu steht die Analyse noch aus." Die Hochwasser-Warnsysteme aber hätten recht gut funktioniert, sagt der Forscher. Jetzt komme es darauf an, die Hochwasserereignisse zu kartieren. "Gerade zu den kleinen Flüssen hat man meist wenige Daten. Oft kennt man nicht einmal die normalen Pegelstände, geschweige denn das Verhalten bei Hochwasser.“ Die kleinen Bäche und Flüsse, die jetzt oft die größte Zerstörung brachten. „Wir können das Problem nicht ignorieren", mahnt Kulicke. "Man muss im Sinne des Realitätsprinzips anerkennen, dass das Wasser mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wiederkommt. Und da gilt es jetzt, Lösungen zu finden – und zwar idealerweise kooperative Lösungen.“

So kooperativ wie am Rückhaltebecken Holzhausen, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts Tag und Nacht in einem kleinen Holzhäuschen mit Dixiklo den 750 Meter langen Damm überwachten. Der Bürgermeister persönlich brachte ihnen mittags Schweinebraten vorbei, andere kochten ihnen Kaffee und backten Kuchen. Das ist offenbar nicht selbstverständlich. Die Kontrolleure jedenfalls feilen gerade an einem Dankesbrief, der bald im Gemeindeblatt abgedruckt werden soll. Darin erzählen sie auch, wie ein junger Iglinger nachts um halb drei Trinkwasser brachte, als ihr Vorrat aufgebraucht war. Und das in einem Ort, der so lange gegen den Hochwasserschutz auf seiner Flur aufbegehrt hatte. (mit jah, kabe)

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